Narrenschiffer
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22.05.2021 um 22:54William Godwin - Thoughts on Man
William Godwin ist vermutlich am berühmstesten als Vater von Mary Shelley, der Autorin von Frankenstein. Er selbst war Philosoph, der sich mit einem Erbe und einigen unternehmerischen Tätigkeiten als Verleger durchs Leben schlug. Gedanklich gilt er als einer der Väter des philosophischen Anarchismus, der Gewalt grundsätzlich ablehnt und eine machtfreie Gesellschaft durch Vernunft herbeisehnt.
Diese Essaysammlung ist sein 1831 erschienenes Alterswerk. Kern seiner Aussagen ist, dass der Mensch frei geboren ist und nicht durch seine Geburt für eine bestimmte Tätigkeit vorgeprägt ist. So solle jeder danach streben, was ihm selbst als seine Berufung erscheint. Aus diesem Grund soll jeder Mensch Respekt vor sich selbst haben und zum Besten streben, sich nicht wie ein Schulkind als Sklave sehen, der von anderen Menschen beherrscht wird. Dies gilt auch für die Frau, deren Unterordnung unter den Mann Godwin ablehnt.
Grundsätzlich sieht er im Menschen eine rohe, animalische Natur, welche jedoch durch die Vernunft zivilisiert werden könne. Dennoch prägten ihn drei Leidenschaften: die Neugier, das Abenteuer und die Macht. Um diese zu zähmen, bräuchte er ein "Heim", ein Zuhause, in dem er für sich selbst leben kann, ohne dass andere eindringen dürfen. Der Tisch, der Stuhl, das Bett, die Kleidung seien die Gegenstände, welche den Wahnsinn und das animalisch Unkontrollierbare eingrenzen würden. Ein jeder Mensch habe das Recht auf ein Heim, über das er selbst bestimmen kann. Nur so könne ein zivilisiertes Miteinander sich entwickeln.
Konkreter wird Godwin, wenn er über die Verteilung von Reichtum schreibt. Grundsätzlich ist er der Ansicht, dass drei Viertel der Menschheit sich abmühen, damit ein Viertel ohne materielle Not leben kann. Er nennt dies eine schreiende Ungleichheit, eine "glaring inequality", die es zu beheben gilt, ohne dass Godwin Wege findet, wie dies umgesetzt werden könnte. Als einer der Wege zu seiner "anarchistischen" Gesellschaft wird angesprochen, dass alle Menschen ein Mitspracherecht haben sollten, und der erste Schritt ist, dass eine repräsentative parlamentarische Versammlung in geheimen Wahlen bestimmt werden sollte, damit jeglicher Einfluss der besitzenden Mächtigen über die Stimmen ihrer Klientel ausgeschaltet werden kann.
Godwin ist somit nicht nur einer der Ahnherren des Anarchismus, sondern auch einer des Utilitarismus und des Libertarianismus. Sein soziales Denken ist es, dass auch die Linke ihn in ihre Traditionslinie aufnehmen kann.
Ansonsten mäandert das Werk sehr. Godwin selbst sieht sich als schreibender Intellektueller, der selbst maximal zwei bis drei Stunden pro Tag Texte schreiben kann, die auch einer Veröffentlichung würdig sind. Daraus leitet er ab, dass auch gesamtgesellschaftlich anzustreben ist, dass alle Mitglieder tätig sind, um eine Reduktion der Arbeitszeit zu erlangen. Dies würde dem Einzelnen die Möglichkeit bieten, mehr für sich selbst zu sein, aber auch die untätige Aristokratie zur Tätigkeit zwingen.
Gegen Ende der Essaysammlung vertieft sich Godwin in Physik und Astronomie. Er ist Materialist und lehnt die Auffassung ab, dass nur der menschliche Geist sich die materielle Umwelt schaffe, da dies letztlich dazu führe, dass das Individuum isoliert lebe und der Tod eine Befreiung von einem nutzlosen Dasein sei. Dennoch erfahren wir viel über die damalige Diskussion, was Materie überhaupt sei und dass Physiker darüber spekulierten, dass es mehr leeren Raum gäbe als materiell gefüllten. Selbst darüber wurde nachgedacht, ob die kleinsten Materieteilchen überhaupt Materie seien. Die Atomtheorie wurde angedacht, aber selbst die Quantentheorie hatte ihre metaphysischen Vorläufer.
Interessant auch Godwins Spekulationen darüber, dass auf jedem Himmelskörper Lebewesen sein können, auch vernunftbegabte. Er begründet dies auch religiös, da ein Schöpfergott wohl kaum große Gebiete unbelebter Materie dulden könne. Beinahe kindlich dann seine Überlegungen, dass eine Wiederkunft Jesu' schwerlich möglich sei, da der Schöpfergott im Weltenraum sehr viele nicht perfekte mit Intelligenz begabte Schöpfungen von ihren Sünden und ihrer Schuld zu befreien habe und deshalb die zweite Trinität sehr beschäftigt sei.
Für mich ist diese Sammlung eine der letzten metaphysischen philosophischen Werke, bevor die Naturwissenschaft die Deutungshoheit für sich beanspruchen kann. Streckenweise sehr interessant zu lesen, teilweise naiv, lange Passagen sind jedoch eine Nabelschau.
