@Yoshi Knobel schon eine kleine Weile daran herum, was mich an deinen Äusserungen stört. Und es ist nicht leicht, es zu formulieren.
Denn ich möchte mich nicht damit aufhalten, hier und da einige Wiedersprüche in deinem Geschriebenen auf zu listen oder mich darüber auslassen, was mich an diesem "alles kommt durch DICH selbst zu dir" stört. Das machen andere hier ja schon eine ganze Weile. Und ja, ich gehöre zu den Menschen, die es als widerlich empfinden z.B. Opfern von Kriegen oder Vergewaltigungen etc. zu unterstellen, sie würden oder hätten sich auf irgendeiner Ebene für ihr Leiden entschieden.
Also versuche ich es dir nur anhand eines Zitates von dir zu verdeutlichen:
Yoshi schrieb:Jeder Gedanke, den man denkt, "schießt" durch das gesamte Universum, und beeinflusst alles, wie ein Netzwerk, denn alles ist miteinander verwoben und verbunden.
Was ich daraus Schlussfolgern kann:
1) Es gibt jemanden, der diese Gedanken denkt (produziert, sich für diese Gedanken entscheidet und eine Wahl hat, was er denkt).
2) Gedanken haben eine direkte Fernwirkung, sie verlassen einen "Innenraum" in welchem sie von eben diesem Denker gedacht wurden.
3) Sie "durchschiessen" den Aussenraum (das Universum) und interagieren mit allem.
4) Alles ist mit allem verbunden.
Ausser mit der 4. Schlussfolgerung habe ich mit allen anderen so meine Problemchen.
Viertens stört mich überhaupt nicht, da eine systemische Sicht, ein systemisches Denken schon eine ganze Weile eine meiner "liebligs" Denk- und Einstellungsgewohnheiten ist. Nur so viel, damit hier nicht der Eindruck entsteht, dem Schreiberling hier sei ein "ganzheitliches" Denken fremd.
Zu 2): Die "spukhafte" Fernwirkung von Gedanken ist eine beliebte Spielwiese von Esoterikern. Sei es nun "Bleeb" oder "The Secret" oder noch was anderes, im Kern drehen sich diese "Dokus" darum, dass wir uns unsere Welt komplett selber erschaffen. Wir müssten nur anders denken und schon würde die Welt (oder je nach Geschmack) das Universum darauf reagieren und uns unsere Wünsche erfüllen.
Das dumme an diesen Sachen ist, dass sie sich gut verkaufen lassen und die Leute, die z.B. in Bleeb zu Wort kommen, mögen das wirklich glauben. Das wirklich dumme an diesen Varianten ist aber in meinen Augen, dass es, logisch weiter gedacht, eben jeder selber ist, der sich sein Schicksal erträumt und von daher auch dafür verantwortlich ist. Und das führt dann zu, in meinen Augen brutalen und dumm-vereinfachten Weltansichten, in denen die z.B. die Kinder im Nahen-Osten irgendwie diesen oder jenen Bombenangrif der Amis auf ihr Dorf "angezogen" hätten. Oder dass das Kastensystem in Indien von den Menschen so gewünscht wurde und wird. Oder das es der (kollektiv-unbewusste?) Wunsch eines Kindes ist, von seinem Onkel vergewaltigt zu werden... und das empfinde ich als pervers.
Und dann ist da noch was blödes dran. Denn ich bin nicht der Meinung, das es egal ist, was man denkt und glaubt. Viel mehr bin ich sehr wohl der Ansicht, das unsere Gedanken Auswirkungen haben. Allerdings nicht in dem Sinne, wie oben verstanden, sondern im Sinne einer Steuerung unserer Aufmerksamkeit.
Es ist doch im Grunde ganz simpel, wenn ich mich, als Beispiel mal, für sagen wir einen Monat darauf einlasse, Gott in mein Leben zu lassen UND auf der Suche oder auch nur vulnerabel bin, dann ist es sehr Wahrscheinlich, dass mir "Zeichen" begegnen, in welchen sich mir Gott zeigen möchte. Und wenn ich dann etwa zum Islam konvertiere, weil ich dieses Gefühl der Ruhe und des Friedens in der Nähe einer Moschee hatte, dann mag das für mich ausreichen.
