Die Göhrde-Morde
26.06.2014 um 10:09
Auf Wunsch noch ein Teil
Nach Siegmund Freuds Tiefenpsychologie
Der Wiener Neurologe und Psychiater Siegmund Freud, auf den die Tiefenpsychologie zurückgeht, stellte eine Theorie des Erlebens und Verhaltens auf, die besonders die Bedeutung des Unbewussten hervorhebt.
Nach ihm sind nur geringe Teile der seelischen Vorgänge im menschlichen Körper bewusst. Der Großteil der seelischen Vorgänge verschwindet unter die Oberfläche des Bewusstseins und ist dann im Vorbewusstsein und Unbewusstsein verfügbar.
Freud arbeitete mit unterschiedlichen Modellen, die er in seinem Leben nach und nach entwickelte und immer wieder veränderte, um die Persönlichkeit des Menschen zu erklären. Zu erst arbeitete er mit seinem Schichtenmodell und später mit dem Instanzmodell, das drei Persönlichkeitsintanzen beschreibt.
2.1.3 Das Schichtenmodell
In diesem Modell werden vorab die psychischen Inhalte und Vorgänge danach eingeteilt, ob sie bewusst sind oder nicht. Hier wird unterschieden zwischen unbewusst, vorbewusst und bewusst.
• Unter bewusst versteht man all die Vorstellungen, Gedanken und Wahrnehmungen, die ein Mensch jederzeit abrufen kann. Er hat also unmittelbaren Zugang zu seinen Gedanken und Gefühlen. Mit bewusst werden auch all diejenigen Ereignisse gemeint, die sofort bemerkbar sind.
• Seelische Vorgänge sind dann vorbewusst, wenn wir nicht sofort auf sie zurückgreifen können. Durch Bemühung und Nachdenken können sie dem Bewusstsein aber wieder relativ vollständig zugänglich gemacht werden.
• Vorstellungen, Gedanken, Wahrnehmungen und Gefühle, auf die wir nicht mehr zugreifen können, die aber immer wieder in unser Bewusstsein dringen und dadurch unser Erleben und Verhalten in großen Maße beeinflussen, nennt man unbewusst.
Zwischen dem Bewussten und Vorbewussten besteht also eine enge Beziehung. All unsere Gefühle, Erlebnisse und Gedanken, die sich im Bewusstsein befinden, waren davor im Vorbewusstsein. Nach einiger Zeit, in der wir nicht mehr an diese Gefühle, Erlebnisse und Gedanken denken, verschwinden sie wieder im Vorbewusstsein. Man kann also sagen, all unser Gedankengut befindet sich vor und nach dem Abruf im Vorbewusstsein. Es ist immer mit mehr oder weniger großer Bemühung abrufbar. Hierbei handelt es sich um verhältnismäßig leicht zugängliche Gedächtnisinhalte.
Anders hingegen sieht es mit dem Unbewussten aus, denn das Unbewusste ist die am schwierigsten zugängliche Schicht. Die Inhalte dieser Schicht können nicht durch bloßes Nachdenken ins Bewusstsein geholt werden. Es handelt sich dabei um Inhalte, die für uns bedrohlich oder beschämend sind und die deswegen ins Unbewusste verdrängt wurden.
So werden z.B. schlechte oder erniedrigende Erfahrungen, Gefühle oder Gedanken aus der Kindheit ins Unbewusste verdrängt. Dies können Erfahrungen mit gewalttätigen Eltern sein oder mit Eltern bzw. Elternteilen, die an einer Sucht leiden, wie z.B. Alkohol- oder Drogensucht. Aber auch abneigende Gefühle den Eltern gegenüber, die einem in der Kindheit nicht ausreichend Liebe und Sicherheit geschenkt haben, werden vorerst ins Unbewusste befördert. Diese Gefühle und Erfahrungen liegen dort aber nicht ungenutzt und unergiebig still, sondern werden immer wieder, ohne dass wir es merken, ins Bewusstsein verschoben und nehmen so großen Einfluss auf unser Erleben und Verhalten, aber auch auf unser Fühlen und Handeln.
