Neuer Nationalismus im östlichen Europa. Kulturwissenschaftliche PerspektivenDies ist der Konferenzband einer Tagung vom Dezember 2016 am Institut für Volkskunde/Europäische Ethnologie der Ludwig-Maximilians-Universität München, der vom transcript-Verlag als PDF frei zum
Download angeboten wird. Teilnehmer:innen waren hauptsächlich Forschende aus dem Gebiet der Kulturanthropologie, welche sich mit nationalistischen Symboliken postkommunistischer Staaten nach 1989 auseinandersetzen.
Das Spektrum ist breit gestreut, von den staatlichen Projekten zur Imagebildung
Skopje 2014 (Nordmazedonien sucht seine Wurzeln in der Antike) und
Good Idea Slovakia (die Slowakei versucht sich als Land der Innovationen zu platzieren), über die Verflechtungen von rechtsnationalen Regierungen und rechtsextremen Organisationen in Polen und Ungarn sowie Nationalismus im tschechischen musikalischen Mainstream.
Bezüglich des Umgangs mit Minderheiten gibt es zwei Beiträge, einer über die gepflegte und gewünschte Toleranz der Volksgruppen im ukrainischen Südbessarabien mit der Regionalhauptstadt Ismail sowie einer über die Ausgrenzung von Romnja und Roma in der Slowakei.
In der Einleitung wird versucht zu erklären, wie es zu einem Erstarken rechtsnationaler Strömungen hat kommen können, und einer der Gründe wird in der ökonomischen Spaltung der Länder in postkommunistischer Zeit gesehen, dass neben boomenden städtischen Regionen ein wirtschaftlich verödendes Hinterland entstanden ist, deren Verlierer für nationale Symboliken empfänglich sind. Besonders aus diesen Regionen abwandernde Jugendliche sehen in einem wie immer gearteten Nationalismus "Tröstungen". Auch fülle der Nationalismus eine Identitätslücke, welche die Europäische Union nicht füllen kann, da diese als fremd, etwas weit Entferntes empfunden werde.
Am schärfsten ist die Hinwendung zu nationalistischer Rhetorik beim ungarischen Premier Viktor Orbán zu beobachten. Zitiert wird auch ein Ausschnitt seiner sog. "Blut-und-Boden-Rede" von 2012 bei der Einweihung einer Statue mit dem ungarischen Mythenvogel Turul bei der südungarischen nationalen Gedenkstätte Ópusztaszer:
Der Turul ist ein Urbild, das Urbild der Ungarn. Wir werden in es hineingeboren, so wie wir in unsere Sprache und Geschichte hineingeboren werden. Das Urbild gehört zum Blut und zum Heimatboden.
Ausführlicher zitiert im österreichischen
Standard.