Mal ganz deutlich, falls das mißverständlich gewesen sein sollte:
eine Prüfung oder Initiation soll nicht der Ausgrenzung von irgendjemandem dienen, sondern die Energien junger Leute in der Sturm-und-Drang-Phase in sinnvolle Bahnen lenken.
Wer sich in einer Gesellschaft angenommen und anerkannt fühlt, wird nicht aggressiv und destruktiv gegen diese Gesellschaft.
@ahri ahri schrieb:Ich denke das ist schwierig. Wir leben ja schon in einer ziemlichen Leistungsgesellschaft. Wer nicht mitkommt hat verloren. Was ist mit den Schwachen, die es nicht schaffen solche eine "Prüfung" zu bestehen? Ich finde jeder Mensch sollte die gleichen Rechte haben und gleichermaßen akzeptiert und toleriert werden. Würden wir anfangen nur Menschen anzuerkennen, die gewisse Mutproben bestehen und sich damit als "stark" auszeichnen, dann würde das nur noch mehr das leistungsorientierte Denken der Gesellschaft fördern, von dem ich so wenig halte.
Deine Einwände kann ich komplett nachvollziehen - aber im Grunde ist es doch schon längst so, das viele nicht akzeptiert werden, Mobbing, Ausgrenzung, das alles existiert bereits. Die Gründe dafür können sein, dass einer besonders gut in der Schule ist - Streber! - oder dass einer besonders häßlich ist, sich komisch bewegt, anders spricht oder kleidet etc.
Behinderte gibt es auch jetzt schon, und die kommen auch so nicht mit. Auch trotz Integrations- und Inklusionsprojekten wie z.B. ihrer Teilnahme am "normalen" Schulunterricht. Aber ob sich die anderen Schüler deswegen auch nachmittags mit ihnen verabreden, sie ins Kino oder Schwimmbad mitnehmen? Hab ich zumindest noch nichts von gehört.
Für diese Mitmenschen würde sich also gar nichts ändern, außer vielleicht indirekt, dadurch dass die anderen sich durch solche Rituale erwachsener und verantwortungspflichtiger fühlen könnten und sich aus diesem Gefühl heraus mehr um die Schwanchen der Gesellschaft kümmern würden.
Typischerweise sind es ranghohe Mitglieder einer Hierarchie, die sich Schwächerer annehmen.
Ich hab mich durch ein Zitat aus der Serie "Lie to me" zu diesem Thread anregen lassen, und ich bleib auch jetzt mal dabei, indem ich die Serie und den Film "Wickie und die starken Männer" als Beispiel dafür anführe, wie sich ein körperlich unterlegener kleiner Wicht seinen Platz in der Dorfgemeinschaft und Anerkennung verdient, weil er schlau ist und seine Fähigkeiten in den Dienst der Gemeinschaft stellt.
Möglicherweise geht es nicht um eine Prüfung, die irgendwie festgelegt werden muss, sondern darum, die nützlichen Fähigkeiten des einzelnen herauszufinden und zu wertschätzen - und vor allem darum, jedem die Chance zu geben, seine Fähigkeiten einzubringen.
Im übrigen suchen sich sehr viele Jugendliche ihre Prüfungen und Mutproben ja selbst aus, jeden Tag; S-Bahn-Surfen, Graffiti-Sprühen, gemeinsam losziehen, sich jemanden aussuchen der stark aussieht, den dann anpöbeln und verprügeln - das sind alles genau solche selbstgewählten Mutproben und Einweihungen, nur leider für die Gesellschaft völlig sinnlos und sogar schädigend.
Der Wille, sich zu beweisen, ist bei so gut wie jedem Menschen da, der muss nur in sinnvolle Bahnen gelenkt werden.
Die Rituale, die bei indigenen Völkern als Einweihung ins Erwachsenenalter vollzogen werden, sind so angelegt, dass sie zwar dem Prüfling einiges abverlangen, aber bestanden werden können. Die Gemeinschaft will ja, dass der Prüfling besteht und ein vollwertiges Mitglied wird. Es wäre unsinnig, die Prüfung so schwer zu machen, das immer wieder welche durchfallen.