Ich weiss, du glaubst nicht an einen Gott "da oben", du machst die Hirarchie eher nach innen und Gott ist dein (und mein) eigentliches Selbst. Es ist nur ein Beispiel um zu verdeutlichen, dass wir so funktionieren, dass zu sehen (zu hören oder zu fühlen), wonach unser "inneres Radar" ausgerichtet ist.
Die Bedeutung der Glaubenssätze (ob nun religiöser Natur oder nicht) eines Menschen streite ich also sicher nicht ab. Nur findet man darüber in jedem NLP Buch fundierteres und vorallem auch sortierteres.
Die "reine Wirkung" der Gedanken halte ich für eine menschliche Hybris und für Wunschdenken. Und dieses kann davon abhalten zu tun, einfach zu machen.
3) Wozu sollte dies gut sein? Wenn die Welt (oder die Realität), wie du schreibst, immer nur JETZT in deiner (oder irgendeiner Wahrnehmung) existiert, wozu ist dann dieser Glaubenssatz gut? Ist er sinnvoll?
Ich weiss es nicht, deswegen frage ich nach.
Und nun zur 1), dem wie ich meine schwierigsten oder heikelsten dieser vier meiner Schlussfolgerungen aus deinem Zitat. Der Denker, der den freien Willen und die Wahl hat.
Schwierig deswegen, weil ich einerseits meine, das es keinen Denker gibt und andererseits aus einer Ich-Position schreiben muss, die einen solchen zu implizieren scheint. Heikel, weil der Gedanke, das es UNS (egal ob wir dieses Ich nun in Ego, wahres Selbst, Über- oder Unter-Ich verklausulieren, gemeint ist die Identität) gar nicht gibt. Dieser Gedanke ist nicht "in" und nicht beliebt. Lieber wird die ganze Welt zur Illusion erklärt, als einmal das Gegenteil anzunehmen. Aber gut, seis drum. Hier will sich auch keiner streiten oder recht haben, ich möchte diesen Gedanken nur einfach einmal vorstellen, weil ich mir vorzustellen in der Lage bin, dass genau dies dein Knackpunkt ist, um den es sich hier und in anderen Threads immer wieder dreht. Um eben dieses Gefühl von "ICH BIN". Ob nun rein oder nicht oder wie oder was, im Grunde bist du zumindest in diesem Punkt relativ dicht an den Existentialisten.
Aber gut, zu diesem Gedanken, das es im Grunde gar kein Ego, kein Ich, kein Selbst gibt.
Um nicht all zu eintöning zu werden, möchte ich es von verschiedenen Personen beleuchten lassen.
Fangen wir an mit der Wissenschaft und da (natürlich) mit der Neurobiologie. Denn die Frage nach dem "Ich" und wie sich ein solches im phänomenalen Bewusstsein eines Menschen konstituieren könnte ist eine der spannensten Fragen in diesem Forschungsbereich (meine Meinung).
Gut, für diese Perspektive, wie für das einnehmen jeder "fremden" Perspektive, ist es wichtig, die nötigen Grundannahmen zu kennen und für den Moment, nicht als übernommene Meinung, einzunehmen.
In diesem Video beschreibt Wolf Singer aus Sicht der Neurobiologie, wie sich genetisch vorgeprägte Gehirne durch Erfahrungen stetig etwas verändern und ständig auf neue Reize reagieren. Und die Reize, die überhaupt nur wahrgenommen werden, repräsentieren nur jeweils Ausschnitte aus der Realität. Eben die verschiedenen Frequenzspektren unserer 5 Sinne.
(Wie wir dann emotional oder rational auf diese Reize reagieren und wie diese Verarbeitungen möglicher weise funktionieren, ist eine andere, interessante Frage.)
Selbsterfahrung und neurobiologische Forschung - Wolf Singer
Externer Inhalt
Durch das Abspielen werden Daten an Youtube übermittelt und ggf. Cookies gesetzt.
In diesem Modell ist kein Platz für irgendeine Form der Trennung zwischen Gehirn und Geist, zwischen Erregungsmustern im Hirn und korreliertem phänomenalen Selbsterleben.
(Die Deutung der Kauslität gibt es auch, allerdings weiss man heute auch, das z.B. Lernprozesse positiv und effektiv beeinflusst werden können. Insofern spreche ich persönlich lieber von korreliert!)
Aussagen über die darüberhinaus sicher existierende Realität kann zumindest die Neurowissenschaft nicht geben. Dazu nochmal W.Singer:
Was ist Realität?