Die unbewussten Inhalte der menschlichen Seele können aber nicht unmittelbar und umweglos beobachtet werden. Hierzu sind bestimmte Verfahren und Tests notwendig. Eine Hilfe dazu sind unter anderem unsere Träume. Sie zeigen uns in einem verschlüsselten Code auf, was in unserem Unbewusstsein vor sich geht. Sie bringen verdrängte Wünsche und Konflikte zum Ausdruck.
Eine weitere Methode ist die der freien Assoziation. Hierbei wird der Patient aufgefordert, all das, was ihm spontan einfällt sofort dem Analytiker zu berichten. Dieser versucht an Hand der spontanen Gedanken die geheimen Wünsche, Triebe, Absichten und Phantasien des Patienten zu ermitteln.
Durch einen Persönlichkeitstest werden ebenfalls verborgene Wünsche, Absichten, Gefühle, unbewusste Persönlichkeitsstrukturen und Phantasien zu Tage befördert. Hierzu muss der getestete Patient auf einen Fragebogen Antworten ankreuzen, die dann von dem Analytiker analysiert werden.
Über Fehlleistungen, die jedem Menschen einmal unterlaufen, werden ebenfalls unbewusste Absichten und Wünsche aufgezeigt. Unter Fehlleistungen versteht die Psychologie Handlungen, die scheinbar versehentlich passieren, die aber unbewusste Absichten zeigen. Dies sind Handlungen, in denen wir z.B. eine wichtige Telefonnummer verlegen, eine Verabredung vergessen oder Situationen, in denen wir uns versprechen.
Die drei Schichten der menschlichen Seele kann man mit einer Pyramide vergleichen. Wobei die Spitze der Pyramide das Bewusste darstellt. Der mittlere Teil stellt das Vorbewusste dar und der untere, größte Teil der Pyramide stellt das Unbewusste dar. Im unteren Teil einer Pyramide befindet sich für gewöhnlich die Schatzkammer mit dem Sarkophag. Dieser ist besonders gut vor Grabräubern geschützt, in diesem Falle vor unserem Bewusstsein. In der Pyramide sind zu diesem Zwecke Abwehrmechanismen eingebaut, durch die ein Durchkommen unmöglich gemacht werden soll. Je tiefer man in eine Pyramide vordringt, desto schwieriger wird das Vorankommen. Der Sarkophag ist in diesem Beispiel das Unbewusste eines Menschen. In die Spitze, also in unser Bewusstsein gelangt man relativ einfach. Wenn wir die Spitze verlassen um in den mittleren Teil der Pyramide zu gelangen, also in unser Vorbewusstsein, wird es schon schwieriger, aber man bewältigt dies mit ein wenig Willensanstrengung. Von dort aus allerdings zur Schatzkammer zu kommen, ist ein Hindernis, das wir nicht so einfach überwinden können. Hierzu benötigen wir den Bauplan der Abwehrmechanismen. Der Blauplan sind in diesem Beispiel die einzelnen Methoden, die im obigen Text beschrieben wurden.
Freud verglich sein Schichtenmodell mit einem Eisberg. Ich denke jedoch, dass es an Hand einer Pyramide besser zu erklären ist. Ein Eisberg kann schmelzen und es bleibt nichts als geschmolzenes Wasser übrig. Eine Pyramide hingegen kann einstürzen, genau wie die Menschliche Seele. Oft bleiben dann, wie bei der eingestürzten Pyramide, nur noch Trümmer übrig. Zur Veranschaulichung habe ich auf der nächsten Seite eine Grafik mit einer Pyramide eingefügt, um das Schichtenmodell verständlicher zu machen.
2.1.4 Das Instanzenmodell
Freud führt in diesem Modell drei Persönlichkeitsinstanzen auf, die in enger Wechselbeziehung zu einander stehen: Das ES, das ICH und das ÜBER-ICH. Durch diese starken Wechselbeziehungen der drei Instanzen wird die Persönlichkeit eines Jeden geformt. An Hand dieser Instanzen versucht er die Erlebens- und Verhaltensweisen der Menschen zu erklären. Zu erwähnen ist, dass es sich hierbei lediglich um Theoriemodelle handelt, die im wirklichen Leben nicht existieren.
