Schreibt ihr ein Buch?
30.11.2015 um 07:37
Um den Text besser beurteilen zu können, habe ich nochmal einige Seiten drangehängt. Nachstehend ein Teil des nächsten Kapitels:
2.Kapitel
Es war an einem Dienstag, einem heißen Julitag. Im Transitraum der Justizvollzugsanstalt saßen einige Männer. Die meisten von ihnen dösten seit Stunden vor sich hin. Im Laufe des Vormittags hatte sich die Zahl der Wartenden auf etwa fünfzehn Personen erhöht. Sie hockten auf abgenutzten, fest montierten Holzbänken, die vor alten, ebenfalls fest am Fußboden verankerten Tischen standen. Aber nicht alle Inhaftierten saßen trotz des stundenlangen Wartens. Einige der Knackis hatten sich in einer Ecke des länglichen, etwa vierzig Quadratmeter großen Raumes zu einem Kreis versammelt. Für die übrigen Wartenden kaum wahrnehmbar, unterhielten sie sich leise.
Außer zwei Stahltüren zum Innern des Gebäudes verfügte der Raum noch über eine Tür zu einer kleinen Toilette. Mehrere vergitterte Fenster, die jedoch keinen Blick nach draußen zuließen, befanden sich an der Längsseite der kleinen Halle. Ansonsten war alles schmucklos, kahl. Das bewegliche Inventar in diesem Raum bestand lediglich aus zwei, zwar täglich geleerten, vermutlich noch nie gereinigten, leicht zerbeulten Abfalleimern.
Alle Männer warteten auf ihren Weitertransport zu anderen Haftanstalten.
Es war Transporttag, wie jeden Dienstag und Freitag. Seit Jahren fand der Schub an den gleichen Wochentagen statt. Wer von einem Gericht angefordert wurde, den galt es, in die dortige Haftanstalt zu verlegen. Es waren die Tage der grünen und grauen Omnibusse; jener Fahrzeuge, die statt normaler Fensterscheiben nur schmale, gläserne Durchblickschlitze besitzen, meist kaum höher, als ein Frühstücksbrettchen breit ist. Über eintausend dieser staatseigenen Fahrzeuge sind auf Deutschlands Straßen jede Woche unterwegs.
Von einem, dieser schon von Weitem erkennbaren Sonderfahrzeuge, würden die Männer abgeholt werden. In kleinen Kabinen würde man sie während der Fahrt unterbringen. So wie man Eier in Kartons verpackt, würde man sie sortiert von Knast zu Knast weiterreichen.
Erdrückend hing die Wärme zwischen den ehemals weiß getünchten Wänden. Zusätzlich dunkelte Zigarettenqualm den Raum ab, drängte die in den Putz eingravierten Sprüche früherer Besucher zurück.
Fast jeder der Männer rauchte: Selbst gedrehte Glimmstängel aus Zigarettentabak, Pfeifentabak oder den Resten von Zigarettenkippen. Vorübergehend erschien es, als hätte man die Abgase eines alten Dieselmotors in den Warteraum geleitet.
Jens Müller ließ seinen Blick entlang der kahlen, unfreundlich wirkenden Wände gleiten. Auf den ehemals weiß gestrichenen Holzbänken saßen, dem Klang ihrer Worte nach zu urteilen, Russen, Rumänen oder Bulgaren. Sie unterhielten sich in ihren anscheinend sehr ähnlichen Sprachen, doch manchmal rangen sie nach den passenden Begriffen. Auch deutsche Worte fielen hin und wieder. Offensichtlich sprachen die Männer über ihre Haft. Zwei heimische Junkies, einer davon mit zerstochenen Armvenen, hatten sich auf einer Bank nahe dem Ausgang niedergelassen. Ansonsten war der Raum leer, wenn man mal von dem fest montierten Mobiliar und dem Zigarettenrauch absah.
Wer zum Transport vorgesehen war, verließ spätestens um acht Uhr seine Zelle, um in einem dieser Warteräume eingesperrt zu werden. Wann es von dort weiterging, das blieb öfters dem Zufall überlassen. Zumindest hatte es diesen Anschein. Vielleicht wussten es auch einige Eingeweihte. Die rückten aber nur selten mit ihrem Wissen heraus. Eine Abfahrt konnte um elf Uhr sein, aber auch erst um vierzehn Uhr. Für die Knackis bedeutete dies: warten, warten und nochmals warten. Jens hatte einen der Bediensteten nach dem Zeitpunkt der Abfahrt gefragt, doch er hatte nur ein „Später“ und ein Achselzucken geerntet.
Nach Stunden verstummten auch die letzten Gespräche in dem Warteraum. Vermutlich hatten die Rauchschwaden ihre Opfer unter ihren Verursachern gefunden. Lediglich die fünf Typen, die sich in eine Ecke zurückgezogen hatten, unterhielten sich noch leise.
Auch Jens döste vor sich hin, doch dann begann er, unruhig zu werden. Er spürte, dass ihn irgendeine unbekannte Situation beeinflusste, ihn in eine nicht bekannte Nervosität hineintrieb.
Von der Stahltüre drang ein hartes Klirren und Schnarren in den Raum. Es hörte sich an wie das Aufziehen einer alten Uhr. Doch wirkte alles viel lauter, warfen doch die kahlen Wände ungebremst den Schall zwischen den Mauern hin und her. Das Geräusch drang von den Türverriegelungen aus in den Raum. Vermutlich waren Elektromotoren in die Schlösser zum Verstärken der Schließmechanik eingebaut.
