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7.232 Beiträge ▪ Schlüsselwörter: Bücher, Lesen, Literatur ▪ Abonnieren: Feed E-Mail

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gestern um 12:22
Christian Linker - Dschihad Calling

Linker-Dschihad

Es ist für mich immer interessant, Aktualitätsliteratur etwas zeitversetzt zu lesen. So auch in diesem Fall. Der Leverkusener Christian Linker (bürgerlich Magnus Mahlmann) ist studierter Theologe, war in der katholischen Jugendarbeit tätig und ist seit geraumer Zeit hoch geschätzter Jugendbuchautor. In diesem Buch aus 2016 setzt er sich mit der Frage auseinander, warum sich deutsche Jugendliche einem radikalen Islam zuwenden und in Erwägung ziehen, nach Syrien zu fahren, um an der Seite des IS zu kämpfen.

Die Hauptfiguren:

Jakob, 18-jähriger Student in Bonn, rettet eine Verschleierte (Samira) in einer Unterführung vor Skinheads, findet ihre Identität raus, besucht eine Salafisteveranstaltung, bricht mit seiner Freundin, zieht zu Samiras Bruder Adil, wird Moslem, nähert sich den Salafisten an und findet die Argumente für das Kalifat anziehend, heiratet Samira, entscheidet sich im letzten Moment gegen eine Syrienfahrt, will Adil auch davon abhalten, gelingt nicht, er wird verhaftet, nach einem halben Jahr Untersuchungshaft geht er frei und fährt mit Samira nach Irland (Adils Vorstellung des Paradieses).

Adil, ca. 18-jähriger Hilfsarbeiter aus Hamburg mit libanesischem Vater, war in Hamburg Zuhälter, wird Moslem, schließt sich den Salafisten an, will im Kampf als Märtyrer sterben, um sich und seiner Familie das Paradies zu sichern, nimmt Kontakt mit islamistischen Schleppern auf, fährt mit dem Bus nach Istanbul, wird nach Syrien in die Kampfzone gebracht, zeichnet sich als tapferer Kämpfer aus, wird wegen der brutalen IS-Methoden skeptisch (Abschlachten muslimischer Brüder, Köpfen von Deserteuren, Ermordung von Homosexuellen), verliert bei der Rettung eines weiteren deutschen Dschihadisten (Max) vor einer Handgranate in Mossul beide Beine, soll als Selbstmordattentäter eingesetzt werden, sprengt die eigene IS-Kommandoführung in die Luft, Mossul wird befreit, Max flieht mit Adils Tagebuch in die Türkei und schickt dieses per Post an Jakob.

Samira, 21-jährige Studentin und Schwester Adils, ist zum Islam konvertiert, steht den Salafisten nahe, lehnt den IS als unislamisch ab.

Linker versteht sein Handwerk, so ist dieser schnell zu lesende Roman spannend und abwechselnd aus zwei Perspektiven geschrieben (Jakob erzählt die Geschichte bis Adils Aufbruch nach Syrien und Adils Tagebuchaufzeichnungen bis zu seinem Selbstmordattentat).

Der Roman ist zwiespältig. Die ideologischen Verführungen sind überzeugend und nachvollziehbar dargestellt (gilt wohl auch für andere Sekten), nur die Konvertierung der drei Hauptfiguren zum Islam ist schwer zu verstehen (bei Jakob nur wegen eines Bruchs mit einer Freundin, Adil war Zuhälter und hat nun Angst vor der Hölle, Samira war Partygeherin bei Punks, Metalheads und Raves). Und dass der sexbegeisterte Jakob wegen dem muslimischen Sexverbot mit unverheirateten freien Frauen (Nichtsklavinnen) bei einem Besuch von Samira vor dem endgültigen Vollzug des Geschlechtsverkehrs zurückschreckt, erscheint mir auch nicht ganz logisch.

Apropos Sex: Für ein Jugendbuch ist die Sexszene zwischen Samira und Jakob schon sehr explizit geschrieben. So genau wollte ich es eigentlich nicht wissen ;) Verfilmt wäre es ein Porno.

Wichtig scheint Linker zu sein, dass es auch einen nicht gewalttätigen Islam gibt und der IS keinen Anspruch auf Alleinvertretung hat. Auch bei den Salafisten nicht. So lässt er in einer Salafistenversammlung Samira folgende Fragen an die Versammelten bzw. an die Führerschaft stellen:
"Ist es nicht im Islam verboten, die Schari'a zu vereinfachen und die islamischen Wissenschaften zu missachten? Ist es nicht verboten, Unschuldige zu töten? Ist es nicht verboten, einen Angriffskrieg als Dschihad zu bezeichnen? Ist es nicht verboten, Frauen und Kinder zu misshandeln, Körperstrafen ohne ordentlichen Prozess zu verhängen, Recht zu sprechen, ohne überhaupt hinreichend klassisches Arabisch zu beherrschen und die Rechtsschulen zu kennen? Ist nicht seit langer Zeit die Sklaverei durch allgemeinen Konsens im Islam aufgehoben und verboten? Ist es nicht verboten, zu foltern und Tote zu entstellen und sich mit bösen Taten auf Gott - Er ist groß und erhaben - zu berufen? Ist es nicht eine schwere Sünde, ohne Konsens mit der ganzen Umma ein Kalifat zu behaupten?"
Ans Ende des Buches stellt er folgendes Zitat:
»Wann auch immer ihr die schwarzen Fahnen seht, bleibt auf euren Sitzen und bewegt weder eure Hände noch Füße. Danach werdet ihr eine kraftlose unbedeutende Schar sehen. Ihre Herzen werden wie Eisenstücke sein. Sie werden die Herrschaft haben. Sie werden weder einen Vertrag noch ein Abkommen einhalten. Sie werden zur Wahrheit aufrufen, doch sie werden nicht die Leute der Wahrheit sein. [...] Dieser Zustand wird anhalten, bis sie untereinander streiten. Danach wird Gott die Wahrheit hervorbringen durch wen auch immer Er will.«

