Ich hab mal ein bisschen zum Thema SA, Mental Disorder und Mental Illness gegooglet. Diese Seite ist höchst interessant:
http://www.who.int/mental_health/policy/who_resource_book_german.pdf (Archiv-Version vom 19.05.2008)Vorsicht, ewig lange! Ein Auszug (auch schon lang genug
;)Was bietet diese Materialsammlung?
In den Kapiteln und Anhängen dieses Buches finden sich zahlreiche Beispiele, die auf
unterschiedlichen Erfahrungen und Praktiken beruhen, sowie Gesetzesauszüge und sonstige
gesetzesbezogene Dokumente verschiedener Staaten. Die Beispiele sind keine Empfehlungen oder
„Modelle“, deren Nachahmung nahegelegt wird, vielmehr sollen sie veranschaulichen, was die
verschiedenen Staaten im Bereich psychische Gesundheit, Menschenrechte und Gesetzgebung
unternehmen.
Drei wesentliche Aspekte wirksamer Gesetzgebung werden herausgestellt: die
Rahmenbedingungen, der Inhalt und das Verfahren. Es handelt sich somit um die Fragen:
„Warum?“, „Was?“ und „Wie?“ im Hinblick auf die Gesetzgebung zur psychischen Gesundheit.
Darüber hinaus enthält Anhang 1 eine Checkliste für Gesetze zur psychischen Gesundheit, die
zusammen mit dieser Materialsammlung eingesetzt werden kann. Die Checkliste soll Staaten dabei
unterstützen, ihre Gesetze zur psychischen Gesundheit auf die Berücksichtigung wichtiger Faktoren
zu überprüfen und sicherzustellen, dass die umfassenden Empfehlungen der Materialsammlung
sorgfältig analysiert und umgesetzt werden.
In Kapitel 2 geht es um die Definition "Mental Illness" und "Mental Disorder":
Definitionen
Aus den gesetzlichen Definitionen folgen Auslegung und Bedeutung der verwendeten Begriffe. Klare
und unzweideutige Definitionen sind ausgesprochen wichtig für diejenigen, die das Gesetz verstehen
und umsetzen müssen sowie für die Bereiche der Öffentlichkeit, die von dem Gesetz betroffen sein
können, wie dies bei Patienten und deren Angehörigen der Fall ist. Auch für die Gerichte sind die
Definitionen hilfreich, da sie ihre Urteile auf der Grundlage der festgelegten Definitionen fällen.
Eine wichtige Funktion der Definitionen besteht üblicherweise in der Identifikation der Adressaten
oder der Begünstigten des Gesetzes.
3.1 Psychische Krankheit (Mental Illness); Psychische Störung (Mental Disorder)
Die Definition des Begriffs „Psychische Störung“ (Mental Disorder) ist schwierig, da es sich nicht um
einen bestimmten Zustand, sondern um verschiedene Störungen handelt, die gewisse
Gemeinsamkeiten aufweisen. Welche Störungen von der Definition erfasst werden bzw. erfasst
werden sollten, wird intensiv diskutiert. Der Umfang der Definition kann von erheblicher Bedeutung
sein, z. B. wenn eine Gesellschaft darüber entscheidet, in welcher Form und Schwere eine
psychische Störung vorliegen muss, damit nicht freiwillige Behandlung und Dienste in Frage
kommen.
Die von den nationalen Gesetzgebern festgelegten Definitionen der psychischen Störung (Mental
Disorder) sind von zahlreichen verschiedenen Faktoren abhängig. Zunächst einmal bestimmt der
Gesetzeszweck den genauen Umriss dieser Kategorie. Eine Gesetzgebung, die sich vorwiegend mit
nicht freiwilliger Einweisung und Behandlung befasst, mag den Begriff daher auf schwere Fälle einer
psychischen Störung beschränken. Dagegen wird eine Gesetzgebung, die sich den positiven
Rechten widmet, den Begriff der psychischen Störung möglicherweise so weit wie möglich
definieren, damit die gesetzlichen Rechte allen Menschen mit psychischen Störungen zugute
kommen. Die Definition von psychischer Störung hängt auch vom sozialen, kulturellen,
wirtschaftlichen und rechtlichen Zusammenhang in den verschiedenen Gesellschaften ab. Diese
Materialsammlung will keiner bestimmten Definition den Vorzug geben; vielmehr sollen dem
Gesetzgeber und sonstigen Personen, die an der Ausarbeitung von Gesetzen beteiligt sind, die
zahlreichen Möglichkeiten und die damit verbundenen Vor- und Nachteile der verschiedenen
Definitionsansätze vor Augen geführt werden (s. Tabelle 1).
Viele Betroffenenverbände wenden sich gegen die Verwendung der Begriffe „Psychische Krankheit“
(Mental Illness) und „Psychisch gestörter Patient“ (Mental Patient), da diese Begriffe ihrer Meinung
nach den dominierenden Einfluss des medizinischen Modells stärken. Die meisten internationalen
klinischen Dokumente vermeiden es, den Begriff „Psychische Krankheit“ (Mental Illness) zu
verwenden und sprechen stattdessen von „Psychischer Störung“ (Mental Disorder) (s. z. B.
