PurePu schrieb:Komplette Zustimmung. Darum ging es mir. Es müssen aber eben Beweise vorliegen oder zumindest ein geschlossener Indizienring. Dass es dann ausreicht, steht völlig außer Diskussion.
julia15 schrieb:Danke für den Hinweis auf Paragraph 261 :-) ....ich hatte ein Interview mit dem Anwalt von C.F. gesehen, wo er sagte, dass es seiner Meinung nach nicht zu einer Verurteilung kommen könne, da es keinen Nachweis gäbe wie sie zu Tode gekommen sei ...da es hierauf aber gar nicht ankommt
Na ja, so ganz ohne einen Tatnachweis kann keine Verurteilung wegen Mordes oder auch Totschlags stattfinden. Eine Verurteilung erfordert immer zunächst einmal den Nachweis, dass der Angeklagte den Tod des Opfers verursacht hat. Ohne das, geht gar nichts, da braucht man sich dann auch nicht mehr über Mordmerkmale oder sonst etwas zu unterhalten.
Nehmen wir mal ein Beispiel: Theodor beschliesst dem Ottokar in der Nacht den Garaus zu machen, da sich dieser an Zenzi herangemacht hat, auf die Theodor schon lange ein Auge geworfen hat. Er klettert über eine Leiter und durch das offene Fenster in Ottokars Schlafzimmer, und sieht Ottokar friedlich im Bett liegen. Er nimmt den mitgebrachten Knüppel und schlägt dem Ottokar den Schädel ein. Beim anschliessenden Herausklettern aus dem Fenster wird er von Zenzi gesehen, die glaubhaft aussagen kann, dass genau in dem Moment die Turmuhr der nahen St. Sebaldus Kirche 12 Uhr Mitternacht schlug.
Theodor wird verhaftet und wegen Mordes angeklagt. Inzwischen aber hat Dr. Allwisser, der bekannte Straubinger Gerichtsmediziner, den Obduktionsbefund erstellt, und der offenbart erstaunliches: Zwar wären die Verletzungen des Ottokar tödlich gewesen - wenn er noch gelebt hätte, aber Dr. Allwisser stellt fest, dass Ottokar in dieser Nacht einen tödlichen Herzinfarkt hatte, und zwar spätestens um 22 Uhr.
Da nun klar ist, dass Theodor den Ottokar nicht getötet haben kann, weil dieser bereits tot war, kann Theodor auch nicht wegen vollendetem Mord verurteilt werden.
Nehmen wir jetzt ein anderes Beispiel:
Zenzi möchte den Oskar loswerden, mit dem sie zwar schon 28 Jahre verheiratet ist, der aber regelmässig mit allen anderen netten Madeln im Dorf fremdgeht. Auf dem Oktoberfest trifft sie den Tomaso, der 34 Jahre lang bei der Mafia als Berufsmörder angestellt war, und sich auch im Ruhestand gerne noch etwas dazuverdient. Man wird sich einig, dass Tomaso den Oskar beseitigen soll. Tomaso hat seinen guten Ruf in der Branche dadurch erreicht, dass noch nie ein Opfer überlebt hat. Das liegt daran, dass Tomaso immer auf Nummer sicher geht.
Im Wirtshaus zum Goldenen Löwen setzt sich Tomaso am nächsten Abend neben den Oskar und mischt ihm eine tödliche Dosis Gift in das Weizenbier. Oskar trinkt das, und weil das Gift bereits beginnt zu wirken, geht er schnell nach Hause, denn er fühlt sich nicht wohl. Tomaso folgt ihm, und, kaum dass Oskar zu Hause ist, dringt er in Oskars Haus ein und schneidet ihm noch schnell die Kehle durch. Dann sticht er ihm den Dolch noch ins Herz, damit auch dieser Auftrag 100% erledigt ist. Ohne es zu wissen wurde Tomaso jedoch bei allem beobachtet.
Unser guter Dr. Allwisser steht bei der Obduktion vor einem Dilemma: Er kann beim besten Willen nicht sagen, an welcher der drei Taten genau der arme Oskar verstorben ist. Alles was er sagen kann ist, dass jede der drei Einzeltaten tödlich gewesen wäre, aber ob nun Oskars Herz aufhörte zu schlagen, als der Stich gesetzt wurde, oder weil genau in dem Moment das Gift wirkte, oder gar weil er an seinem Blut erstickt ist... es lässt sich nicht feststellen.
Dr. Allwisser ist untröstlich, denn er ist gerne sehr präzise. Aber vor dem königlich bayerischen Landgericht beruhigt ihn der Vorsitzende Dr. Moosburger und sagt: egal, wir verurteilen den Tomaso wegen Mordes.
Ich nehme an man versteht nun, dass es zwar unverzichtbar ist, dem Täter eine Tötung nachzuweisen, aber nicht unbedingt, wie diese Tötung exakt passierte.