Ali ibn Abi Talib, Schwiegersohn des Propheten und vierter Kalif (nach Überlieferung von Nu'aim ibn Hammad)



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gestern um 23:34
This Is Why We Lied
von Karin Slaughter

this-is-why-we-lied-taschenbuch-karin-slOriginal anzeigen (0,3 MB)

https://www.goodreads.com/book/show/199793571-this-is-why-we-lied

Ein weiteres Buch aus der Reihe um Will Trent und Sara Linton. Die beiden Figuren mag ich besonders gerne, weil sie beide einfach sympathisch sind. Auch die anderen Figuren der Reihe Amanda Wagner und Faith Mitchell mag ich sehr gerne, obwohl Amanda nicht immer sehr nett ist.

Sara und Will haben geheiratet und Will ist für die Hochzeitsreise verantwortlich. Er hat alles toll organisiert und einen Urlaub in der McAlpine Lodge im nördlichen Georgia irgendwo in den Appalachen gebucht. Da Will weiß, dass Sara Camping hasst, hat er ein Cottage in diesem luxuriösen Ressort gebucht und Sara nicht viel erzählt, da er sie überraschen will. Tessa, Saras Schwester, wurde damit beauftragt, für Sara zu packen. Die Loge ist für Gäste nur zu Fuß oder zu Pferd auf Wanderwegen zu erreichen, auch WLAN gibt es für Gäste nicht. Mobilfunkempfang gibt es nur teilweise. Sara und Will lügen über ihre Berufe, weil sie einfach ihre Ruhe haben wollen und nicht ständig darüber ausgefragt werden wollen.

Leider wird es nichts mit der Erholung. Am ersten Abend werden alle Gäste beim gemeinsamen Abendessen Zeugen einer Auseinandersetzung zwischen Mercy McAlpine, der Managerin, und ihrem Sohn Jon. Der Rest der Familie wirkt seltsam kalt und niemand scheint Mercy zu unterstützen. Das ist allen Gästen sehr unangenehm und sie versuchen, das zu überspielen.

Sara und Will möchten am späteren Abend noch Zeit zu zweit am See verbringen, als sie plötzlich einen Schrei hören. Sie ziehen sich an und rennen los in Richtung des Schreis und hören dann noch zwei Schreie einer Frauenstimme: "Help! Please!"

Als Will bei den momentan leerstehenden Cottages ankommt, die gerade renoviert werden, steht ein Cottage in Brand und Will läuft hinein, um zu sehen, ob sich jemand darin aufhält. Das Cottage ist leer und Will verlässt das brennende Cottage schnell wieder, sieht aber Mercy McAlpine halb im See liegen. Die sterbende Frau schafft es nur noch, ihren Sohn Jon zu erwähnen und sagt zu Will "Forgive him!", bevor sie stirbt.

Nun müssen Will und Sara einen Mordfall lösen. Die Zeit drängt, denn es kommt ein Sturm auf, der das Ressort komplett isolieren wird und die Wege unpassierbar machen wird. Der Mörder befindet sich im Ressort. Wer hat ein Motiv, Mercy McAlpine zu töten?

Das Buch ist sehr spannend erzählt und man bekommt immer wieder Einblicke in Mercys Leben und in eine sehr dysfunktionale Familie. Die ganzen Dinge, die innerhalb der Familie abliefern und immer noch ablaufen, sind zutiefst verstörend.

Man erfährt auch wieder etwas von Wills Leben im Kinderheim.

Ich wusste eigentlich von Anfang an, wer Mercy ermordet hat, nur führt einen die Autorin immer wieder auf eine falsche Fährte. Das macht sie wirklich sehr gut, das ganze Buch ist wie eine Achterbahnfahrt.

Wieder einmal ein sehr gelungenes Buch von Karin Slaughter.