Das ES
Das ES ist die elementarste Schicht und ist ab dem ersten Lebenstag vorhanden. Das ES beinhaltet alle Triebe, Wünsche und Bedürfnisse eines Menschen.
In dieser Instanz gelten keine Gesetze des rationellen Denkens, es kennt keine Wertungen wie gut und böse. Dem ES geht es allein um die Befriedigung seiner Triebe. Dabei spielt es keine Rolle, ob diese realisierbar oder moralisch annehmbar sind. Diese Persönlichkeitsinstanz gehorcht allein dem Lustprinzip. Das ES will sofortige Bedürfnisbefriedigung und nimmt dabei keine Rücksicht auf Verluste, Schmerz und Unbehagen. Daher drängen seine Impulse unmittelbar in unser Bewusstsein. Die Wünsche, Triebe und Bedürfnisse des ES richten sich immer auf ein bestimmtes Ziel oder auf ein bestimmtes Objekt.
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1 traumatische Erlebnisse: schmerzhafte, die Psyche beeinträchtigende Erlebnisse
Dazu können auch Personen und Personengruppen gehören.
So richtet sich die Triebbefriedigung eines Serienmörders auf das Objekt seiner Mordlust. Dies können z.B. favorisiert braunhaarige Frauen oder kleine Kinder sein.
Das ICH
Das Ich ist die Instanz, die sich bewusst mit der Realität auseinander setzt, mit unserem Denken und Handeln, Fühlen, Planen, Wählen, Urteilen und Werten. Das ICH entwickelt sich durch die Anforderungen unserer Umwelt. Dies können Anforderungen der Eltern gegenüber dem Kind sein oder das Gesetz gegenüber dem Bürger. Durch die Notwendigkeit, sich mit diesen Anforderungen auseinander zu setzen und sich mit der Umwelt zu befassen, um seine eigenen Bedürfnisse zu befriedigen kann das ICH erst entstehen.
Die Aufgabe des ICH besteht darin, die Bedürfnisse des ES so zu befriedigen, dass kein Schaden dabei entsteht. Es ist so zusagen der Vermittler der Wünsche des ES und der Anforderungen unserer Umwelt.
Daher wird das ICH auch als das Anpassungs- und Selbsterhaltungsorgan des Menschen bezeichnet. Das ICH handelt, nicht wie das ES nach dem Lustprinzip, sondern nach dem Realitätsprinzip. Es versucht die Triebe des ES solange aufzuschieben, bis sich ein günstiger Zeitpunkt ergibt, diese gefahrenlos zu befriedigen. Dies ist der Zeitpunkt, wo die Lust am meisten befriedigt werden kann und dabei am wenigsten Schmerz und negative Konsequenzen entstehen. Das ICH schiebt die Triebwünsche des ES also solange auf, bis diese mit den Anforderungen der Realität vereinbar sind.
Bei der Überprüfung des richtigen Zeitpunktes helfen die von Freud so genannten ICH-Funktionen. Jene sind das Gedächtnis, die Wahrnehmung, die Beherrschung des Bewegungsapparates, das Denken, das Sprechen und unser Beurteilungsvermögen. Diese ICH-Funktionen sind nicht seit dem ersten Lebenstag an vorhanden, sondern müssen erst im Laufe der Zeit und der individuellen Entwicklung geformt werden. Wie weit und wie schnell diese Funktionen aber entwickelt werden können, hängt von der individuellen Umwelt des Menschen ab, welche Möglichkeiten der Mensch zur Selbstbestimmung hat und von den Anregungen durch seine Umwelt.
