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Welches Buch lest ihr gerade?

7.342 Beiträge ▪ Schlüsselwörter: Bücher, Lesen, Literatur ▪ Abonnieren: Feed E-Mail

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19.08.2020 um 23:09
Annette von Droste-Hülshoff - Die Judenbuche

Judenbuche

Diese berühmte Novelle ist nicht ganz durchkomponiert, wenn auch sprachlich ein Meisterwerk.

Sie spielt im Westfälischen in der Nähe des Teutoburger Waldes in einem kleinen Dorf im 18. Jahrhundert, deren Bewohner ganz wenig Kontakt zur Außenwelt haben und sehr karg leben.

Zunächst steht die Familie Mergel (beginnend 1736) im Zentrum. Hermann Mergel ist Alkoholiker und nimmt sich eine etwas "ältere" Frau um die 40, Margreth, und gemeinsam haben sie einen Sohn namens Friedrich. Nach dem frühen Tod Hermanns zieht Margreth ihn in dem verfallenen Häuschen auf und er arbeitet als Kuhhüter, bis ihr Bruder Simon ihn für Arbeiten zu sich nimmt.

Die Dorfbewohner stehen im Verdacht, mit Holzwilderern zusammenzuarbeiten, die wegen ihrer Kleidung Blaukittel genannt werden. Wegen der Nähe zum Meer ist Holzfrevel ein sehr einträgliches Geschäft. Als der Förster Brandis der Bande sehr nah auf der Spur ist, warnt Friedrich, während der Kühe hütet, diese durch einen Pfiff, schickt Brandis in die falsche Richtung, und dieser wird ermordet. Friedrich kann nichts nachgewiesen werden.

Als Friedrich zum jungen Mann wird, fällt im Dorf auf, dass er sich modisch kleidet, und während einer Hochzeitsfeier gerät er mit Aaron, dem jüdischen Geldverleiher, wegen einer nicht bezahlten Silberuhr in Streit. Als Aaron bei einer Buche durch eine Axt erschlagen aufgefunden wird, kann Friedrich zwar nichts nachgewiesen werden, jedoch kommt er drauf, dass seinem Onkel Simon eine Axt fehlt.

Gemeinsam mit dem elternlosen Knecht von Simon, Johannes Niemand, flieht er aus dem Dorf. Seine Spur geht verloren. Johannes jedoch kommt nach über 25 Jahren abgehärmt ins Dorf zurück und erzählt von seiner Sklavenschaft bei den Osmanen. Friedrich und er seien nach ihrer Flucht von österreichischen Werbern aufgegriffen und in den Kampf gegen die Türken gezogen. Schließlich habe er auf ein holländisches Schiff fliehen können.

Am Ende wird Johannes tot aufgefunden, er hat sich bei der Buch erhängt, bei der Aaron tot aufgefunden worden ist. Die jüdische Gemeinde hat die Buche gekauft und auf hebräisch folgende Inschrift in sie einritzen lassen:
Wenn du dich diesem Orte nahest, so wird es dir ergehen, wie du mir getan hast.
Diese kurze Novelle hat ein Manko, es ist sehr viel in ihr thematisch aufgegriffen, aber es wird nicht in die Tiefe gegangen, Aufgegriffenes verliert sich. So beginnt der Text mit einem Vergleich zwischen niedergeschriebenem Recht und dörflichem Gewohnheitsrecht, das wird nicht aufgegriffen. Die Frage nach der Rechtmäßigkeit von Holzfrevel und Wilderei wird anhand des freien Wilds, das zwischen Gebieten unterschiedener Herren wechselt und daher niemandem gehören könne, thematisiert, dennoch werden die Holzfrevler als sehr brutal dargestellt.

Thematisch wechselt das Werk von der Darstellung einer verarmten Dorffamilie hin zu dem vermutlich mit den Holzfrevlern zusammenarbeitenden Simon, endet jedoch mit Schwerpunkt auf Aaron und der Rolle der Juden.

Was das Werk dennoch sehr lesbar macht, ist die Sprachkunst der Autorin.


