Schließe mich
@Solita an und setze auch eine etwas adventliche Geschichte ein....
Die drei Versprechen
Ein kleiner Junge war über Weihnachten auf Besuch bei seinem Großvater. Der Großvater war ein Holzschnitzer und gerade dabei, eine neue Krippe zu schnitzen. Der Junge setzte sich zu ihm und schaute dem Großvater ein wenig bei der Arbeit zu.
Daneben auf dem Tisch standen schone eine Reihe von fertigen Figuren, die Hirten, die Drei Könige, Maria und Josef. Der Junge war schon ein wenig müde, und so stütze er die Hände auf den Tisch, legte seinen Kopf hinein und schaute die Figuren an.
Auf einmal war ihm so, als wollten die Figuren lebendig werden. Ja, tatsächlich. Sie begannen sich zu bewegen und er konnte sogar mit ihnen reden. Es war ihm, als sei er mit einemmal mitten unter ihnen.
Und da konnte er nicht anders: Er ließ sich anstecken von den Hirten, die da zur Krippe liefen, und er rannte mit ihnen über die Felder bis hin nach Bethlehem, bis hin zum Stall. Denn er wollte das Jesuskind selber sehen.
Und wie er n den Stall trat, da lag es tatsächlich in einer Krippe. Es lächelte und schaute ihn ganz freundlich an. Und auch er musste es anschauen und ihre Blicke trafen sich.
Da wurde der Junge auf einmal traurig und Tränen kamen ihm in die Augen.
Das Jesuskind fragte ihn sofort: „Warum weinst du denn?“
Und er antwortete: „Weil ich dir doch nichts mitgebracht habe wie all die anderen hier.“
Das Jesuskind schaute ihn weiter an und sagte ganz ruhig: „Aber ich möchte tatsächlich etwas von dir haben!“
Da wurde der Junge vor Freude ganz rot im Gesicht und sagte gleich: „Du kannst von mir alles haben, was du willst. Wirklich alles!“
Aber das Jesuskind sagte: „Alles brauche ich nicht. Nur drei Dinge möchte ich von dir haben!“
Da fiel der Junge ihm schon ins Wort und schlug ihm vor: „Meinen neuen Mantel kannst du haben oder meine elektrisch Eisenbahn – oder das neue Buch mit den vielen Bildern ...“
Aber das Jesuskind schüttelte den Kopf: Nein, nein, das alles haben wir auch im Himmel, sogar noch viel schöner. Ich möchte etwas von dir geschenkt bekommen, was es im Himmel nicht gibt.“
Da bekam der Junge plötzlich wieder Angst, denn er hatte ja nun bestimmt nichts, was es im Himmel nicht schon geben würde. Und während er überlegte, sagte das Jesuskind: „Das erste, was ich mir von dir wünsche, ist: dein letzter Schulaufsatz.“
Da wurde der Junge sehr verlegen. Das Jesuskind hatte ihm den Wunsch ganz leise zugeflüstert, dass es die anderen nicht hören konnten. Und auch er beugte jetzt den Kopf ganz nahe zu ihm hin und flüsterte ähnlich leise: „Christkind“, kam es stotternd heraus, „da steht doch drunter: ungenügend.“
„Ja“, sagte das Christkind. „Eben, gerade deshalb möchte ich ihn von dir haben.“
Und noch während der Junge fragte: „Warum denn?“ wurde ihm selbst die Antwort plötzlich klar: Ungenügend! Das ist etwas, was es im Himmel nicht gibt!
Und er hörte das Jesuskind weitersagen: „Immer sollst du mir das geben, was in deinem Leben ungenügend ist. Versprichst du es mir?“
Und der Junge machte es ihm zum Versprechen.
„Nun kommt mein zweiter Wunsch“, sagte das Jesuskind, „ich hätte gern deine Kabatasse!“
Und wieder wurde es dem Jungen etwas unangenehm. Er schaute ganz hilflos hin und sagte: „Christkind, aber die habe ich doch heute morgen fallen lassen!“
„Ja“, sagte da das Christkind wieder. „Das ist das zweite: ich möchte in deinem Leben all das von dir haben, was du zerbrochen hast. Versprichst du mir, mir immer alles Zerbrochene zu geben?“
Und der Junge antwortete: „Ja!“
„Aber ich habe noch einen dritten Wunsch“, fing das Christkind noch einmal an. „Ich möchte die Antwort haben, die du deiner Mutter gegeben hast, als sie dich gefragt hat, wie die Kabatasse kaputt gegangen ist!“
Da senkte der Junge langsam den Kopf, er legte ihn auf den Rand der Krippe und begann leise zu weinen. Denn er hatte seine Mutter angelogen. Und nur unter Tränen brachte er mühsam hervor: „Ich – ich habe doch die Tasse selber umgestoßen und habe sie zu Boden fallen lassen.“
Und in warmem Ton sagte das Jesuskind zu ihm: „Du sollst mir immer, dein ganzes Leben lang, jede Lüge bringen; jeden Trotz und alles Böse. Versprichst du mir auch das?“ Das tröstete den Jungen, und er gab ihm auch dieses Versprechen.
Da wischte er sich die Tränen von den Augen, um das Jesuskind wieder richtig anschauen zu können – und da lag es plötzlich wieder reglos vor ihm in seiner Krippe. Und wie er weiter schaute, da waren alle Krippenfiguren wieder kleine reglose Holzfiguren geworden. Es war ihm, als sei er aus einem Traum aufgewacht. Aber die drei Versprechen, die er gegeben hatte, die hat er nie mehr vergessen – und sich daran gehalten.
Walter Baudet