Zum aufgefundenen Gedicht (Spekulationen meinerseits):
Authentizität:
Ich gehe davon aus, dass die Texte authentisch sind und nicht von einer nichtbeteilitgen Drittperson gemacht wurden, sondern vom Täter (oder ev. Mitwisser). Ansonsten müsst ihr nicht weiterlesen. Für die Authenzität spricht zunächst die Verwendung des Begriffs Bachstein (ist eventuell Täterwissen, da vielleicht ein echter Stein aus dem Bachbett verwendet wurde - eben ein Bachstein). Ebenfalls wurde auch an anderer Stelle im Forum darauf hingewiesen, dass "Kälte kriecht vom Wasser der Rienz in dein Herz" auch als Metapher für die (ev. verzerrten) Erinnerungen an die Tötungsszenerie verstanden werden kann: Wahrscheinlich hat Ulrike teilweise IM kühlen WASSER gelegen und der Täter hat vielleicht noch einige Zeit bei der Getöteten verbracht, während diese ausgekühlt ist (besp. wegen Schock über seine Tat oder emotionaler Bindung an der verlorene Person) oder sich dies im Nachhinein so vorgestellt hat. Weiter muss der Verfasser wissen, wie es an der Rienz ausgesehen hat und welche Blumen/Pflanzen wuchsen. Bis 2007 gabs noch kein Google Streetview; man kann daher annehmen, dass der Verfasser die Gegend kennt und dort (nicht nur einmal) gewesen ist. Eventuell auch erst nach der Tat.
Gedichtsform:
Bei den gefundenen Texten handelt handelt sich wohl zwar um kurze Gedichte, aber wahrscheinlich nicht um ein "richtiges" Haiku. Der Verfasser versuchte wohl nicht ein echtes Haiku zu erschaffen (kurze Gedichtform in drei Sätzen), sondern einfach eine für den Verfasser kurze, poetische Aussage, die zu seinem inneren Treiben (psychische Auseinandersetzung mit der Tat) passt und den bis dahin aufgestauten Druck abbaut. Daraus schliesse ich: Er ist kein echter Literat mit Haiku-Kenntnissen, aber jemand mit einer gewissen sprachlichen Übung und Begabung.
Platzierung vor Ort:
Interessant ist natürlich, dass der Verfasser überhaupt solche Textzeilen aufgeschrieben und dazu noch am Tatort platziert hat. Zum einen spricht dies dafür, dass er über eine gute deutsche Sprache verfügt und sich für Literatur interessiert. Was ich sehr speziell finde: Dass die Person das Gedicht tatsächlich vor Ort hinterlegt hat und vielleicht sogar mehrfach NACH der Tat dort gewesen ist. Damit geht man doch ein grosses Risiko ein. In den Polizeiromanen gilt immer, dass Täter zum Tatort zurückkommen, was auch die Polizei weiss und eventuell Vorkehrungen trifft (hier leider nicht). Dies zeigt, dass der Täter eine starke Bindung mit dem Ort und auch der Tat hat. Es lässt ihn nicht kalt. Auch die Art, wie er das Gedicht hinterlassen hat, verweist auf den Verfasser: In Plastikfolie eingeschweist (Lamination). Alternativ könnte man den Text einfach in eine wasserdichte Box o.ä. geben. Einen Text in Platikfolie einzuschweissen legt nahe, dass die gesuchte Person Zugang zu einem solchen Gerät hatte und mit dem Verfahren vertraut war (ich bspw. kenne viele Lehrer, die solche Geräte bei allen möglichen Anlässen verwenden). Müsste der Verfasser das Gedicht hingegen in einem Kopiershop laminieren lassen, so geht er ein unkalkulierbares Risiko ein: Die Fachperson des Shops könnte ja den Text lesen, über den Inhalt misstrauisch werden oder sich im Nachhinein durch den in der Presse abgedruckten Text erinnern.
Motive:
1) "Das Leben geht weiter, als ob es dich nie gegeben hätte..." ist für mich ein Hinweis, dass der Verfasser das Gefühl hat, dass sich seit der Tat nichts geändert hat (was für ein Hohn für die Eltern von Ulrike!) und nimmt dies als Belastung war, weshalb er es der Welt mitteilt. Offensichtlich hat die Tat keinen Einfluss auf seine (Aussen-)Welt (niemand weiss oder ahnt etwas). Dies könnte man als Hinweis sehen, dass es nur einen Täter gibt. Nur dann kann ich mir vorstellen, dass sich im Leben nichts ändert und man den Druck mit der Zeit bekommt, dies nach Aussen zu tragen. Ich stelle mir vor, wenn es Mitwisser oder -täter gegeben hat, sich das Leben aus Sicht des Verfassers hätte ändern müssen und er auch Gelegenheit hätte, sich mit jemandem auszutauschen: Geheime Treffen/Telefonate, Absprachen, Austausch, Angst verraten zu werden, Wissen über den psychischen Druck der anderen Personen und deren Umgangsstrategien mit der Tat etc. Weiter deutet dies auf eine stabile Lebensituation hin, ansonsten bleibt ja sowieso nicht alles gleich oder kann so beschrieben werden.