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19.08.2020 um 23:47
Samuel Taylor Coleridge - The Rime of the Ancient Mariner

Coleridge-Rime

Diese 1798 verfasste lange Ballade ist wohl eine der berühmtesten der englischen Literatur, wenngleich sie zu Beginn wegen ihres alten Sprachstands nicht sonderlich vom Lesepublikum aufgenommen wurde. Und wie es sich für eine koloniale Seefahrermacht gehört, ist das Thema nicht Glocken, Zauberlehrlinge, Ritter oder antike Könige, sondern ein alter Seefahrer.

Gleich zu Beginn prallt die reiche Landgesellschaft in Gestalt eines Hochzeitsgastes auf die ausgemergelte Seemannsgestalt, einem Angehörigen jener Menschen, die für den Reichtum sorgt.

Der Seefahrer wird mit seinem Schiff in Richtung Antarktis abgetrieben und erschießt einen Albatros. Zunächst von den anderen Matrosen deswegen verachtet, beruhigt sich die kritische Lage auf dem Schiff, als es sich vom Eis befreien kann. Diese Stimmung kippt während einer Flaute, der Seemann muss sich den Albatros wie ein Kreuz um den Hals hängen. Noch dazu taucht ein Totenschiff auf, und der Tod selbst sorgt dafür, dass alle bis auf den Seemann entschlummern. Erst als er die Meerestiere zu bewundern beginnt, erweckt der Tod die Mannschaft wieder zum Leben und das Schiff kann nach England zurückkehren. Doch vor der Einfahrt in den Hafen sinkt das Schiff und nur der alte Seefahrer überlebt. Seitdem erzählt er an Land jedem, den er trifft, seine Geschichte.

Coleridge packt in dieser Ballade mehr oder weniger alle Unbillen der damaligen Seefahrt aus und zeigt, wie gefährlich diese Unternehmungen waren. Mit der Gestalt des alten Seemanns, der die Landbewohner konfrontiert, ist zusätzlich die Ignoranz Letzterer in Reime und Verse gefasst.

Der Text ist unter anderem hier online:
https://www.gutenberg.org/files/151/151-h/151-h.htm (Englisch)


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20.08.2020 um 14:17
@Narrenschiffer

Kommt auf die Liste, klingt gut. Bzw die beiden letzten klingen gut.


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22.08.2020 um 00:40
Franz Grillparzer - König Ottokars Glück und Ende

Grillparzer-Ottokar

Mit diesem frühen Werk (1825 als 34-Jähriger veröffentlicht) schrieb Grillparzer ein Theaterstück, das die Habsburg-Dynastie zu verherrlichen versucht. Er zeichnet die historischen Ereignisse im Streit zwischen dem böhmischen König Ottokar Przemysl und dem Habsburger Rudolf nach und der Schwerpunkt liegt in der Gestaltung zweier sehr unterschiedlicher Charaktere.

Ottokar ist arrogant, herrschsüchtig, aber in den realen Auseinandersetzungen als schwach gezeichnte. Rudolf ist ein mitfühlender, empathischer Mensch, der aber in den entscheidenden Momenten zielstrebig und ein - auch bereits unter Ottokar gegen die Ungarn - erfolgreicher Feldherr ist.

Zeitlich beginnt das Stück 1261, als sich Ottokar, König von Böhmen und Mähren, von seiner Gattin Margarethe, der letzten Babenbergerin, trennt, da sie zu alt für die Geburt eines Erben und im vierten Grade mit Ottokar verwandt ist (wichtig, damit die Kirche die Ehe für ungültig erklären kann). Margarethe ist für Ottokar wichtig gewesen, um nach der Eroberung der Steiermark auch die Babenberger Besitzungen zu erhalten. Nur ist ihr Schenkungsvertrag rechtlich irrelevant, da nach dem Ende der männlichen Erbfolge der Babenberger die Besitzungen ans Deutsche Reich zurückfallen, das damals jedoch ohne König ist. So versucht Ottokar König zu werden, brüskiert jedoch die Emissäre der Wahlfürsten mit seiner Arroganz dermaßen, dass diese Rudolf von Habsburg wählen, einen bis dahin kleinen Grafen, der - wie erwähnt - gegen die Ungarn in Ottokars Heerfolge gekämpft hat.