Die Realität hier bei uns sieht so aus, dass Jugendliche vor Energie und Tatendrang fast platzen und dafür kein Betätigungsfeld haben, so das sie sich oftmals destruktiv ausagieren.
Hier gehts es nicht nur darum, die Schäden, die sie anrichten, zu vermeiden, sondern gleichzeitig auch darum, dieses Potential zu nutzen. Die könnten soviel sinnvolles tun, und
alle würden sich dabei besser fühlen.
@Flatterwesen@Kiiwii@Primeval@vincent@Zeo@nodoc@Linner74@tic@raitoningu@zidane Und auch für diejenigen, die hohen Anforderungen irgedneiner Art, sei es körperlich oder intellektuell, nicht standhalten könnten, gibt es immer noch viele Möglichkeiten.
LEO LIONNI
FREDERICK
Rund um die Wiese herum, wo Kühe und Pferde im Sommer grasten, stand eine alte Steinmauer. In dieser Mauer, nahe beim Kornspeicher, wohnte eine Feldmausfamilie. Weil es bald Winter wurde, begannen die kleinen Feldmäuse Körner, Nüsse, Weizen und Stroh zu sammeln. Alle Mäuse arbeiteten Tag und Nacht. Alle, bis auf Frederick. «Frederick, warum arbeitest du nicht?», fragten die anderen. «Ich arbeite doch», sagte Frederick, «ich sammle Sonnenstrahlen für die kalten, dunklen Wintertage.» Und als sie Frederick so dasitzen und auf die Wiese starren sahen, sagten sie: «Und nun Frederick, was machst du jetzt?» «Ich sammle Farben», sagte er nur, «denn der Winter ist grau.» Einmal sah es so aus, als sei Frederick halb eingeschlafen. «Träumst du, Frederick?», fragten sie vorwurfsvoll. «Aber nein», sagte er, «ich sammle Wörter. Es gibt viele lange Wintertage und dann wissen wir nicht mehr, worüber wir sprechen sollen.»
Als nun der Winter kam und der erste Schnee fiel, zogen sich die Feldmäuse in ihr Versteck zwischen den Steinen zurück. In der ersten Zeit gab es noch viel zu essen und die Mäuse erzählten sich Geschichten über singende Füchse und tanzende Katzen. Da war die Mäusefamilie ganz glücklich, denn es war ja auch kurz vor Weihnachten. Aber nach und nach waren fast alle Nüsse und Beeren aufgeknabbert, das Stroh war aufgebraucht und an Körner konnten sie sich kaum noch erinnern. Es war auf einmal sehr kalt zwischen den Steinen der alten Mauer, und keiner wollte mehr sprechen. Da fiel ihnen plötzlich ein, wie Frederick von Sonnenstrahlen, Farben und Wörtern gesprochen hatte. «Frederick», riefen sie, «was machen deine Vorräte?» «Macht die Augen zu», sagte Frederick und kletterte auf einen grossen Stein. «Jetzt schicke ich euch die Sonnenstrahlen. Fühlt ihr schon, wie warm sie sind? Warm, schön und golden.» Und während Frederick so von der Sonne erzählte, wurde den Mäusen schon viel wärmer.
«Was ist mit den Farben, Frederick?» «Macht wieder eure Augen zu», sagte dieser. Und als er von blauen Kornblumen und roten Mohnblumen im gelben Kornfeld und von grünen Blättern am Beerenbusch erzählte, da sahen sie die Farben so klar und deutlich vor sich, als wären sie aufgemalt in ihren kleinen Mäuseköpfen. «Und die Wörter?» Frederick räusperte sich, wartete einen Augenblick und dann sprach er wie von einer Bühne herab: Wer streut die Schneeflocken? Wer schmilzt das Eis? Wer macht lautes Wetter? Wer macht es leise? Wer bringt den Glücksklee im Juni heran? Wer verdunkelt den Tag? Wer zündet die Mondlampe an? Als Frederick aufgehört hatte, klatschten alle und riefen: «Frederick, du bist ja ein Dichter!»
Tim's Place Albuquerque's Service With A Smile | You've Got
Externer Inhalt
Durch das Abspielen werden Daten an Youtube übermittelt und ggf. Cookies gesetzt.
Der besteht vielleicht keine "Prüfung" - aber der besteht das Leben.
:Y: