Auszüge aus eurem Roman - Kurzgeschichten und Gedanken
06.11.2013 um 21:30
Ach was, wag ichs doch auch mal ...
Der Spielmann zieht durch das Land. Ein Auftrag und eine Aufgabe wurden ihm auferlegt, die ihm große Sorgen bereiten. Wie sich die Situation darstellt, besteht seine dringlichste Aufgabe vorerst darin einen sicheren Ort zu finden und zu überleben, denn er ist zu Tode erschöpft. Er zog bereits vor Jahren durch dieses Reich, ferner durch die Nachbarländer im Osten, Westen und im Süden, auf der Suche nach neuen Liedern.
Er folgte seinem Drang und wanderte, spielte, sang, lehrte und lernte. Er erwarb sich Wissen im Nachbarland, studierte und fand nichts Unrechtes dabei. Sieben Jahre weilte er fern der Heimat, nun ist er heimgekehrt, allein, er besitzt keine Heimat mehr. Seine Lehrer haben ihm in den ersten zwei Jahren seiner Abwesenheit Warnungen zukommen lassen, doch er konnte nicht glauben, was sie ihm kundtaten. Von den Lehrern lebt anscheinend keiner mehr. Sie antworteten nicht auf Briefrollen, selbst die Boten fanden nicht zurück. Vom Meisterbarden Egis hörte seit Jahren nicht einer ein Wort, kein Lied, keine Zeile, dabei lehrte er bei Hofe, eine Berühmtheit, weithin bekannt in den Nachbarländern. Andere flohen aus dem Königreich und redeten seltsames Zeug.
Der Spielmann erhielt keine Antworten auf seine Fragen, jetzt, wo er heimgekehrt war, nur Schläge und Beschimpfungen. Lange musste er suchen, bis er sein Elternhaus wiederfand, so überaus stark hat sich alles verändert, das Land, die Häuser und vor allem die Menschen. Seine Mutter hat ihre Sachen zerrissen und ist mit rußgeschwärztem Kopf durch die Straßen gelaufen, ihren Sohn zu betrauern, als sie ihn sah. Er kann nicht begreifen warum. Alles ist schlimmer als es je zuvor war. Drei Baronien und zwei Fürstentümer haben ihn in Schimpf und Schande davon gejagt. Er konnte sein Eigentum kaum retten vor der Wut der Bürger. In das Kernland des Reiches Sardis gelangt er nicht, der König ließ alle Grenzen schließen – für ihn wie für alle Fremden. Er wurde im Reich geboren, in der Baronie Seldom, doch kein Mensch erkannte ihn bis auf seine alte Mutter und die brach ihm beinahe die Nase, bevor sie zu trauern und zu heulen begann. Er findet die Wege seiner Kindheit und seiner Lehrzeit beim Barden aller Barden nicht mehr, der ihm beibrachte, was es zu lernen gibt für einen wandernden Spielmann. Er zieht schwer an seinem Karren mit den kostbaren, selbst angefertigten Instrumenten. Wenige Kleider blieben ihm, wenig Nahrung desgleichen, selbst einige seiner Bücher haben ihm aufgebrachte Bürger entrissen. Seine Last wird erhöht durch Hunger und Durst, Furcht und durch die Trauer um ein verlorenes Leben.
Regis, so heißt der Spielmann, streicht sich das Haar zurück und denkt nach, während er seinen Karren über die Straße zieht. Er trägt schulterlanges, hellbraunes Haar, doch die einst so gepflegten Locken hängen derzeit wirr um seinen Kopf, verdecken den Ohrring, der seinen Stand anzeigt, ein wandernder Barde. Sein Gesicht ist braun geworden unter der hellen Sonne und die hellbraunen Augen sehen fast farblos aus vor Erschöpfung. Ihm bleiben nur einige Stunden das Land des Barons von Seldom zu verlassen, und so blieb ihm allein diese Richtung, in die er gehen konnte. Er weiß nicht, was geschehen mag, wenn ihm die Baronie Newanis gleichermaßen feindlich gegenübersteht, wie die anderen, durch die er reiste. Er weiß nicht, weshalb er geprügelt und verjagt wurde, gleich wo er auftrat, gleich wo er hinkam. Niemand sprach zu ihm in den letzten Monden seiner Wanderung, er wurde schlicht verjagt und das zu brutal um Rückschlüsse ziehen zu können. Regis verlor die Hoffnung, denn ihm ermangelt es an Gelegenheiten ins sichere Nachbarland zurückzugelangen. Es wäre sein sicherer, grausamer Tod würde er versuchen den Weg zurück einzuschlagen und sonst gibt es keine Rettung. Damals, als ihm dieses Land noch vertraut erschien, war es Baron Olaf von Newanis, der hier regierte, und er hatte sich zu dieser Zeit mit einer schönen, jungen Frau verlobt, einem Fräulein von wundersamer Klugheit und Weisheit. Sie hat den Baron in der vergangenen Zeit wohl zu gesittetem Verhalten geführt, denn er war verschrien wegen seines rauen Tones und seiner groben Sitten. Regis Meister spielte auf dieser Verlobung, es muss neun Jahre her sein, und hat ihm in glühenden Farben vom rauschenden Feste berichtet, vom Schmausen, den Tänzen und vom Gerede, denn das Fräulein war gar jung. Newanis war fruchtbares Land, schöne Dörfer, drei große Marktstädte und eine wundervolle Burg am Fuße der Berge, Burg Newanis von Newanis. Newanis, in das er lebend zu gelangen hofft, war eines der reichsten und schönsten Länder im Reiche. Er vermag nicht zu hoffen, dass das Unheil vor dieser Baronie Halt machte, und dass er eine gesunde Landschaft wieder sieht, voller freundlicher Menschen, die seine Sprache sprechen und die ihn nicht verjagen. Sein eigenes Land erschien ihm grau, die Häuser mit Zeichen des Verfalls gezeichnet, die Städte so leer wie die Gesichter der Menschen, nur Hass auf ihn mit seinen Neuigkeiten, sah er in allen Mienen gleichermaßen.
Mühselig zieht er seinen Karren die Straße entlang. Es ist staubig und trocken in dieser Jahreszeit, selbst die Tiere fliehen der Hitze. Die Felder sind öd, abgeerntet und verlassen. Nirgends findet er Schatten oder einen Schluck zu trinken, nirgends darf er verweilen und ausruhen. Nur wenige Menschen reisen so spät im Jahr, die Zeit der Händler und der Märkte ging zu Ende. Jeder sucht sich jetzt einen guten Platz für die beginnende Trockenzeit, wo alles Grün erlischt und nur an den großen Flüssen noch Leben bestehen kann. Die Tiefbrunnen sind gewartet und erneuert und nur für ihn scheint es keinen ruhigen Platz zu geben. ...
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