Der Text ist online auf gutenberg.org
William Godwin ist vermutlich am berühmstesten als Vater von Mary Shelley, der Autorin von Frankenstein. Er selbst war Philosoph, der sich mit einem Erbe und einigen unternehmerischen Tätigkeiten als Verleger durchs Leben schlug. Gedanklich gilt er als einer der Väter des philosophischen Anarchismus, der Gewalt grundsätzlich ablehnt und eine machtfreie Gesellschaft durch Vernunft herbeisehnt.
Diese Essaysammlung ist sein 1831 erschienenes Alterswerk. Kern seiner Aussagen ist, dass der Mensch frei geboren ist und nicht durch seine Geburt für eine bestimmte Tätigkeit vorgeprägt ist. So solle jeder danach streben, was ihm selbst als seine Berufung erscheint. Aus diesem Grund soll jeder Mensch Respekt vor sich selbst haben und zum Besten streben, sich nicht wie ein Schulkind als Sklave sehen, der von anderen Menschen beherrscht wird. Dies gilt auch für die Frau, deren Unterordnung unter den Mann Godwin ablehnt.
Grundsätzlich sieht er im Menschen eine rohe, animalische Natur, welche jedoch durch die Vernunft zivilisiert werden könne. Dennoch prägten ihn drei Leidenschaften: die Neugier, das Abenteuer und die Macht. Um diese zu zähmen, bräuchte er ein "Heim", ein Zuhause, in dem er für sich selbst leben kann, ohne dass andere eindringen dürfen. Der Tisch, der Stuhl, das Bett, die Kleidung seien die Gegenstände, welche den Wahnsinn und das animalisch Unkontrollierbare eingrenzen würden. Ein jeder Mensch habe das Recht auf ein Heim, über das er selbst bestimmen kann. Nur so könne ein zivilisiertes Miteinander sich entwickeln.
Konkreter wird Godwin, wenn er über die Verteilung von Reichtum schreibt. Grundsätzlich ist er der Ansicht, dass drei Viertel der Menschheit sich abmühen, damit ein Viertel ohne materielle Not leben kann. Er nennt dies eine schreiende Ungleichheit, eine "glaring inequality", die es zu beheben gilt, ohne dass Godwin Wege findet, wie dies umgesetzt werden könnte. Als einer der Wege zu seiner "anarchistischen" Gesellschaft wird angesprochen, dass alle Menschen ein Mitspracherecht haben sollten, und der erste Schritt ist, dass eine repräsentative parlamentarische Versammlung in geheimen Wahlen bestimmt werden sollte, damit jeglicher Einfluss der besitzenden Mächtigen über die Stimmen ihrer Klientel ausgeschaltet werden kann.
Godwin ist somit nicht nur einer der Ahnherren des Anarchismus, sondern auch einer des Utilitarismus und des Libertarianismus. Sein soziales Denken ist es, dass auch die Linke ihn in ihre Traditionslinie aufnehmen kann.
Ansonsten mäandert das Werk sehr. Godwin selbst sieht sich als schreibender Intellektueller, der selbst maximal zwei bis drei Stunden pro Tag Texte schreiben kann, die auch einer Veröffentlichung würdig sind. Daraus leitet er ab, dass auch gesamtgesellschaftlich anzustreben ist, dass alle Mitglieder tätig sind, um eine Reduktion der Arbeitszeit zu erlangen. Dies würde dem Einzelnen die Möglichkeit bieten, mehr für sich selbst zu sein, aber auch die untätige Aristokratie zur Tätigkeit zwingen.
Gegen Ende der Essaysammlung vertieft sich Godwin in Physik und Astronomie. Er ist Materialist und lehnt die Auffassung ab, dass nur der menschliche Geist sich die materielle Umwelt schaffe, da dies letztlich dazu führe, dass das Individuum isoliert lebe und der Tod eine Befreiung von einem nutzlosen Dasein sei. Dennoch erfahren wir viel über die damalige Diskussion, was Materie überhaupt sei und dass Physiker darüber spekulierten, dass es mehr leeren Raum gäbe als materiell gefüllten. Selbst darüber wurde nachgedacht, ob die kleinsten Materieteilchen überhaupt Materie seien. Die Atomtheorie wurde angedacht, aber selbst die Quantentheorie hatte ihre metaphysischen Vorläufer.
Interessant auch Godwins Spekulationen darüber, dass auf jedem Himmelskörper Lebewesen sein können, auch vernunftbegabte. Er begründet dies auch religiös, da ein Schöpfergott wohl kaum große Gebiete unbelebter Materie dulden könne. Beinahe kindlich dann seine Überlegungen, dass eine Wiederkunft Jesu' schwerlich möglich sei, da der Schöpfergott im Weltenraum sehr viele nicht perfekte mit Intelligenz begabte Schöpfungen von ihren Sünden und ihrer Schuld zu befreien habe und deshalb die zweite Trinität sehr beschäftigt sei.
Für mich ist diese Sammlung eine der letzten metaphysischen philosophischen Werke, bevor die Naturwissenschaft die Deutungshoheit für sich beanspruchen kann. Streckenweise sehr interessant zu lesen, teilweise naiv, lange Passagen sind jedoch eine Nabelschau.
Der Text ist online auf gutenberg.org