Wendepunkt ist, als während einer Unterwerfungszeremonie, in der Ottokar von Rudolf die Länder als Lehen empfangen soll, von einem seiner böhmischen Adeligen, der in die junge neue Frau Ottokars Kundigunde, der Tochter des ungarischen Königs Béla, fürchterlich verliebt ist, das Zelt niederreißt und in aller Öffentlichkeit sichtbar ist, dass Ottokar vor Rudolf kniet. Diese Demütigung führt dazu, dass Kunigunde, die einen starken Mann als Gemahl haben will, ihn verlässt und immer mehr von den ihm unterworfenen Ländern abfallen, so auch Wien.

In einem Verzweiflungsakt will Ottokar das kaiserliche Heer bei Marchegg an der Donau zu einem Entscheidungskampf stellen, was militärisch zu keinem Erfolg mehr führen kann. Er wird von einem jungen Adeligen, dessen Vater er als Verräter im Kerker hat sterben lassen, ermordet. Rudolf vererbt Österreich einem seiner Söhne.

Grillparzers Absicht ist offensichtlich: Rudolf wird als großherziger Charakter gezeichnet, während Ottokar ein machtbesessener, jedoch unfähiger Narzisst ist, der noch dazu seine Ehen eingeht, um seinen Herrschaftsraum zu vermehren. Ergo: Dass die österreichischen Lande den Habsburgern zufallen, wird gerechtfertigt.

Einen der Dienstmannen, die sich Rudolf unterwerfen, wird ein Loblied auf Österreich unterlegt, das an Schulen Kinder während der Monarchie und zum Teil später auswendig lernen mussten:
Er ist ein guter Herr, es ist ein gutes Land,
wohl wert, dass sich ein Fürst sein unterwinde!
Schaut rings umher, wohin der Blick sich wendet,
Wo habt ihr dessengleichen schon gesehen?
Lacht`s wie dem Bräutigam die Braut entgegen!
Mit hellem Wiesengrün und Saatengold
Von Lein und Safran gelb und blau gestickt,
von Blumen süß durchwürzt und edlem Kraut,
schweift es in breitgestreckten Tälern hin-
ein voller Blumenstrauß so weit es reicht,
vom Silberband der Donau rings umwunden!
Hebt sich`s empor zu Hügeln voller Wein,
wo auf und auf die goldne Traube hängt
und schwellend reift in Gottes Sonnenglanze.;
Der dunkle Wald voll Jagdlust krönt das Ganze.
Und Gottes lauer Hauch schwebt drüber hin
Und wärmt und reift und macht die Pulse schlagen,
wie nie ein Puls auf kalten Steppen schlägt.
Drum ist der Österreicher froh und frank,
trägt seinen Fehl, trägt offen seine Freuden,
beneidet nicht, lässt lieber sich beneiden!
Und was er tut, ist frohen Muts getan.
`s ist möglich, dass in Sachsen und beim Rhein
es Leute gibt, die mehr in Büchern lasen;
Allein, was not tut und was Gott gefällt,
der klare Blick, der offne, richt`ge Sinn,
da tritt der Österreicher hin vor jeden,
denkt sich sein Teil und lässt die anderen reden!
O gutes Land! O Vaterland! Inmitten
Dem Kind Italien und dem Manne Deutschland,
liegst du, der wangenrote Jüngling, da:
Erhalte Gott dir deinen Jugendsinn
Und mache gut, was andere verdarben.
Dass Grillparzer noch jung war, blitzt in einem kurzen Abschnitt auf, als Zawisch von Falkenstein in brennender Liebe für Kunigunde folgende Äußerung tätigt:
Alte Männer
Sollten alte Weiber freien! Jugend
Gehört für Jugend!
Zawisch hat übrigens nach Ottokars Tod wirklich Kunigunde geheiratet, aber das wäre eine neue, wilde Geschichte.


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22.08.2020 um 12:09
Daniel Kehlmann Tyll

Vielleicht wurde es mir etwas zu begeistert empfohlen, nach den ersten 20 Seiten hat es mich jedenfalls noch nicht gepackt.


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22.08.2020 um 13:56
M. M. nach lohnt es sich, dran zu bleiben.
Ich fand es zeitgeschichtlich sehr interessant.