Externer Inhalt
Durch das Abspielen werden Daten an Youtube übermittelt und ggf. Cookies gesetzt.
In der Essenz gibt es aus dieser Perspektive kein stabiles ICH, in welcher Verkleidung auch immer. Dazu Hans Markowitsch, aber ACHTUNG, es heisst dieser Herr sei Neuropsychologe (jetzt kommts) in BIELEFELD! Ha, wer s glaubt! Also ich bin da skeptisch
:Dder Mensch hat kein stabiles "Ich"
Externer Inhalt
Durch das Abspielen werden Daten an Youtube übermittelt und ggf. Cookies gesetzt.
Ok, dann mal eine etwas anderes, mehr philosophisches.
Es geht immer noch um die Umkehrung. Nicht die Welt, die Realität (wie immer diese auch sein mag!) ist eine Illusion, sondern der Glaube an ein Ich (wiederum egal in welcher Verkleidung) ist so einleuchtent wie falsch.
(Ab 1:40 bis 4:30min geht es genau darum)
http://www.youtube.com/results?search_query=daniel+dennett&aq=1Thomas Metzinger ist ein Philosoph, der das gleiche "Problem" aufgreift. Die Videos, die ich gefunden habe, waren entweder sehr lang oder es waren Vorleungsmitschnitte. Interessant, aber zuviel für diesen Rahmen.
Eine Buchempfehlung ist sein "Ego Tunnel", fand ich sehr anregend.
Nun hatten wir etwas Wissenschaft und ein wenig Philosophie, jetzt würde ich das ganze gerne einmal von einer anderen Seite, aus einem, auch wenn mir dieses Wort Unbehagen bereitet, spirituellem Winkel betrachten.
Natürlich gibt es auch in diesem Bereich ein breites Spektrum und sehr unterschiedliche Ansätze. Einen davon vertritt z.B. Tony Parsons
So etwas wie eine erleuchtete Person gibt es nicht – denn wer ist da, der das werden kann, was schon ist? Da gibt es nur Sehen und nicht Sehen. Sehen entsteht nicht dadurch, dass irgend etwas hinzugewonnen wird, sondern weil eine Illusion verloren geht. Die Wiederentdeckung dessen, was du bist, hat nichts, absolut nichts mit der Person zu tun, für die du dich hältst. Du kannst dich läutern, so viel du willst, kannst ehrlich und ernsthaft sein, Opfer bringen, loslassen oder deinen Willen aufgeben – die Einheit wird dadurch nicht erscheinen. Alle Vorstellungen, die andeuten, dass es da jemanden gibt, der wählen kann, etwas bestimmtes zu werden, sind für das Erwachen völlig nutzlos.von:
http://www.tonyparsons.de/HOME.htmlWas Tony Parsons sagt ist, in aller Kürze, das es einfach Niemanden gibt, der Erleuchtet werden kann, es niemals Irgendjemanden, in der ganzen Geschichte der Menschheit gab es nicht eine einzelne, getrennte Person. Es ist einfach keiner da.
Und manchmal, sowie letztens, da kann ich ihn verstehen. Als ich neulich nämlich mal in mich gegangen bin, da war gar keiner da
:DOb ich deswegen einfach eine hohle Nuss bin will ich damit nicht gesagt haben
;)Wenn hier das ICH in der Form eines letzten Kerns geleugnet wird, wird nicht zur selben Zeit auch das Leben geleugnet.
Und wenn ich schon in anderen spirituellen Ausrichtungen einen göttlichen Funken in mir tragen soll und diesen wieder entdecken, kultivieren oder sonst etwas tun soll oder sein kann der gar (per Definition bin), dann will ich ganz sicher nicht Gott sein.
Sorry Folks, vielleicht ist es ja auch nur eine rein sprachlich-allergische Reaktion, aber für mich hängt dieser Begriff einfach mit viel zuvielen unschönen Assotiationen zusammen.
Allmacht, Alwissend, ewig unverändert, Schöpfer und Richter von Gut und Böse... nein danke, da bin ich lieber ein stink normaler Mensch.
Dieser ganze kram mit "Fliegen, wenn man nur dran glaubt etc." bringt doch echt nichts, nur um was, mehr zu sein? Mehr zu sein als was? Die Person, die man glaubt zu sein?
Tja, die ist man ja eh nicht, also, was soll s.
Gruss