Der Mensch Jens Söring
31.07.2020 um 04:33Andante schrieb:Inwieweit das Strafmaß dann eine politische Frage ist, weiß ich nicht, dazu kenne ich mich im US-Recht zu wenig aus.Das ist in beiden Staaten eine politische, nicht eine juristische Frage. Die Frage, wie lange ein verurteilter Täter für eine bestimmte Strafe in Haft soll, hat keine Grundlage in einer Rechtstheorie, sondern wird vom Gesetzgeber, also politisch, im Strafgesetzbuch festgelegt, zumindest der Strafrahmen. Daher gibt es auch in allen Staaten, die einer einheitlichen Rechtstheorie folgen, in dieser Frage Unterschiede. Oder mit anderen Worten: ob ein Gesetzgeber der Meinung ist, ein Mord solle durch eine "lebenslange" Freiheitsstrafe bestraft werden, oder mit einer zeitlich begrenzten Strafe von z.B. 12 Jahren (wie m.W. in Spanien), ist eine rein politische Frage: es entscheidet der Gesetzgeber. Dem Richter ist dann meist, aber nicht immer, überlassen, wie er den gesetzlich und damit politisch definierten Strafrahmen ausschöpft.
Andante schrieb:Das geht nicht, weil Gerichte eben nicht Gesetze verkünden, im Bundesgesetzblatt veröffentlichen und kaum den zuständigen Bundespräsidenten dazu bringen können, von ihnen gemachte "Gesetze" zu unterschreiben.Natürlich ist das formal richtig. Aber unbestritten ist, dass ein höchstes Gericht de facto durchaus Aufgaben einer Legislative usurpieren kann. Vermutlich bist Du zu jung um die entsprechenden hitzigen Diskussionen in Deutschland noch erlebt zu haben, z.B. zwischen Konrad Adenauer und dem damaligen BVerfG, oder entsprechenden Diskussionen zu Zeiten der Bundeskanzler Brandt und Schmidt. Das Stichwort § 218 ist zum Beispiel nur eines unter vielen.
Eine ganz interessante Zusammenfassung zu diesem Thema gibt es hier bei der Bundeszentrale für politische Bildung: https://www.bpb.de/apuz/33164/regiert-karlsruhe-mit-das-bundesverfassungs-gericht-zwischen-recht-und-politik
Es ist hier wohl OT diese Diskussion zu vertiefen, aber es ist eine sehr interessante Frage und wird wohl in jeder Demokratie immer mal aufgeworfen.