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24.08.2020 um 00:57
Paul Ronzheimer - Sebastian Kurz

ronzheimer-kurz

Ronzheimer ist für einen BILD-Reporter eigentlich eine ziemlich coole Socke, war am Maidan, schmeißt sich in der Türkei auf ein Schlepper-Schlauchboot Richtung Lesbos, das wieder auf die türkische Küste zurück muss, weil nicht nur das Boot desolat ist, sondern auch der Kapitän mit seiner ersten Überfahr rettungslos überfordert ist.

Und 2018 schreibt er eine Hagiographie über Sebastian Kurz. Da stellt sich die Frage nach dem Warum. Das mit dem jüngsten ... blablabla ... in Europa ist klar. Aber Ronzheimer hat mehr zu bieten: er habe sich an Kurz anbiedern können und wartet mit vielen Gesprächen mit Kurz und seiner Familie auf.

Was erfahren wir also? Wir erfahren nicht nur, dass seine Eltern in Meidling wohnen (ok ... das wissen wir), sondern auch dass seine Großmutter, eine Voivodina-Flüchtling am Ende des Zweiten Weltkriegs in Zogelsdorf wohnt. Zogelsdorf ist im Waldviertel in der Nähe der tschechischen Grenze.

Ok. Großmutter Flüchtling, Papa von Philips in den Nuller-Jahren abserviert und noch mal zurück in den Arbeitsprozess gefunden, Mama Lehrerin. So weit, so ... gibt es viele in Österreich.

Aber was ist mit Sebastian? In der stinknormalen Schule ist eine den Holocaust überlebende Person, die dort einen Vortrag hält, ein Schlüsselerlebnis. Gut. Toll. Aber wie bringt es ihn dazu, im ersten Wiener Gemeindebezirk an der Jungen ÖVP anzudocken? Wie bringt es ihn dazu, die Wochenend-Nachtöffnung der Wiener U-Bahnen durchzuziehen (Erfolg) und bei den Wiener Wahlen 2010 nicht so erfolgreich mit einem "Geilomobil" samt schwarzen Kondomen Wahlwerbung zu treiben? Aber vor allem: Wie bringt es ihn dazu, ein Kernteam um sich zu scharen, das ihn bis heute berät, und 2011 Staatssekretär für Integration und 2013 Außenminister zu werden?

Ronzheimer stellt uns einen jungen Mann vor, der auf der einen Seite seine Positionen sehr akribisch entwickelt (er ist von seinen Positionen überzeugt und plappert nicht Beratern nach), andererseits plant er jeden seinen Schritte mit seinem Team bis ins Detail.

Wie er die ÖVP 2017 zu einem Zeitpunkt übernommen hat, als diese Partei am Ende war, ist immer noch unglaublichst. Die ÖVP ist bündisch strukturiert, hat also mit zentralistischen Strukturen nichts zu tun. Nur um sich wieder hochzuhieven, macht Kurz eine Partei nach Führerprinzip daraus: Der Vorsitzende hat Richtungsweisung und bestimmt die Wahllisten auch für die Bundesländer. Der Parteitag beschließt, dass dies in den Statuten festgeschrieben wird. Aus der ÖVP wird eine Partei nach Führerprinzip und gewinnt damit Wahlen.

Während der Flüchtlingskrise schmiedet Kurz eine Allianz am Balkan (in Österreich gemeinsam mit dem SP-Verteidigungsminister Doskozil) und Makedonien (verstärkt durch Hintertüraktivitäten aus Deutschland) lässt niemanden mehr aus Idomeni weiterziehen. "Hässliche Bilder", wie Kurz es sie gewünscht hat, um die Schlepperaktivitäten zu brechen. Die offiziellen Positionen in Deutschland und Griechenland waren ihm egal. Kurz scheint ein öffentlichkeitswirksamer Autist zu sein.

Ronzheimers Buch endet mit Beginn der Koalition mit der rechtspopulistischen FPÖ unter Strache, das ist alles bereits Makulatur. Kurz gewann die nächsten Wahlen und koaliert mit den Grünen. Doch was ist in Europa? Nach Ängsten, dass er mit der FPÖ Österreich in Richtung Visegrád-Staaten und Russland führen könnte, wurde nach dem Brexit und während der Corona-Krise die Allianz der Frugalen Vier geschmiedet: Österreich, Niederlande, Dänemark, Schweden. Diese vier Länder sind eine wirtschaftliche Großmacht in der EU, wenn sie gemeinsam agieren.

