Ich werde nun versuchen Stellung (aus persönlicher Anschauung heraus) zu nehmen in Bezug auf die Frage inwiefern Homosexualität und Katholizismus in der Praxis vereinbar sind oder aber sich ausschließen.
Hier muss man in der Tat wie ein Scholastiker vorgehen und an den Beginn der Betrachtung die Frage stellen: Was ist ein Katholik? Was definiert ihn?
Eigentlich könnte man die Untersuchung dann an dieser Stelle bereits abbrechen. Denn ein Katholik definiert sich zuvorderst durch folgende Kriterien: er ist katholisch getauft, glaubt an das Credo(Glaubensbekenntis der kath. Kirche/Nicäno-Konstantinopolitanum) und bekennt die Dogmata(Glaubenssätze) der Kirche.
In diesem Zusammenhang spielen Schriften der Patristik oder des nicht dogmatisch bindenden Lehramtes, die sich dezidiert mit der Frage nach der Homosexualität befassen, vorerst keine Rolle. Kein Katholik wird danach beurteilt, ob er die Haltung Roms zur Empfängnisverhütung gut heißt oder sie ablehnt. Es wäre sogar möglich diese Lehre offen zu kritisieren ohne dadurch (latae sententiae) den Ausschluss aus der Kirche herbeizuführen, da das Objekt der Kritik nicht in (unmittelbarem) Zusammenhang mit der göttlichen Offenbarung steht, die sich in den Dogmen verwirklichen.
Man kann festhalten: Die Kritik an der Verhütungs-Politik der gegenwärtigen Kirche führt nicht zum Verlust der Katholizität. Die Leugnung der Jungfräulichkeit Mariens hingegen(die ein feststehendes Dogma ist) führt zum Verlust der Katholizität, da sie einen so elementaren Stellenwert innerhalb der kirchlichen Lehre besitzt, dass ein Verbleib in der Kirche bei Ablehnung nicht mehr möglich ist.
Ähnlich verhält es sich mit Homosexualität. Es gibt k e i n Dogma, das die gleichgeschlechtliche Liebe zu einer Sünde erklären würde, die den Praktizierenden dem Feuer der Hölle überantwortet. Vielmehr speisen sich die Verbote der Homosexualität aus den Schriften der Kirchenväter, die wiederum Bezug auf Stellen der heiligen Schrift nehmen und die (um einen juristischen Begriff zu verwenden) in der "Normenhierarchie" auf einer niedrigeren Position rangieren.
Was die besagten Stellen betrifft muss wiederum differenziert werden. Die Stellen, die den Homosexuellen zum Sünder und todeswürdigen Verbrecher stilisieren finden sich zuerst im Alten Testament. Die Stellen des Neuen Testamentes, die sich auf Homosexualität beziehen, sind in einer geistesgeschichtlich-theologischen Kontinuität mit den Schriften des Judentums zu sehen. Interessant ist hierbei, dass die Schriften des AT, die die Homosexualität verurteilen, sich nicht auf Gott selbst berufen können, sondern es sich um Reinheitsgebote der jüdischen "Priesterkaste" handelt(im Levitikus). Im Gegensatz zu den Prophetenbüchern, die Gott durch den Navi(Propheten) in wörtlicher Rede wiedergeben, lesen wir bei bei den Stellen im Levitikus nie "Spruch JHWH's", was auf eine direkte Anordnung Gottes schließen lassen würde.
Paulus, bei dem wir über die Sündhaftigkeit des Homosexualität lesen, war jüdischer Rabbiner und vor seiner Bekehrung glühender Christenverfolger. Und selbst nach seiner Bekehrung ist der Einfluss seiner jüdisch-theologischen Prägung nicht zu verkennen(siehe das Gleichnis vom Ölbaum).
Insofern kann man mit Fug und Recht behaupten, dass sich das Überleben der Homophobie im Christentum auf eine verfehlte Exegesepraxis zurückführen lässt. Diese zu überwinden und sich der theologischen Irrtümer zu entledigen ist Aufgabe und Ziel eines aufgeklärten und dem Menschen in seiner Würde zugewandten Christentums. Und die große Herausforderung unserer Zeit.
Aus diesen Gründen (u.a.) halte ich die Vereinigung von katholischem Glauben und Homosexualität in der Person des Menschen nicht für von vornherein ausgeschlossen. Auch wenn das die Kirche, was ich zugebe, noch anders sieht.
@KillingTime