@sterntaucherGuten Morgen und vielen Dank, dass du wieder für das Frühstück gesorgt hast.
;)Zumindest was die im Raum stehende Angststörung von Pistorius anbelangt, kann ich mir ebenfalls nicht vorstellen, dass diese Störung einen Ausprägungsgrad aufweist, der seine Steuerungsfähigkeit erheblich beeinträchtigt. Nur dann käme ja eine verminderte Schuldfähigkeit und somit ggf. eine Strafminderung in Betracht.
Ich kann dies nur als Laie bewerten, aber für mich gibt es zu viele Aspekte, die belegen, dass diese Angst vor Kriminalität und insbesondere Einbrechern nicht übermäßig stark war.
Dass er häufig eine Waffe mit sich führte, ist meines Erachtens nach eher seiner ausgeprägten Waffenbegeisterung und weniger einer extremen Angst geschuldet. Das Leben in einer gesicherten Anlage und das Verschließen der Schlafzimmertür halte ich allein nicht für besonders aussagekräftig, da dies angesichts der hohen Kriminalitätsrate auf viele weitere Südafrikaner zutreffen wird.
Die bereits von Nel angesprochenen Umstände (unrepariertes Fenster, freie Zugänglichkeit von Leitern im Garten, entspanntes Einschlafen trotz offener Balkontür, Verzicht auf die Überprüfung der vollständigen Funktionsfähigkeit der Alarmanlage) verdeutlichen, dass die Störung nicht übermäßig ausgeprägt gewesen sein kann. Auch die Psychiaterin bestätigte ja, dass dies für einen unter Angststörung Leidenden untypisch sei. Es wird hier jedenfalls deutlich, dass seine Ängste nicht den Alltag beherrschten.
Auch vermisse ich in seiner Darstellung die explizite Erwähnung der typischen körperlichen Symptome einer Angststörung (Herzklopfen, Pulsbeschleunigung, Schwindel, Schweißausbruch, Zittern, Beben, Mundtrockenheit, Hitzewallungen, Sprachschwierigkeiten, dazu Atembeschwerden, Beklemmungsgefühl etc.).
Insbesondere aber auch OPs Vorgehen in der Tatnacht (nach seiner Version) zeigt für mich, dass er recht überlegt gehandelt ist. Dies spricht – unabhängig davon, ob er ein flight oder fight-Typ ist - gegen eine Panikreaktion, in der man kopflos nur noch irgendwie auf seine übermäßige Angst reagiert.
Er aber hat sich zunächst bewusst bewaffnet, er hat die Pistole geholt, aus dem Holster genommen und entsichert. Er hat sich dann genau überlegt, wann er leise spricht (mit Reeva), wann er ruft (in Richtung der Einbrecher), wann er sich ruhig verhält, wann er sich schnell oder langsam fortbewegt. Auf einen Warnschuss hat er bewusst verzichtet, weil er sich selbst hätte treffen können. Auch die Information, dass er bewaffnet ist, hat der dem Einbrecher bewusst vorenthalten, um diesen nicht zum Angriff zu provozieren. Insgesamt ist dies für mich ein zu überlegtes Handeln. In einer Paniksituation hätte ich erwartet, dass er überhaupt keinen klaren Gedanken mehr fassen konnte. Nur dann könnte man meiner Meinung nach auch davon sprechen, dass seine Steuerungsfähigkeit erheblich beeinträchtig war.
Diese Bewertung gilt für mich unabhängig davon, welche Störungen bei OP evtl. festgestellt werden. Die Art und Weise, wie er vorgegangen ist, zeigt in meinen Augen ein bewusstes, wohl überlegtes Vorgehen. Dies spricht gegen eine fehlende oder eingeschränkte Steuerungsfähigkeit.
Ich bin natürlich dennoch gespannt, was die Begutachtung erbringt. Auch wenn OP wohl rechtlich nicht dazu gezwungen werden kann, gibt es einen faktischen Zwang, sich der Untersuchung zu stellen, wenn er möchte, dass ggf. zu seinen Gunsten eine verminderte Schuldfähigkeit festgestellt wird.
Ich hoffe, dass er keine Gelegenheit hat, sich mit fachlicher Unterstützung gezielt auf die Befragungen vorzubereiten, um diese ggfs. in seinem Sinne zu manipulieren. Allerdings bin ich auch etwas skeptisch, dass ihm eine überzeugende Vorstellung über die lange Dauer gelingen würde. Auf sein Kreuzverhör hatten ihn seine Anwalte sicher auch anders vorbereitet. Er konnte oder wollte sich aber wohl nicht durchgehend an deren Ratschläge halten. Dies macht mir Hoffnung, dass es ihm im Rahmen der Begutachtung ebenfalls nicht gelingt, auch wenn ein letzter Rest Skepsis verbleibt.
Ich muss leider gleich wieder weg. Wünsche allen ein schönes Wochenende!