Das ÜBER-ICH
Das ÜBER-ICH steht im starken Gegensatz zum ES, denn das ÜBER-ICH ist die Instanz der Wert- und Normvorstellungen und der Moral. So beinhaltet es, was zum Beispiel Eltern, Erzieher und Lehrer an uns herantragen und zu verinnerlichen versuchen. Dies sind moralische und sittliche Gebote und Verbote und die Wert- und Normvorstellungen einer Gesellschaft. Man könnte also sagen, dass das ÜBER-ICH unser Gewissen ist. Verrichten wir gute Taten, so belohnt es uns mit einem reinen, guten Gewissen („Ich habe eine reine Weste“). Tun wir hingegen Schlechtes, bestraft es uns mit einem schlechten Gewissen, welches wir oft deutlicher zu spüren bekommen als ein gutes Gewissen (Magenschmerzen, ein komisches Gefühl im Magenbereich). Das ÜBER-ICH ist also wie eine Prüfstation, welche an Hand eines Rasters prüft, ob unsere Wünsche und Triebe mit den verinnerlichten Wert- und Normvorstellungen vereinbar sind. Sind sie es nicht, bestraft es uns mit Gewissensbissen und Schuldgefühlen. Sind unsere Wünsche und Triebe aber mit den Wert- und Normvorstellungen vereinbar, so lässt es Gefühle wie Stolz und Eigenliebe entstehen. Das ÜBER-ICH arbeitet also nach dem Moralitätsprinzip, es kontrolliert an Hand der Moralvorstellungen unserer Umwelt, ob Wünsche und Triebe zugelassen werden können oder nicht.
Das Wechselspiel zwischen ES, ÜBER-ICH und ICH
Die Dynamik unserer Persönlichkeit wird durch das Wechselspiel zwischen den Wünschen und Trieben des ES, den Moralvorstellungen des ÜBER-ICH und den Realitätsbezügen des ICH geformt. Durch dieses Wechselspiel der drei Persönlichkeitsinstanzen und der Dynamik unserer Persönlichkeit verhalten wir uns in bestimmten Situationen charakteristisch.
Bei diesen Wechselspielen ist das ICH die Kraft, die am meisten ausgelastet ist. Denn sie ist der Vermittler zwischen ES und ÜBER-ICH und der Kontrolleur zur Realität.
Das ES zeigt Wünsche auf, die es befriedigt haben will, dass ÜBER-ICH muss diese aber erst auf Wert- und Normvorstellungen hin überprüfen. Die Aufgabe des ICH besteht nun darin, zu prüfen, wie stark die Norm- und Wertvorstellungen des ÜBER-ICH ausgeprägt sind. Je nach der Intensität der Gefühle, die das ÜBER-ICH entwickelt (Gewissensbisse, Schuldgefühle) entscheidet das ICH ob die Wünsche des ES zugelassen werden oder nicht. Werden Wünsche und Triebe des ES zugelassen, steuert diese das ICH. Wenn es die Realität zulässt, verwirklicht das ICH die Bedürfnisse des ES. Bedürfnisse, die nicht zugelassen werden können, müssen vom ICH abgewehrt und verdrängt werden.
Da das ÜBER-ICH die Bedürfnisse des ES bewerten und kontrollieren muss, ist ein Konflikt zwischen beiden unvermeidlich. Das ICH bekommt in so einem Falle die Aufgabe zugesprochen, den Konflikt zwischen diesen beiden Instanzen zu beseitigen, um ein Gleichgewicht zwischen ES und ÜBER-ICH herzustellen.
Gelingt es dem ICH nun aber nicht, zwischen den Triebbedürfnissen, den Wertvorstellungen und der Realität zu vermitteln, treten Ängste auf.
Die drei Grundformen der Angst nach Freud:
• Die Real-Angst, tritt dann auf, wenn eine Bestrafung der Triebwünsche durch die Umwelt droht;
• Die moralische Angst, wenn die Triebwünsche gegen übermächtige Gebote und Verbote des ÜBER-ICH verstoßen;
• Die neurotische Angst, wenn das ICH Angst hat, von der Stärke des Triebanspruches aus dem ES überwältigt oder zerstört zu werden.
Diese Ängste sorgen dafür, dass das ICH bestimmte Selbstschutzmaßnahmen und Mechanismen ausbildet, die diese Ängste abwehren.
Durch diese Abwehrmechanismen wird dem peinlichen, bedrohlichen und angstauslösenden Triebwunsch des ES der Zugang zum Bewusstsein verwehrt.