Die Story des Autisten Kurz ist noch nicht zu Ende, und weil der von seinen sich immer wieder an die Situation angepassten wandelnden Positionen selbst überzeugt ist, sind Überraschungsmomente weiterhin möglich. In Österreich und in Europa.


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24.08.2020 um 02:21
Sieben Jahre in Tibet – Mein Leben am Hof des Dalai Lama
Heinrich Harrer
Das Buch basiert auf Harrers Erlebnissen in Tibet zwischen 1944 und 1951 während des Zweiten Weltkriegs und in der Zeit vor dem Einmarsch der Volksbefreiungsarmee in Tibet im Jahr 1950.

Es beschreibt die Flucht Harrers und seines Begleiters Peter Aufschnaiter aus einem britischen Internierungslager in Indien. Harrer und Aufschnaiter fliehen nach Tibet und reisen in die Hauptstadt Lhasa. Hier verbringen sie mehrere Jahre und Harrer beschreibt die zeitgenössische tibetische Kultur im Einzelnen. Harrer wurde im Verlauf der Zeit Lehrer und Freund des 14. Dalai Lama.



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24.08.2020 um 23:47
Carl Zuckmayer - Des Teufels General

Zuckmayer-General

Das 1946 in Zürich uraufgeführte dreiaktige Theaterstück stellt die Frage nach der Rechtmäßigkeit von Sabotage in einem diktatorischen Regime. General Harras, ein verdienter Kampfpilot des Ersten Weltkriegs, ist im Spätherbst 1941 verantwortlicher Leiter einer Flugzeugfabrik. Wegen Mängel bei der Legierung der Flügel stürzen immer wieder Kampfflugzeuge ab, Sabotage wird vermutet. Seitens der Partei wird Harras nach einer zweiwöchigen Gestapo-Haft ein Ultimatum gestellt, die Ursache herauszufinden. Als sich sein technischer Leiter Oderbruch zur Sabotage bekennt, begeht Harras in einer der manipulierten Maschinen Selbstmord, um die Sabotage nicht zu behindern.

Auch wenn das Handlungsgerüst nicht bis ins Letzte logisch durchdacht ist und vor allem Oderbruch wie die Sabotageorganisation blass bleibt, hat das Stück seine Stärken, vor allem im ersten und längsten Akt, als die Bonzen trotz Nahrungsmittelkontingetierung in einem Luxusrestaurant feiern, als ob es kein Morgen gäbe: hohe Militärs, Parteibonzen (im Nebenraum Göring), Wirtschaftsbosse, Schauspielerinnen. Harras selbst wird als Säufer und Weibernarr gezeichnet, wenn auch nicht unsympathisch, und er ist kein Parteimitglied, lehnt rassistisches Denken ab, versucht einen befreundeten jüdischen Arzt zur Flucht zu verhelfen (welche scheitert), nimmt sich auch kein Blatt vor den Mund, auch bei seinem Zweifel an den Endsieg. Aber ein Exil in den USA kam für ihn nie in Frage, da er kein Stuntpilot werden wollte.

Im zweiten Akt (in der Wohnung von Harras) wird die Möglichkeit aufgegriffen, dass die Gestapo selbst die Sabotageakte inszeniert, um Harras zu beseitigen, dieser Faden wird jedoch wieder fallengelassen. Ein junger Offizier namens Hartmann erzählt ihm auch von Erschießungen im Raum Lodz. Dieser junge Offizier wird am Ende des Stückes schließlich Adjudant von Oderbruch, von denen Harras hofft, dass sie die "Wurzel des Übels" angreifen und nicht Flieger in den Tod schicken.

Harras' Wunsch, sich selbst nicht anspucken zu müssen wegen des Wahnsinns, sieht er selbst jedoch nicht erfüllt, seine gescheiterte Rettungsaktion des jüdischen Chirurgen verharmlost er, weil doch jeder "seinen Gewissensjuden" habe, aber trotzdem "das Gemeine zugelassen" habe, den Massenmord an den Juden.