Internationale Klassifikation psychischer Störungen: Klinisch-diagnostische Leitlinien (ICD-10))
(WHO, 1992) (Classification of Mental and Behavioural Disorders: Clinical Descriptions and
Diagnostic Guidelines (ICD-10)) und Materialsammlung für Diagnose und Statistik betreffend geistige
Störungen (DSM-IV) (Diagnostic and Statistical Resource Book on Mental Disorders (DSM-IV))
(American Psychiatric Association, 1994)). In ICD-10 wird darauf hingewiesen, dass der Begriff
„Störung“ (Disorder) verwendet wird, um den problematischen Gebrauch von Begriffen wie
„Krankheit“ (Disease) oder „Erkrankung“ (Illness) weitgehend zu vermeiden. „Störung“ ist kein
exakter Begriff. „Seine Verwendung in dieser Klassifikation soll einen klinisch erkennbaren Komplex
von Symptomen oder Verhaltensauffälligkeiten anzeigen, die immer auf der individuellen und oft
auch auf der Gruppen- oder sozialen Ebene mit Belastung und mit Beeinträchtigung von Funktionen
verbunden sind. Soziale Abweichungen oder soziale Konflikte allein, ohne persönliche
Beeinträchtigungen sollten nicht als psychische Störung [mental disorder] im hier definierten Sinne
angesehen werden“ (WHO, 1992).
Der Begriff „Psychische Störung“ (Mental Disorder) kann geistige Erkrankungen, geistige
Entwicklungsstörungen (diese werden auch als geistige und intellektuelle Behinderungen
bezeichnet), Persönlichkeitsstörungen und Substanzenabhängigkeit umfassen. Nicht für jeden fallen
alle diese Phänomene unter den Begriff „Psychische Störung“, dennoch gelten viele
gesetzgeberische Fragestellungen, die sich auf Erscheinungsformen wie Schizophrenie und bipolare
Depression beziehen, gleichermaßen für andere Erscheinungen wie z. B. geistige
Entwicklungsstörungen, so dass einer weiter gefassten Definition der Vorzug gegeben wird.
Menschen mit geistigen Entwicklungsstörungen sind oft denselben Diskriminierungen und
Misshandlungen ausgesetzt wie Menschen mit schweren geistigen Erkrankungen, und die
erforderlichen gesetzlichen Schutzmechanismen sind bei den beiden Gruppen häufig
deckungsgleich.
Dennoch unterscheiden sich beide Gruppen auch deutlich voneinander, z. B. im
Hinblick auf die kurz- und langfristige Einwilligungsfähigkeit. Von staatlicher Seite muss daher
entschieden werden, ob ein einheitliches Gesetz oder verschiedene Gesetze benötigt werden. Wenn
geistige Entwicklungsstörungen in die Gesetzgebung zur psychischen Gesundheit einbezogen
werden, müssen ausreichende Schutzmechanismen getroffen werden, damit geistige
Entwicklungsstörungen nicht mit „sonstigen“ Formen der psychischen Störung gleichgesetzt werden.
Ein einheitliches Gesetz kann insbesondere in solchen Staaten von Bedeutung sein, in denen
aufgrund von z. B. knappen Ressourcen keine zwei gesonderten Gesetze ausgearbeitet und
erlassen werden können.
Von dieser Möglichkeit wurde in Südafrika Gebrauch gemacht .
Allerdings wurden zwar sowohl geistige Erkrankungen als auch geistige Entwicklungsstörungen in demselben Gesetz zur psychischen Gesundheit geregelt, doch soweit nur die eine oder die andere Form gemeint war, wurde dies in den entsprechenden Abschnitten präzisiert. In vielen Rechtskreisen (z. B.
Indien) sind geistige Entwicklungsstörungen ausdrücklich vom Geltungsbereich der Gesetzgebung
zur psychischen Gesundheit ausgeschlossen und stattdessen in Sondergesetzen geregelt.
Die Einbeziehung von Persönlichkeitsstörungen in die Definition von psychischer Störung ist
gleichermaßen kompliziert. In klinischer Hinsicht werden Persönlichkeitsstörungen als ein Bereich
des Spektrums von psychischer Störung angesehen, und dies geht auch aus deren Einbeziehung in
Klassifikationssysteme wie ICD-10 und DSM-IV hervor. Es bestehen jedoch Zweifel an der Gültigkeit
und Zuverlässigkeit der Diagnose zahlreicher Unterarten der Persönlichkeitsstörung. Darüber hinaus
wirft die Behandlungsfähigkeit von Persönlichkeitsstörungen Fragen auf. Auch wenn es für die
meisten Arten von Persönlichkeitsstörungen bislang nur wenige umfassend validierte und breit
anerkannte Behandlungsmethoden gibt, so mehren sich doch die Beweise für eine tatsächliche
Behandlungsfähigkeit vieler solcher Störungen (Livesley, 2001; Sperry, 2003). Wenn eine bestimmte
Erscheinungsform nicht auf die Behandlung reagiert oder keine Behandlung verfügbar ist, sind nicht
freiwillige Einweisungen der Betroffenen in psychosoziale Einrichtungen schwer zu rechtfertigen. Es
ist jedoch anzumerken, dass die Gesetzgebung vieler Staaten eine Schutzinternierung von
Menschen zulässt, die schwere Störungen aufweisen und auf die verfügbaren
Behandlungsmöglichkeiten nicht reagieren; obgleich es zahlreiche Stimmen gibt, denen zufolge dies
nicht Zweck der Gesetzgebung zur psychischen Gesundheit sein sollte.
Eine weitere Gefahr der Einbeziehung von Persönlichkeitsstörungen in die Gesetzgebung zur
psychischen Gesundheit ist die Tatsache, dass in vielen Staaten Persönlichkeitsstörungen
diagnostiziert wurden, um diese zum Nachteil gefährdeter Gruppen einzusetzen, insbesondere
gegenüber jungen Frauen, wenn diese nicht den vorherrschenden sozialen, kulturellen, moralischen
und religiösen Vorgaben entsprachen. Politische Dissidenten und Minderheiten sind ebenfalls der
Gefahr ausgesetzt, mit einer Persönlichkeitsstörung diagnostiziert zu werden, wenn sie Positionen
beziehen, die den landesüblichen Normen widersprechen