Narrenschiffer
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26.07.2024 um 12:22Christian Linker - Dschihad Calling
Es ist für mich immer interessant, Aktualitätsliteratur etwas zeitversetzt zu lesen. So auch in diesem Fall. Der Leverkusener Christian Linker (bürgerlich Magnus Mahlmann) ist studierter Theologe, war in der katholischen Jugendarbeit tätig und ist seit geraumer Zeit hoch geschätzter Jugendbuchautor. In diesem Buch aus 2016 setzt er sich mit der Frage auseinander, warum sich deutsche Jugendliche einem radikalen Islam zuwenden und in Erwägung ziehen, nach Syrien zu fahren, um an der Seite des IS zu kämpfen.
Die Hauptfiguren:
Jakob, 18-jähriger Student in Bonn, rettet eine Verschleierte (Samira) in einer Unterführung vor Skinheads, findet ihre Identität raus, besucht eine Salafisteveranstaltung, bricht mit seiner Freundin, zieht zu Samiras Bruder Adil, wird Moslem, nähert sich den Salafisten an und findet die Argumente für das Kalifat anziehend, heiratet Samira, entscheidet sich im letzten Moment gegen eine Syrienfahrt, will Adil auch davon abhalten, gelingt nicht, er wird verhaftet, nach einem halben Jahr Untersuchungshaft geht er frei und fährt mit Samira nach Irland (Adils Vorstellung des Paradieses).
Adil, ca. 18-jähriger Hilfsarbeiter aus Hamburg mit libanesischem Vater, war in Hamburg Zuhälter, wird Moslem, schließt sich den Salafisten an, will im Kampf als Märtyrer sterben, um sich und seiner Familie das Paradies zu sichern, nimmt Kontakt mit islamistischen Schleppern auf, fährt mit dem Bus nach Istanbul, wird nach Syrien in die Kampfzone gebracht, zeichnet sich als tapferer Kämpfer aus, wird wegen der brutalen IS-Methoden skeptisch (Abschlachten muslimischer Brüder, Köpfen von Deserteuren, Ermordung von Homosexuellen), verliert bei der Rettung eines weiteren deutschen Dschihadisten (Max) vor einer Handgranate in Mossul beide Beine, soll als Selbstmordattentäter eingesetzt werden, sprengt die eigene IS-Kommandoführung in die Luft, Mossul wird befreit, Max flieht mit Adils Tagebuch in die Türkei und schickt dieses per Post an Jakob.
Samira, 21-jährige Studentin und Schwester Adils, ist zum Islam konvertiert, steht den Salafisten nahe, lehnt den IS als unislamisch ab.
Linker versteht sein Handwerk, so ist dieser schnell zu lesende Roman spannend und abwechselnd aus zwei Perspektiven geschrieben (Jakob erzählt die Geschichte bis Adils Aufbruch nach Syrien und Adils Tagebuchaufzeichnungen bis zu seinem Selbstmordattentat).
Der Roman ist zwiespältig. Die ideologischen Verführungen sind überzeugend und nachvollziehbar dargestellt (gilt wohl auch für andere Sekten), nur die Konvertierung der drei Hauptfiguren zum Islam ist schwer zu verstehen (bei Jakob nur wegen eines Bruchs mit einer Freundin, Adil war Zuhälter und hat nun Angst vor der Hölle, Samira war Partygeherin bei Punks, Metalheads und Raves). Und dass der sexbegeisterte Jakob wegen dem muslimischen Sexverbot mit unverheirateten freien Frauen (Nichtsklavinnen) bei einem Besuch von Samira vor dem endgültigen Vollzug des Geschlechtsverkehrs zurückschreckt, erscheint mir auch nicht ganz logisch.
Apropos Sex: Für ein Jugendbuch ist die Sexszene zwischen Samira und Jakob schon sehr explizit geschrieben. So genau wollte ich es eigentlich nicht wissen ;) Verfilmt wäre es ein Porno.
Wichtig scheint Linker zu sein, dass es auch einen nicht gewalttätigen Islam gibt und der IS keinen Anspruch auf Alleinvertretung hat. Auch bei den Salafisten nicht. So lässt er in einer Salafistenversammlung Samira folgende Fragen an die Versammelten bzw. an die Führerschaft stellen:
Es ist für mich immer interessant, Aktualitätsliteratur etwas zeitversetzt zu lesen. So auch in diesem Fall. Der Leverkusener Christian Linker (bürgerlich Magnus Mahlmann) ist studierter Theologe, war in der katholischen Jugendarbeit tätig und ist seit geraumer Zeit hoch geschätzter Jugendbuchautor. In diesem Buch aus 2016 setzt er sich mit der Frage auseinander, warum sich deutsche Jugendliche einem radikalen Islam zuwenden und in Erwägung ziehen, nach Syrien zu fahren, um an der Seite des IS zu kämpfen.