Berühmt ist das Stück wohl vor allem deshalb, weil so knapp nach Kriegsende die Schuldfrage thematisiert worden ist, noch dazu von einem berühmten Schriftsteller und gleichzeitig sehr ambivalent. Das Stück stellt mehr Fragen, als es Antworten gibt. Und die Hauptfigur des General Harras hat Zuckmayer seinem Freund und Fliegerhelden Ernst Udet nachgestaltet, der im November 1941 als Generalluftzeugmeister den Freitod gewählt hat, weil er Unterlagen gefälscht habe. Wie Harras im Stück wurde Udet ein Staatsbegräbnis zuteil.

Eine weitere Stärke des Stücks sind zum Teil sehr gelungene Dialoge, welche einem den Zwiespalt, in denen die Figuren sich befinden, nahegebracht werden, selbst wenn es manchmal aufgesetzt klingt und sich die Frage stellt, ob wirklich so offen gegen das Regime gesprochen worden ist.

Letztlich durchaus auch heute noch ein gewinnbringend zu lesendes Stück.


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26.08.2020 um 02:52
Die strahlende Kuppel (Perry Rhodan 3)

PR3

Im dritten Band offenbart sich das diktatorische Streben von Perry Rhodan. Der Außerirdische Crest kann von seiner Leukämie geheilt werden, doch die nun vereinten drei Supermächte versuchen die Schutzkuppel wegzuschießen, was nicht gelingt. Dafür finden sie heraus, dass durch Fusionsbomben der Neutronenschutz umgangen werden kann, der Atomwaffen verhindert. So gelingt es, am Mond das gestrandete Schiff der Arkon zu zerstören. Von den Arkoniden überleben nur Crest und Thora. Die vor ihren Simulationskonsolen träge verharrende Besatzung wird vernichtet. Mit Hilfe von Thora gelingt es, die Angreifer zu neutralisieren, und Rhodan gewinnt drei Top-Agenten der drei Supermächte auf seine Seite, die Rhodans Stützpunkt mit einem einem bakteriologischen Angriff hätten vernichten sollen.

Das Konzept ist eindeutig: Rhodan will diktatorische die Menschheit einigen, dazu braucht er die Technik der Arkoniden. So ist für ihn aber sowohl der Angriff auf den Energieschirm des Gobi-Stützpunktes "Die Dritte Macht" (komischer Name, es gibt schon drei Supermächte ... als ob da ein Konnex hergestellt werden sollte) als auch die Vernichtung des Arkoniden-Raumschiffs am Mond durch eine Koalition der drei Supermächte durchaus wünschenswert. Ziel ist ja, dass die Menschheit eine Weltraumzivilisation wird. Die "degenerierten" Arkoniden am Raumschiff, die nur vor Konsolen abhängen und gänzlich handlungsunfähig sind, sind als Hilfe nicht zu gebrauchen. Wer gebraucht wird, sind Crest mit seinem Wissen und Thora mit ihrem Aktivismus, auch wenn sie "weiblich" impulsiv charakterisiert ist und ihr mit Schuld an der Vernichtung des Raumschiffs zugeschrieben wird, da sie nicht daran gedacht hat, es umfassend zu sichern. Sie war mit einem "Beiboot" unterwegs zur Erde, um Crest zu retten und so auch Rhodans Gobi-Stützpunkt, da sie die Angreifer attackiert und so ein Durchbrennen des Energiereaktors des Schutzschilds verhindert.

Es ist eine militärische Männergesellschaft, die dominiert, streng hierarchisch und Frauen gibt es nicht, außer eben Thora, eine Kommandantin, die aber "typisch weibliche" Fehler begeht, aber hocherotisch ist.

