@BoccerNein, ich weiß leider zu der Zeugensichtung in Tießau auch nichts Weiteres.
Im Bericht des Hamburger Abendblattes vom 31.5.1989 wird erwähnt, dass die Eheleute R. einen Ausflug in die Göhrde geplant hatten und dass sie zuletzt in Tießau gesehen worden sind. Es wurde sogar ausdrücklich erwähnt, dass sie im Lokal "Am Elbufer" gesehen worden waren. Suchaktionen in größerem Umfang wurden daher für die Umgebung des Lokals angekündigt. Im Abendblatt vom 1.6. wurde dann über die Suchaktion berichtet, an der 40 Beamte beteiligt waren. Es wurde sogar auf weitere Zeugen hingewiesen, die das Ehepaar noch zwischen 16 und 18 Uhr beim Radeln gesehen haben wollen.
Ich bin mir ziemlich sicher, dass diese Radelsichtung mit der Einweihung des letzten Teilstückes eines Radwanderweges am 19.5.1989 im Landkreis Lüchow Dannenberg zusammenhängt, der auch an Tießau vorbeiführt. In einem Zeitungsbericht des Hamburger Abendblattes vom 20.5.1989 wird ausdrücklich auch der schöne Ausblick auf das Steilufer in Tießau erwähnt, den der Radwanderer von der Deichkrone aus genießen kann.
http://www.abendblatt.de/archiv/article.php?xmlurl=http%3A%2F%2Farchiv.abendblatt.de%2Fha%2F1989%2Fxml%2F19890520xml%2Fhabxml890406_7248.xml&pdfurl=http%3A%2F%2Farchiv.abendblatt.de%2Fha%2F1989%2Fpdf%2F19890520.pdf%2FASV_HAB_19890520_HA_048.pdfEs ist ja möglich, dass Zeugen und auch die Polizei zunächst davon ausgegangen sind, dass auch das Ehepaar R. von diesem Ereignis in der Zeitung gelesen hat und diese neue Attraktion und einen Lokalbesuch in Tießau in ihr Ausflugsprogramm am Sonntag, den 21.5. eingebaut hat. Somit machte die Zeugensichtung im Lokal in Tießau auch Sinn. Vor diesem Hintergrund könnte ich es mir auch erklären, dass andere Zeugen die Vermissten beim Radeln gesehen haben wollen. Es waren sicherlich am Wochenende nach der Einweihung viele Radler unterwegs, darum haben auch Zeugen die Rs auf Fahrrädern gesehen, weil sie die Information mit dem Radeln mit den damals noch vermissten Rs verquickt haben..
Zumindest muss die Polizei anfangs von der Glaubhaftigkeit der oder des Zeugen ausgegangen sein der das Ehepaar in dem Lokal in Tießau gesehen haben will, denn ansonsten wären die Suchaktionen nicht veranlasst worden. Interessant wäre, ob der Zeuge die Rs kannte. Wenn er sie kannte, dann hat seine Aussage ohnehin mehr Gewicht, als wenn er lediglich Fremde aufgrund einer Personenbeschreibung erkannt haben will. Mein Bauchgefühl sagt mir, dass der Zeuge die Rs kannte und dass seiner Aussage daher zunächst auch einiges Gewicht beigemessen worden ist.
Dann später muss bei der Polizei ein Meinungswandel eingetreten sein, denn in der xy Sendung wird im Film bekanntlich eine Szene gezeigt, wo ein Polizist meinte, dass die Rs geplatzt sein müssen, wenn sie in all den Lokalen gegessen haben in denen sie gesehen worden sind. Das klingt so, als sei die erste Aussage über eine Lokalsichtung später vor allem durch eine Vielzahl weiterer Lokalsichtungen entwertet worden.
Natürlich kann man davon ausgehen, dass sich nach den Zeitungsberichten über die Sichtung in Tießau und dem Auffinden der Leichen in der Göhrde und den entsprechenden in den Zeitungen verbreiteten Zeugenaufrufen, weitere "Lokalzeugen" gemeldet haben. Dennoch denke ich, dass man gerade die erste Zeugensichtung in Tießau, die noch im Rahmen einer Aufenthaltsermittlung von vermissten Personen erfolgt sind, nicht so ohne Weiteres vom Tisch wischen kann. Skepsis ist vor allem bei den Aussagen von späteren "Lokalzeugen" angebracht, denn bei ihren Aussagen im Rahmen einer Mordermittlung kann es sich um "Nachahmungsaussagen" handeln. Leute haben gelesen, dass die Rs zuletzt in einem Lokal gesehen worden sind und dann verquirlen sie diese Information mit eigenen Beobachtungen in anderen Lokalen.Im weitesten Sinne stufe ich ein solches Aussageverhalten als Trittbrettfahrerproblem ein.
Bei den Mordermittlungen scheint eines der ganz großen Probleme gewesen zu sein, dass es aufgrund der schnellen öffentlichen Zeugenaufrufe zu viele Zeugenmeldungen gab. Die Polizei muss damit regelrecht überschüttet worden sein und wahrscheinlich konnte sie bald nicht mehr sauber auseinander halten welche Aussage glaubhaft ist und welche nicht. Wie soll das auch gehen? Damit gerät die Polizei bei der Bewertung von Zeugenaussagen ins Schwimmen, wenn es sonst keinerlei gesicherten Erkenntnisse ( Fahrpläne, Lokalrechnungen, Eintrittskarten etc) darüber gibt, wo die Rs genau hin wollten, was sie vorhatten und wo sie waren.