Sherlock_Fuchs schrieb:Das Argument, dass der Kolonialismus Schuld sei, dürfte mittlerweile von der Geschichte als falsch entlarvt worden sein. Sonst gäbe es nicht unzählige Beispiele von früheren Kolonien, die heute wirtschaftlich erfolgreich und hochentwickelt sind.
Das ist ein Denkfehler.
Kolonialismus ist ein Aspekt für ein Entwicklungshemmnis. Dieses Hemmis kann natürlich auch durch andere Faktoren ausgeglichen werden. Je nach dem, wie groß dieses Hemmnis ist, ist das mehr oder wenig wahrscheinlich, dass andere Faktoren dieses Hemmnis ausgleichen.
Beispiel:
Stell Dir zwei Marathonläufer vor. Wenn Du einem Gewichte ans Bein bindest, dann sind wir uns doch einig, dass das ein Nachteil ist, wenn er am Ende verliert. Trotzdem kann er aber gewinnen, weil er vielleicht der viel bessere Marathonläufer ist. Oder eine Abkürzung nimmt. Oder was auch immer. Der Nachteil der Gewichte ist ein reales Hemmnis. Das kann sich im Ergebnis auswirken oder durch andere Faktoren verstärkt oder eben auch ausgeglichen werden. Deine Argumentation, die nur das Ergebnis betrachtet, ist insofern falsch. Du müsstest in Deine Argumentation alle weiteren relevanten Faktoren mit einbeziehen, die in den ehemaligen Kolonien eine Rolle gespielt haben.
Manche Kolonien wurden u.U. einfach ihrem Schicksal überlassen und andere wirtschaftlich gefördert. In manchen führte die Kolonialherrschaft zu Bürgerkriegen, in manchen aufgrund äußerer Umstände vielleicht nicht.
sacredheart schrieb:Man könnte vermuten, daß die kalten klimatischen Bedinungen wie hier in der nördlichen Hälfte Europas die Menschen schon früher zu einer zivilisatorischen Entwicklung zwangen.
Dagegen spricht, dass viele ganz alte Reiche (zb Ägypten, Sumerer etc, auch die frühen Reiche in Mittelamerika) in sehr warmen klimatischen Zonen lagen. Wenn es nach der Tragfähigkeit der landwirtschaftlichen Böden ginge, müsste Südamerika die Welt beherrschen, allenfalls noch die Soester Börde.
Es gibt bei solchen Dingen nie nur einen Grund. Es ist immer ein Mischmasch an Gründen, die in Summe zu dem einen oder dem anderen Ergebnis führen.
Grundsätzlich benötigt die Entwicklung einer Zivilisation einen gewissen Überfluss und eine gewisse Bevölkerungsdichte. Wenn ich meine gesamte freie Zeit damit verbringen muss, überhaupt nur am Leben zu bleiben, kann ich mich weder spezialisieren, noch irgendwelche abstrakten Ideen entwickeln, die nicht nur mein unmittelbares Überleben sichern. Und wenn ich nur in kleinen Gruppen lebe, sieht es auch eher mau aus, was die Spezialisierung an geht.
Eine sehr lange Zeit (und zwar die mit Abstand längste seiner Existenz) hat der homo sapiens als Nomade vor sich hin gelebt und war vollauf damit beschäftigt, nicht zu verhungern oder sonst nicht vorzeitig aus dem Leben zu scheiden. Er hat, obwohl er ein moderner Mensch wie Du oder ich war, keine Häuser gebaut und nur extrem einfache Werkzeuge hergestellt. Nicht weil er grundsätzlich intellektuell überfordert gewesen wäre, sondern weil die Umstände eine weitere Entwicklung nicht zuließen. Erst als die Umstände ermöglichten, mehr als nur um das nackte Überleben zu kämpfen, wurden die Menschen sesshaft. Sie schlossen sich zu größeren Gruppen zusammen und damit war eine Voraussetzung geschaffen, dass komplexere Entwicklungen statt fanden.
Ob es nun wirklich zu komplexen Entwicklungen kam oder nicht, hing aber von weiteren Umständen ab. Klimatische Umstände können eine Rolle spielen. Das Bedürfnis, Vorräte anzulegen, kann zu einer Entwicklung in diese Richtung führen - oder es führt dazu, dass die Sippe im Winter einfach stirbt.
In wärmeren und fruchtbareren Gegenden, können andere Motivationen eine Rolle spielen. Wenn viele Menschen zusammen leben, sind Spezialisierungen nahe liegender. Einer, der halt gut fischen kann, wird das ggf. ausnutzen und im Gegenzug keine Hütten mehr bauen. Und er wird wahrscheinlicher seine Fähigkeiten und seine Ausrüstung verbessern können, weil er überproportional viel Zeit mit Fischen verbringt.
Man muss sich davon lösen, dass eine bestimmte Ursache stets nur einen Grund haben kann. Das führt nur zu Fehlinterpretationen.