Hier eine Zeichnung aus dem Original von 1961 (die Handlung spielt 1971), die Rhodan und Thora zeigt, wie sie sich in den Hirnen der Leser*innen festsetzen sollen (gezeichnet von Johnny Bruck). Im Laufe der Jahre wird der Typus, vor allem von Thora noch geändert werden:

Rhodan-Thora-1961Original anzeigen (0,2 MB)


Eine ausführliche Inhaltsangabe findet sich hier:
https://www.perrypedia.de/wiki/Die_strahlende_Kuppel

Infos zum Bild von Bruck:
https://www.perrypedia.de/wiki/Datei:PR0003Illu_2.jpg


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26.08.2020 um 13:09
Heinrich von Kleist - Der zerbrochene Krug

Kleist-Krug

Diese Komödie von Kleist, in der ein niederländischer Dorfrichter ertappt wird, dass er ein junges Mädchen erpresst und sexuell belästigt, ist vermutlich vielen bekannt. Den Aufbau ist auch aus "Columbo" bekannt: Es gibt eine Tat und der Täter wird gesucht. Nur dass hier der klumpfüßige Richter selbst der Täter ist. Gewürzt wird das Stück noch, dass das Dorfgericht just an diesem Tag von einem Revisor besucht wird, der Willkür und Finanzunregelmäßigkeiten in Dorfgerichten abstellen soll.

Um sich an die junge Eve heranmachen zu können, stellt Dorfrichter Adam (was für eine Namenswahl!) ihrem Verlobten einen gefälschten Rekrutierungsbefehl für Indonesien zu, und unter dem Vorwand, ihn von diesem Befehl entheben zu können, kommt Adam eines Abends in ihre Kammer. Der Preis ist klar: Sex. Ihr Verlobter, der bei Eve vorbeischauen will, ertappt ihn, schlägt ihm mit einer Türklinke zweimal auf den Schädel und Adam springt aus dem Fenster, verliert dabei seine Perücke und ein teurer Krug mit Malereien, die Themen aus der niederländischen Geschichte zeigen, geht zu bruch.

Während des Prozesses über den Ersatz des Kruges, bei dem Eve lange leugnet, dass jemand außer ihrem Verlobten Ruprecht im Zimmer war, verwickelt sich Adam bei seiner eigenartigen Prozessführung immer mehr in Widersprüche, bis schließlich die Wahrheit per Indizien an den Tag kommt:

- Die Perücke wird in einem Weinstock unter dem Fenster von Eve gefunden.
- Die Spuren im Schnee zeigen einen Klumpfuß und sie führen zum Haus des Dorfrichters.

Der Richter wird seines Amtes enthoben, sein strebsamer Schreiber Licht wird neuer Richter in Huisum (einem fiktiven Ort bei Utrecht).

Der beißende Spott Kleists richtet sich gegen provinzielle Amtswillkür und die Anmaßungen, denen die Bevölkerung von dörflichen Amtsträgern ausgesetzt ist. Dem kann durch die Bewohner alleine nichts entgegengesetzt werden, es bedarf der unbestechlichen Hilfe eines Rechtsstaats.

Obwohl das Stück nun schon mehr als 200 Jahre alt ist, manche Dialoge wirken heute immer noch und der beißende Spott entlockt so manchen Lacher.


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26.08.2020 um 18:02
@Narrenschiffer
Ich möchte mich gerne bedanken für deine jeweiligen Lektüre“berichte“.
Alles bekannte Werke der Weltliteratur, viele davon hat man wohl selbst schon gelesen.
Insofern erhält man immer eine praktische Zusammenfassung der Titel bzw. erkennt das schon Gelesene wieder.
Eine Frage von mir:
Stellst du die Buchkritiken immer selbst her oder übernimmst du einiges aus Literaturgeschichten?
Alles klingt für mich sehr professionell.

Ich selbst lese gerade
Leila Slimani, DANN SCHLAF AUCH DU
(Originaltitel CHANSON DOUCE)

Ein sehr bewegendes Buch der marokkanisch-französischen Autorin, bin noch nicht durch und buchstäblich hin und her gerissen......

Inhalt: Ein entsetzliches Verbrechen durch eine „Nanny“ steht am Anfang. Quasi vom Ende her wird der Hergang / werden die Ursachen aufgelöst....
Sehr interessant, bietet viel Stoff zum Diskutieren.


Erhielt den PRIX GONCOURT.


