Ist sicherlich eine interessante Persönlichkeitsstörung, da die Symptome äußerst subtil und nicht direkt für jedermann zu durchblicken sind. Hat man sich damit allerdings mal auseinandergesetzt, wird die narzisstische Persönlichkeitsstörung irgendwann genauso zu irgendeiner völlig selbstverständlich als Störung aufzufassenden Pathologie wie alle anderen Psychischen Störungen. Sie ist im Grunde nichts besonderes, und hat unter den Psychiatrischen Störungen auch keinen besonderen Stellenwert. Sind halt einfach Menschen mit einer psychischen Störung. Nicht mehr und nicht weniger.
Das klingt sachlich. Die narzisstische Persönlichkeitsstörung wird, obwohl sie als Persönlichkeitsdiagnose häufig gebraucht wird, im ICD 10 nur unter der Rubrik "Sonstige spezifische Persönlichkeitsstörungen" aufgeführt, während die anderen Persönlichkeitsstörungen in der ICD 10 charakterisiert werden.
Meiner Meinung nach gewinnt die NP an Bedeutung durch die "besonderen" Reaktionen, die sie aufgrund ihrer Charakteristika in Zweier- und Gruppenbeziehungen oder auch gesellschaftlich auslöst, viel heftigere Reiz-Reakionen als all die anderen Persönlichkeitsstörungen, mit Ausnahme der dissozialen Persönlichkeitsstörung. Und natürlich wegen ihrer hohen Komorbidität von ca. 20 Prozent, also dem gleichzeitigen Auftreten mit anderen Persönlichkeitsstörungen (Paranoide, Dissoziale, Borderline, Histrionisch Dependent und Zwanghaft).
Es gibt manchmal einen Überlap zwischen Persönlichkeitsstörungen und, wie gesagt, auch mehrere Persönlichkeitsstörungen gleichzeitig, aber einige der im ICD 10 explizit aufgelisteten Persönlichkeitsstörungen der NP zuzuschlagen, die unter "Sonstige" rangiert, wie in manchen Abhandlungen über die Schwere dieses Bildes, das scheint mir - zumindest diagnostisch - nicht sachgerecht zu sein.
Komorbidität, das ist nicht so einfach, wie es auf den ersten Blick scheinen mag. Betrachten wir z. B. mal Narzissmus und Paranoia, zwei Persönlichkeitsstörungen, die ja eigentlich Gegenpole sind, wie man in ihren gesunden Ausformungen erkennen kann. Gesunder Narzissmus ist der Wunsch geliebt zu werden und eine gesunde paranoide Einstellung entspricht dem, was man gesunde Skepsis nennt.
Wird Narzissmus pathologisch, geht die Entwicklung über einen Besonderungsanspruch hinaus zu einem grandiosen und egozentrischen Selbstbild des Individuums, wobei sich beim paranoiden Gegenpol in diesem pathologischen Stadium die Parallele abzeichnet, indem sich auch hier grandiose Züge herausbilden. Der Paranoiker meint anderen deutlich überlegen zu sein und z. B. eine Gefahr zu kennen, die nur er und - außer ihm - vielleicht noch ein paar Auserwählte sehen können.
Und wenn beide Elemente zusammenwachsen ...
Das gilt genauso für die Komorbidität anderer Persönlichkeitsstörungen, wobei das gleichzeitige Vorhandensein von Narzissmus und Borderlinestörung sowie Narzissmus und dissozialer Persönlichkeitsstörung in der Außenwirkung ziemlich heftig ausfallen.
Es gilt immer die einzelnen Störungen auszudifferenzieren, denn eine psychische Kormobidität geht meistens mit stärkerer Symptomschwere, höherem Chronifizierungsrisiko, höherer funktionaler Beeinträchtigung und einem erhöhten Suizidrisiko einher, weshalb eine differenzealdiagnostische Abklärung eine hohe Relevanz hat. Auch deshalb bin ich kein Freund des "Mischmasch" unter einem Label.
Das psychodynamische Erklärungsmodell, wie es hier zum Narzissmus so ausführlich dargestellt wurde, ist das Modell zum Gewissen in der Psychoanalyse. Dem kann ich zustimmen. Aber es gibt daneben andere Modelle, z. B. der Lerntheorie, wonach Persönlichkeitsstörungen aus erlernten Verhalten resultieren, wobei sowohl die operante Konditionierung als auch das Modellernen eine Rolle spielen. Weiterhin müssen neurobilologische und genetische Ursachen berücksichtigt werden. Häufig zeigen sich in der Biografie von Patienten mit einer Persönlichkeitsstörung Hinweise auf neurologische Auffälligkeiten. Aber auch eine genetische Disposition, Dr. Thrax führte es bereits aus, scheint eine Rolle zu spielen. Dies trifft insbesondere auf dissoziale, paranoide und Borderlinestörungen zu.
Die Chancen eine narzisstischen PST zu heilen sind schlecht in der 20ern, leicht besser in den 30ern, viel besser in de 40ern und ausgeszeichnet(!) je älter jemand wird.
Der Grund hierfür ist, dass ein junger Mensch im Sturm und Drang, der meint, er sei allen überlegen, natürlich nicht auf Einwände und Vorschläge anderer hört (schließlich weiß er/sie am besten, wie es ihm/ihr geht). Mit den Jahren bekommen Narzissten Probleme, entweder die erreichen ihr Ziel nicht, weil die Welt sie nicht so großartig findet, wie sie sich selbst, oder sie erreichen Ziele, aber die innere Leere verschwindet nicht.
Besonders desaströs laufen in der Regel die Beziehungen.
Persönlichkeitsstörungen sind zwar therapierbar, was für den Betroffenen und sein Umfeld eine gewisse Erleichterung sein kann, aber grundsätzlich nicht heilbar. Die Störungen sind meist zu tief verwurzelt und es besteht gewöhnlich keine Krankheitseinsicht und von daher auch kein Anlass des Betroffenen sich helfen und behandeln zu lassen.
Ja, bei vielen wird es etwas besser ...mit den Jahren. Wenn z. B. der "grandiose" Manager in Rente geht und seiner Frau in Puschen den Müll runter tragen muss oder der Dissoziale wiederholt an den Falschen gerät und was auf die Nuss bekommt, dann schleift sich das eine oder andere Charakteristikum ab. Der Schleifstein ist ... die "bitterböse" Realität. Mit einer Ausnahme. Der Paranoiker bleibt i. d. R auch mit zunehmendem Alter in seiner Privatwirklichkeit und arbeitet zuweilen sogar noch verbissener an seinem Wahn, was bedeutet, er lässt keine Gelegenheit aus sich seine Wirklichkeit immer wieder zu bestätigen.
Wenn von Narzissten die Rede ist, werden, wie auch hier im Thread, meist von Frauen männliche Beispiele ins Feld geführt. Das sind dann die Oberarmleuchter, aber genauso interessant zu sehen finde ich den weibliche Narzissmus, da oft kalt, unnahbar ...und schön.
Und zuguterletzt: Narzissten reiben sich gern an Obernarzissten ...