1988: Wathlingen (Celle) Mord an Regina Fischer
10.03.2015 um 20:34
Ich zitiere hier mal eine Stelle des XY-Filmbeitrages:
„Wie die nächsten 3 Stunden für Regina verlaufen sind lässt sich nur vermuten. Fest steht jedoch, dass die junge Frau nach dem Abschied von ihrer Freundin in ihre Wohnung gegangen ist. Das ergibt sich später für die Polizei daraus, dass sie die Schuhe gewechselt hat und einen Beutel Milch in den Kühlschrank stellt, den sie am Nachmittag gekauft hat. Fest steht auch, dass Regina trotz eines schweren Unwetters zwischen 20.30 Uhr und 20.45 Uhr die Wohnung verlassen hat, um ihren Freund in Munster abzuholen.“
Diese Passage erscheint mir etwas merkwürdig.
1. Woher weiß man so sicher, dass Regina ihre Wohnung genau zwischen 20.30 Uhr und 20.45 Uhr verlassen hat und nicht etwas früher oder später. Man kann zwar, wenn man die Leiche untersucht hat, den Todeszeitpunkt ziemlich genau bestimmen. Aber ich glaube nicht, dass man das damals schon auf 15 Minuten genau feststellen konnte. Selbst wenn das möglich war, so kann man die Fahrzeit nur dahingehend bestimmen, dass man die bis zum Tatort zurückgelegte Strecke nachmisst und mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit vom Todeszeitpunkt rückwärts rechnet und so die Abfahrzeit bestimmen kann. Ich rechne in diesem Fall aber mit erheblichen Ungenauigkeiten bei einer solchen Rechnung: Erstens wird diese Durchschnittsgeschwindigkeit nicht zu den Wetterverhältnissen passen. Zweitens weiß man nicht sicher, wie lang das Geschehen im Waldweg selber angedauert hat. Denn die Ermordung war ja nur der Abschluss des Geschehens. Ich halte es also bei einer derartigen Berechnung theoretisch für möglich, dass der Abfahrzeitpunkt schon vor 20.30 Uhr liegt.
Es gibt für mich nur eine plausible Erklärung, wie man auf diese Abfahrzeit kommt: Jemand hat die Abfahrt mitbekommen, eben weil der Satz „mach bloß keine Zicken“ für Nachbarn hörbar fiel. Das würde dann dafür sprechen, dass die Kripo davon ausgeht, dass der Täter tatsächlich schon bei der Abfahrt im Wagen war.
2. Merkwürdig finde ich auch, dass im XY-Film der Zeitraum zwischen Abschied von der Freundin und Abfahrt erwähnt wird und dieser Zeitraum zu den drei Stunden, über die Ungewissheit bestehen dazugerechnet wird. Vielleicht ist Regina schon auf ihren Mörder getroffen, bevor sie im Auto saß (in der Wohnung aufgelauert, an der Tür geklingelt etc.). Die Ausdrucksweise des XY-Films erweckt jedenfalls den Eindruck als ob man schon in diesem Zeitraum Ungereimtheiten nicht ausschließen kann oder hier Täterwissen nicht preisgegeben wird.
3. So seltsam das klingen mag, aber man könnte auch von einer Art Spontantat (für die XY-Kenner: ähnlich der Begehungsmethode im Schlümpfe-Fall von 1980 oder dem Briefkasten-Fall von 1985) ausgehen: Der Täter streift zu nächtlicher Zeit durch die Straßen, auf der Suche nach einem Opfer. Ich weiß ja nicht, wie die Gegend, in der Regina wohnte beschaffen war, aber möglich, dass dort vielleicht viele alleinstehende junge Menschen wohnten. Sobald eine Frau alleine aus einem der Häuser kommt, versucht er sich – nötigenfalls gewaltsam – mit ihr ins Auto zu begeben. Erst verwickelt er Regina vielleicht in ein kurzes flüchtiges Gespräch, fragt wo sie hin fahren will, um dann vorzugeben, dass er auch dort hin will. Sofern das keinen Erfolg hat, wird er aufdringlicher („mach keine Zicken“). Jedenfalls schafft er es, wie auch immer ins Auto zu kommen und mitzufahren. Dann würde sich aber die Frage stellen, weshalb die Fahrt in die ursprünglich geplante Richtung ging. Wenn der Täter Regina schon mit roher Gewalt ins Auto gezwungen hätte, hätte er sicherlich auch die Fahrtrichtung und das Fahrziel diktiert. Obwohl ein etwas rauerer Umgangston („mach keine zicken“) angeschlagen wurde, könnte also alles zunächst wie eine normale Autofahrt gewirkt haben.
4. Das kann mehrere Gründe haben: Kann sein, dass es ein Bekannter von Regina war, der sich gewöhnlich etwas proletischer verhielt, sodass Regina bei einem derartigen Umgangston keinen weiteren Verdacht schöpfte (dann wohl doch eine geplante Tat). Oder es könnte auch daran liegen, dass der Täter ein relativ fremder war und Regina wirklich ein Zufallsopfer. Der Täter kannte sich in der Gegend nicht aus und so diktierte er als Fahrziel „irgendwo in den Wald oder du bist auf der Stelle tot“. Regina fuhr dann in Richtung Celle, um dann (als letzten Hoffnungsschimmer) den Täter im Auto vielleicht so lang hinzuhalten, bis sie bei der Kaserne angekommen sind, wo dann Gernot auf sie gewartet hätte und die Tat fehlgeschlagen wäre. Auf andere Weise hätte sie wohl schwer auf sich aufmerksam machen können (Lichthupe oder dergleichen hätte der Täter sofort bemerkt). Ein auswärtiger ortsunkundiger Täter, der nur einen kurzen Aufenthalt in der Region hatte würde auch erklären, weshalb er beim DNA-Test nicht entdeckt wurde. Wenn es ein Bekannter von Regina gewesen wäre, so hätte Regina ihn sicherlich erkennt. Es hätte also kaum Sinn gemacht, sie nur mit einem Knüppel niederzuschlagen. Er hätte stattdessen sofort zum Messer greifen müssen. Dass er erst nur einen Ast oder dergleichen als Knüppel benutzt hat, spricht dafür, dass eine Bewusstlosigkeit des Opfers dem Täter ausgereicht hätte (z.B. um durch einen Zeitvorsprung) fliehen zu können. Das würde für einen vollkommen Fremden als Täter sprechen
5. Hier wird immer manchmal von einem hellen Mercedes gesprochen. Ich denke, dass der nicht zwingend dem Täter gehören musste. Das wäre nur eine Erklärung von mehreren. Ebenso wäre es möglich gewesen, dass er dem Jäger gehört hat, der ein paar hundert Meter weiter auf dem Hochsitz saß oder einem Autofahrer, der den Täter als Anhalter mitnahm. Warum dieser sich dann nicht gemeldet hat, bleibt unklar. Vielleicht hat er den Aufruf nicht mitbekommen. Scheinbar wurde der nur Regional kommuniziert und nicht bundesweit in Aktenzeichen XY.