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26.08.2020 um 18:07
23BF6C4D-63E7-4259-9CDB-DFCEDD4094D5


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27.08.2020 um 00:41
@umma

Vielen Dank für die lieben Worte!
Zitat von ummaumma schrieb:Stellst du die Buchkritiken immer selbst her oder übernimmst du einiges aus Literaturgeschichten?
Ich schreibe das selbst, und zwar immer sofort nachdem ich ein Werk gelesen habe. Das hier ist mein Lesetagebuch, und wenn es irgendwen sonst noch interessiert, dann freue ich mich besonders. Der Hintergrund ist, ich lese gerne und viel, vergesse aber auch immer schnell, was ich gelesen habe. Hier habe ich dann auch einen Ort, an dem ich wieder nachschauen kann. Das ist der Grund, warum ich gerne auch noch ein wenig recherchiere. Aber meine Texte hier sind heiß mit der Nadel gestrickt ;)


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27.08.2020 um 08:49
@Narrenschiffer
Aber gerne!

Die Idee mit dem Lesetagebuch ist klasse.
Habe ich früher auch gemacht, vor allem im Urlaub, als ich stapelweise Bücher mit hatte....
Ich war da in einer Gegend, wo außer mir niemand! las / liest.
Und meine „Fluchten“ aus dem kulturellen Niemandsland dort war dann das Lesen.
Heute sehe ich auch eine ganz große Bedeutung des Lesens bei unserer durch Corona eingeschränkten Lebensweise.

Wie sehen das die anderen hier?

Darf ich neugierig sein? Hast du beruflich mit Literatur zu tun?

Bei mir traf das zu.


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27.08.2020 um 14:10
Zitat von ummaumma schrieb:Darf ich neugierig sein? Hast du beruflich mit Literatur zu tun?
Ich habe schon mal geantwortet, dass ich beruflich keine Rezensionen schreibe (so gut bin ich auch wieder nicht).

Ansonsten ist es in anonymen Foren ein stillschweigendes Übereinkommen, dass nichts über das Privatleben gefragt wird.


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27.08.2020 um 14:16
Ah, ok,

ich hatte schlichtweg vergessen, dass du das geantwortet hattest. Tut mir leid!

Und ok, ich werde nichts Privates mehr fragen.
Allerdings empfand ich meine Frage eher in Richtung „Beruf“, nicht Privatleben.
Ich wollte dir nicht zu nahe treten.


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28.08.2020 um 22:11
Ich lese gerade "Was wirklich wirkt: Kompass durch die Welt der sanften Medizin" von Dr. med. Natalie Grams.

Das Buch klärt über Pseudomedizin auf und gibt Ratschläge, wie man sinnvolle Therapien von Betrug unterscheidet.
Mir gefällt vor allem, dass sehr ausführlich erklärt wird, wie etwas im Körper funktioniert oder eben auch nicht.

Die Autorin glaubte früher mal an Homöopathie, war auch Homöopathin, bis sie stutzig wurde.

41sD8u2FSCL. AC SL1500

Ich habe das Buch einer Person geschenkt, die mir ständig Bücher über Engel und Selbstheilung aufdrängt, jetzt ist es mal umgekehrt (bis auf die Tatsache, dass ich sie vorher fragte, ob die es lesen möchte).
Ich hoffe, es nützt ein klein wenig was.


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28.08.2020 um 22:27
Zitat von LepusLepus schrieb:Engel und Selbstheilung
Hört sich nach meiner Nachbarin an.
Zitat von LepusLepus schrieb:Ich hoffe, es nützt ein klein wenig was.
Lass mal hören, wie die Reaktion ausfiel, würde mich interessieren.


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28.08.2020 um 23:05
Zitat von GrouchoGroucho schrieb:Lass mal hören, wie die Reaktion ausfiel, würde mich interessieren.
Mach ich, ich bin auch sehr gespannt.
Ich hatte schon mal ein Buch empfohlen, das wurde dann bis Seite 20 oder so gelesen und das war es dann - waren zu viele Fakten, die gegen das Traumweltbild verstoßen haben.
Hat sie selbst zugegeben, dass sie es deswegen nicht weiterlesen wollte.

Bei diesem Buch bin ich optimistischer, dass sie es liest, denn es ist wirklich gut geschrieben, wenig hart formuliertes und viele interessante Infos.


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