Die Hauptfiguren:
Jakob, 18-jähriger Student in Bonn, rettet eine Verschleierte (Samira) in einer Unterführung vor Skinheads, findet ihre Identität raus, besucht eine Salafisteveranstaltung, bricht mit seiner Freundin, zieht zu Samiras Bruder Adil, wird Moslem, nähert sich den Salafisten an und findet die Argumente für das Kalifat anziehend, heiratet Samira, entscheidet sich im letzten Moment gegen eine Syrienfahrt, will Adil auch davon abhalten, gelingt nicht, er wird verhaftet, nach einem halben Jahr Untersuchungshaft geht er frei und fährt mit Samira nach Irland (Adils Vorstellung des Paradieses).
Adil, ca. 18-jähriger Hilfsarbeiter aus Hamburg mit libanesischem Vater, war in Hamburg Zuhälter, wird Moslem, schließt sich den Salafisten an, will im Kampf als Märtyrer sterben, um sich und seiner Familie das Paradies zu sichern, nimmt Kontakt mit islamistischen Schleppern auf, fährt mit dem Bus nach Istanbul, wird nach Syrien in die Kampfzone gebracht, zeichnet sich als tapferer Kämpfer aus, wird wegen der brutalen IS-Methoden skeptisch (Abschlachten muslimischer Brüder, Köpfen von Deserteuren, Ermordung von Homosexuellen), verliert bei der Rettung eines weiteren deutschen Dschihadisten (Max) vor einer Handgranate in Mossul beide Beine, soll als Selbstmordattentäter eingesetzt werden, sprengt die eigene IS-Kommandoführung in die Luft, Mossul wird befreit, Max flieht mit Adils Tagebuch in die Türkei und schickt dieses per Post an Jakob.
Samira, 21-jährige Studentin und Schwester Adils, ist zum Islam konvertiert, steht den Salafisten nahe, lehnt den IS als unislamisch ab.
Linker versteht sein Handwerk, so ist dieser schnell zu lesende Roman spannend und abwechselnd aus zwei Perspektiven geschrieben (Jakob erzählt die Geschichte bis Adils Aufbruch nach Syrien und Adils Tagebuchaufzeichnungen bis zu seinem Selbstmordattentat).
Der Roman ist zwiespältig. Die ideologischen Verführungen sind überzeugend und nachvollziehbar dargestellt (gilt wohl auch für andere Sekten), nur die Konvertierung der drei Hauptfiguren zum Islam ist schwer zu verstehen (bei Jakob nur wegen eines Bruchs mit einer Freundin, Adil war Zuhälter und hat nun Angst vor der Hölle, Samira war Partygeherin bei Punks, Metalheads und Raves). Und dass der sexbegeisterte Jakob wegen dem muslimischen Sexverbot mit unverheirateten freien Frauen (Nichtsklavinnen) bei einem Besuch von Samira vor dem endgültigen Vollzug des Geschlechtsverkehrs zurückschreckt, erscheint mir auch nicht ganz logisch.
Apropos Sex: Für ein Jugendbuch ist die Sexszene zwischen Samira und Jakob schon sehr explizit geschrieben. So genau wollte ich es eigentlich nicht wissen ;) Verfilmt wäre es ein Porno.
Wichtig scheint Linker zu sein, dass es auch einen nicht gewalttätigen Islam gibt und der IS keinen Anspruch auf Alleinvertretung hat. Auch bei den Salafisten nicht. So lässt er in einer Salafistenversammlung Samira folgende Fragen an die Versammelten bzw. an die Führerschaft stellen:
"Ist es nicht im Islam verboten, die Schari'a zu vereinfachen und die islamischen Wissenschaften zu missachten? Ist es nicht verboten, Unschuldige zu töten? Ist es nicht verboten, einen Angriffskrieg als Dschihad zu bezeichnen? Ist es nicht verboten, Frauen und Kinder zu misshandeln, Körperstrafen ohne ordentlichen Prozess zu verhängen, Recht zu sprechen, ohne überhaupt hinreichend klassisches Arabisch zu beherrschen und die Rechtsschulen zu kennen? Ist nicht seit langer Zeit die Sklaverei durch allgemeinen Konsens im Islam aufgehoben und verboten? Ist es nicht verboten, zu foltern und Tote zu entstellen und sich mit bösen Taten auf Gott - Er ist groß und erhaben - zu berufen? Ist es nicht eine schwere Sünde, ohne Konsens mit der ganzen Umma ein Kalifat zu behaupten?"Ans Ende des Buches stellt er folgendes Zitat:
»Wann auch immer ihr die schwarzen Fahnen seht, bleibt auf euren Sitzen und bewegt weder eure Hände noch Füße. Danach werdet ihr eine kraftlose unbedeutende Schar sehen. Ihre Herzen werden wie Eisenstücke sein. Sie werden die Herrschaft haben. Sie werden weder einen Vertrag noch ein Abkommen einhalten. Sie werden zur Wahrheit aufrufen, doch sie werden nicht die Leute der Wahrheit sein. [...] Dieser Zustand wird anhalten, bis sie untereinander streiten. Danach wird Gott die Wahrheit hervorbringen durch wen auch immer Er will.«
Ali ibn Abi Talib, Schwiegersohn des Propheten und vierter Kalif (nach Überlieferung von Nu'aim ibn Hammad)