2) "Herbstnebel streicht über Blut und Neid..." Dies sehe ich als Metapher dafür, dass die Erinnerung an die Tat mit der Zeit verblasst und Blut und NEID nachlassen. Hier fällt mir vor allem das Wort Neid auf (siehe auch vorheriger Beitrag von AnnaKomnene). Blut (=Tod) und Neid gehören zusammen. Weshalb kommt der Verfasser auf die Idee, von Neid zu schreiben? Neid auf wen oder was? An was hat er gedacht? Hier kann man nur spekulieren: Häufige Motive zu Neid sind Geld (Besitz) und Liebe (Partnerschaft). Hier gäbe es im Umfeld von Ulrike verschiedene Personen (=> Kontext von Ex-Freund Christian, Andreas, Ilse etc.) oder auch Bekanntschaften an der Party oder Zug nach Insbruck, denen sie näher gekommen ist. Insbesondere passt dieses Wort nicht zu einer reinen Anhalter- und Triebtat, wie hier im Forum praktisch immer angenommen wird. Ebenfalls passt sowieso die ganze Geschichte mit den Gedichten nicht dazu. Alternativen: Beziehungstat?
3) "...auf gefrorene Tränen." Auch hier die Frage, weshalb bei einer vermuteten Triebtat Tränen eine (wichtige) Rolle spielen sollten. Ich würde vermuten, dass Tränen bei der Tat nur dann von Wichtigkeit sind, wenn der Täter zum Opfer eine irgendwie geartete emotionale Bindung hatte. Alternativ denkbar wäre allerdings, dass Ulrike vor dem Tod am Tatort geweint hat, oder der Täter nach der Tat über seinen Fehler (Tat, Verlust?) geweint hat.
Mitwisser oder Einzeltäter:
Bereits oben habe ich festgehalten, dass ich von einer Tat ohne Mitwisser ausgehe. Wenn es aber doch einen Mitwisser gibt, könnte man sich fragen, ob es nicht auch eine Frau (Mitwisserin) gewesen sein kann. (Hinweis: Im Forum wurde glaube ich geschrieben, dass die gefundene Täter-DNA männlich ist). Hier gehen immer alle von Männern aus und im Vordergrund steht ein sexuelles Tatmotiv... Ist dies das einzig vorstellbare Motiv? Wie wäre es mit einem heftigen Streit (unter Einfluss von Drogen) mit Todesfolge?
Zum Meilenstein:
Obwohl im Gedicht für Sommer 99 noch nicht erwäht, wird der Meilenstein im Fühling 00 als ein FALSCHER Meilenstein bezeichnet. Ich würde davon ausgehen, dass damit gemeinst ist, dass der Stein bei Ehrenburg nur eine Kopie ist, das Original befindet sich im Museum in Bozen. Für mich stellt sich die Frage, weshalb der Verfasser überhaupt den Meilenstein erwähnt. Es gäbe wohl viele andere Varianten, wie beispielsweise "an dieser Straße mit dem ruhigen Gewässer liegt das Mädchen seit einem Jahr.". Es scheint, dass der Meilenstein für den Verfasser doch irgendwie wichtig (salient) ist. Weshalb? Interessiert er sich für (antike, römische) Geschichte? Hat der Stein irgend eine Rolle im Leben des Verfassers gespielt (Besichtigung auf Urlaubsreise, Studienarbeit, Beruf o.ä.)? Andererseits ist auch denkbar, dass der Verfasser sich NACH der Tat intensiv mit der Region Ehrenburg und Umgebung befasst hat und so auf den Meilenstein gekommen ist. Einen Hinweis genau darauf könnte sein, dass er chronologisch später vom falschen Meilenstein berichtet (sofern er die Zeilen tatsächlich wie angegeben aufgeschrieben und nicht mehr geändert hat).
Interpretation:
Alles in allem scheint mir, dass der Verfasser und damit der Täter über eine gewisse Intelligenz und Bildung verfügt (Inhalt des Gedichts). Er kann seine Gedanken und Emotionen in Worte fassen und verfügt über ein gewisses Vorstellungsvermögen. Interessen: Natur/Botanik, Literatur (belesen), Geschichte. Er kann überlegt, antizipierend vorgehen (Art und Weise der Platzierung). Damit gibt es eine gewisse Diskrepanz zur Tat an sich, welche ja nicht besonders durchdacht, rafiniert und risikoausschliessend durchgeführt wurde. Daraus schliesse ich, dass die Tat nicht geplant war, sondern irgendwann irgendwas ausgeartet und der Täter ausgetickt ist. Für mich deuten insbesondere die Gedichte darauf hin, dass es kein simpler Anhaltermord war, sondern die Geschichte komplexer ist und zwischen Täter und Opfer eine mindestens oberflächliche Beziehung/Bekanntschaft - wahrscheinlich bereits vor Insbruck - bestanden haben muss.
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Wikipedia: HaikuDie japanische Dichtung ist nicht silbenzählend, sondern quantisierend. Ein Haiku nach traditionellem Vorbild besteht aus einem Vers zu drei Wortgruppen à fünf, sieben und fünf japanischen Moren: 5-7-5. In Übertragungen oder Nachbildungen in europäischen Sprachen erscheint das Haiku diesen Wortgruppen entsprechend als Dreizeiler.
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http://www.kronplatz.net/ferienregion/kiens/()... nehmen Sie das Mountainbike und radeln den Pustertaler Radweg entlang nach Olang und entdecken dabei in St. Lorenzen die römischen Meilensteine oder das römische Verkehrssystem der damaligen Zeit. Denn auch damals mussten die Reisenden wissen, wie viel Weg bis zum Ziel noch vor ihnen lag. Zu diesem Zweck errichteten die Römer entlang der Straßen große Steinsäulen mit einem Durchmesser von bis zu 80 Zentimetern und einer Höhe von bis zu 3 Metern. Einen dieser Meilensteine hat man bei Ehrenburg auf der Straße „Am Römerweg“ nachgebaut. Das Original befindet sich im Südtiroler Archäologiemuseum in Bozen.