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um 13:59
Jules Verne - Reise um die Erde in 80 Tagen

Verne-ReiseOriginal anzeigen (0,2 MB)

Die Story der Weltreise des Londoner Privatiers Philias Fogg mit seinem französischen Diener Passepartout sowie den ihn verfolgenden Kommissar Fix ist wohl allgemein bekannt. Ich kenne sie noch aus der Kindheit in der Verfilmung mit David Niven, ob ich das Buch schon mal gelesen habe, weiß ich nicht, aber eher nicht. Der Roman ist flott und spannend geschrieben, die Reise lässt sich am Atlas nachverfolgen und es gibt viele Beschreibungen, welche die Welt von 1872 vor Augen führen. Und auch ist erklärt, warum bei einer Reise ostwärts der Tag um vier Minuten pro Längengrad kürzer ist (das ist der Grund, warum Fogg seine Wette gewonnen hat). Hinzu kommt am Ende auch noch ein romantisches Happy End mit der Hochzeit von Fogg mit einer vor einer Witwenverbrennung geretteten jungen indischen Kaufmannstochter.

Die Welt, die Fogg durchreist, steht am Höhepunkt des britischen Kolonialismus. Erst in Schanghai wird zum ersten Mal nicht britischer Boden betreten, die Stadt jedoch ist offen für den Handel. Die einzige vielleicht nicht von Großbritannien beeinflusste Stadt der Reise ist Yokohama, denn auch die USA sind noch vom ehemaligen britischen Kolonialismus geprägt. "So giebt's eine Kette von englischen Städten rings um die Erde herum."

Ob Verne mit diesem Roman eine ätzende Spitze gegen Großbritannien geschossen hat, kann ich nicht beurteilen, doch Foggs Lebensgewohnheit (immer gleicher Tagesablauf, nur das Whist-Spiel ist ein Hobby) wird von seinem lebensfrohen französischen Diener kontrastiert. Während Fogg sich für das Äußere seiner Reise nicht interessiert - "von den Merkwürdigkeiten Bombays etwas zu sehen, fiel ihm nicht ein", ist Passepartout lebensfroh und er bestaunt Sehenswürdigkeiten wie Menschen.

Eine Charakterisierung Foggs beim Zusammentreffen mit einem Brigadegeneral Sir Francis Cromarty, der auf demselben Schiff von Suez nach Bombay fährt wie Fogg:
Es war ein Mann von Kenntnissen, der gerne über die Gewohnheiten, Geschichte, Organisation des Hindulandes Auskunft gegeben hätte, wenn Phileas Fogg sie nur hätte begehren mögen. Aber dieser Gentleman hatte kein Verlangen darnach. Er machte nicht eine Reise, sondern eine Umfangslinie. Es war ein schwerer Körper, welcher nach den Gesetzen der rationellen Mechanik einen Kreis um den Erdball beschrieb. In diesem Augenblicke stellte er eine wiederholte Berechnung der seit seiner Abreise aus London verbrauchten Stunden an; und wäre es nicht seiner Natur zuwider gewesen, eine unnütze Bewegung zu machen, so würde er sich die Hände gerieben haben.
Die Beschreibung des Nordosten Indiens (Provinz Bihar) zeigt die Umweltzerstörung durch die britische Industrialisierung:
Dieses ganze Panorama flog blitzschnell vorüber, und oft hinderten weiße Dampfwolken seine Details zu sehen. Die Reisenden vermochten kaum flüchtig in Augenschein zu nehmen das Fort Chunar, zwanzig Meilen südöstlich von Benares, vormals Festung der Rajahs von Behar, Ghazepur mit seinen bedeutenden Rosenwasserfabriken, das am linken Gangesufer errichtete Grabmal des Lord Cornwallis, die feste Stadt Buxar, die große Gewerbe- und Handelsstadt Patna, wo der Hauptmarkt des indischen Opiums sich befindet, Monghir, eine Stadt so englisch wie Manchester und Birmingham, berühmt durch seine Eisengießereien, Zeugschmiede- und Gewehrfabriken, deren Rauchfänge Brahmas Himmel mit schwarzem Rauch beschmutzten.
Auch der britische Handel mit Opium nach China wird heftig kritisiert und die Folgen des Opiumkonsums werden anhand der Opiumcafés in Schanghai sehr plastisch vor Augen geführt.

Andererseits fällt eine durchgehend abschätzige Schilderung von nichteuropäischen Völkern auf. Die Sioux, welche den Zug von San Francisco nach Oklahoma überfallen, werden als blutrünstige Monster dargestellt, und die Papua werden so charakterisiert:
Die wilden Papua's der Insel ließen sich nicht sehen. Es sind zwar Geschöpfe, die auf der untersten Stufe menschlicher Bildung stehen, aber Menschenfresser sind sie doch nicht.
Aber auch die amerikanische Demokratie wird verächtlich dargestellt. Eine Versammlung zweier Kandidaten für die Wahl des Friedensrichters in San Francisco artet in eine wüste Schlägerei aus, wobei die Anhänger mit "Bleistöcken und Todtschlägern" bewaffnet bei dieser erscheinen.

Das Buch hat gegenüber den Verfilmungen definitiv einen Mehrwert, da bei Letzteren die Wette im Zentrum steht, kritische Aspekte jedoch mehr oder weniger ausgeklammert sind.


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