Langsam schwang die Stahltüre auf. Herein kamen mehrere Männer im Alter zwischen Anfang zwanzig und Mitte dreißig. Jens musterte mit halb geschlossenen Augen weitgehend uninteressiert die Neuankömmlinge; zwei von ihnen wirkten sehr nervös.
Mit zittrigen Händen suchten sie hastig nach Tabak und Zigarettenpapier in den mitgeführten Plastiktüten. Einem von ihnen fiel der Tabak vom Papier; er bekam seine Finger nicht unter Kontrolle.
Der neben ihm sitzende Häftling sah das Malheur. So gut es für ihn möglich war, versuchte er, mit ebenfalls fahrigen Fingern eine Zigarette zu drehen. Erst nach mehreren Versuchen gelang es ihm, und er reichte die Kippe seinem Kollegen.
Die beiden Supernervösen machen wahrscheinlich die Tortur des Drogenentzuges mit, waren die Gedanken von Jens. Ansonsten waren ihm die Typen nahezu gleichgültig. Es lohnte sich kaum, Gedanken darüber zu verschwenden. Hier, in dieser Situation, muss jeder vorrangig mit sich und seinen Problemen fertig werden.
Der Dritte der herein gekommenen Männer war von dunkler Hautfarbe. Ein großer runder Kopf saß auf kräftigen Schultern. Von einem Hals war wenig zu sehen, dafür wucherte über seinem Haupt eine volle schwarze, stark zerkrauste Mähne. Die Bekleidung dieses Ankömmlings ähnelte dem Trikot einer bekannten amerikanischen Baseballmannschaft. Wäre der Kerl schlanker und größer gewesen, hätte man denken können, die Kripo hätte ihn direkt vom Spielfeld der Dallas Mavericks weg verhaftet.
Jens Blick blieb an der vierten Gestalt hängen, einem knapp 30-jährigen, den er schlecht einem Herkunftsland zuordnen konnte. Seine Haare waren mittel- bis dunkelblond, die schwarzen Augenbrauen standen daher irgendwie im Widerspruch zur Haarfarbe. Ein angedeuteter Irokesen-Schnitt betonte die Gegensätze in dieser Figur. Die Konturen seiner Gesichtszüge wirkten, gemessen am Alter des Hereinkömmlings, ausgeprägt klar, sogar etwas hart gezeichnet. Sein Gesicht ließ in Verbindung mit den dunklen Augenbrauen einen leichten Hauch an Wildheit ausströmen. Jens hatte das Gefühl, es ginge etwas Animalisches von diesem Kerl aus. Wären die Augen seines Gegenübers grün wie die einer Raubkatze gewesen, Jens hätte dies als Bestätigung seiner Gedanken angesehen. Doch sie waren schwarz, tiefschwarz, und funkelten gleichzeitig, als würde ein unsichtbares Licht sie anstrahlen.
Die Augenbrauen zeigten sich exakt geformt, wahrscheinlich waren sie gezupft oder rasiert. Dabei hatte der Typ nichts, aber auch gar nichts Feminines an sich.
Vielleicht ist der Typ ein Killer oder ein Lude? Die Gedanken von Jens kreisten jetzt um diesen Neuankömmling. War es doch hier im Transportbereich wie in einem Gemischtwarenladen. Da saßen Väter, die ihre Alimente nicht bezahlten. Sie hockten neben Junkies, Betrügern, Totschlägern oder Pädophilen. Mitglieder der russischen Mafia saßen gegenüber rumänischen Bankräubern oder unschuldig Verdächtigten.
Davon ausgehend, dass zumindest die Farbe der Augen echt ist, muss es sich um einen südländischen Typ handeln, überlegte Jens. Intelligent scheint er auch zu sein, sonst würden seine Augen nicht so lebhaft blitzen.
Desinteressiert wirkend, schaute Jens hin und wieder zu dem Fremden hin. Weshalb der wohl hier ist? Jens plagte die Neugierde, denn er wollte schon immer alles wissen. Soweit er sich erinnern konnte, hatte er sich von klein auf für vieles, sehr vieles, interessiert. Gleichgültig, ob es sich um wichtige oder nebensächliche Dinge gehandelt hatte.
Wenn eine Killeraura von einem Menschen ausgehen kann, dann von diesem Kerl, waren die Gedanken von Jens. Es gelang ihm nicht, sich von diesem Neuankömmling zu lösen. Vielleicht ist der nur wegen einer Bagatelle hier, und der ganze Auftritt ist eine Farce? Ein Narzisst, der sich aus lauter Selbstverliebtheit so zurechtmacht? Vielleicht ein mittelloser Playboy oder ein Bodyguard, alles könnte zu diesem Kerl passen.
Auf jeden Fall strömt der Kerl ein unwahrscheinliches Selbstbewusstsein aus. Oder war es vielleicht Unsicherheit, die zu diesem Auftritt beitrug? Jens schaffte es nicht, den Fremden einzuordnen.
Der Mann war mit einem dunklen T-Shirt und einer aufwendig gestylten Jeans bekleidet. Kräftige Armmuskeln betonten die sportliche Figur. Doch er war mit seinen etwa 180 cm keiner jener muskelbepackten Kerle, die mehrmals die Woche ein Krafttraining in einem Fitnessstudio absolvierten. Bei ihm stimmten die Muskelproportionen noch.