ThoFra schrieb:Auch dass sie zunächst freiwillig verschwunden / "abgetaucht" ist, kann ich mir nicht vorstellen - warum ausgerechnet an diesem Abend, bei diesem miserablen Wetter, wo es ihr kaum möglich war, eine Mitfahrgelegenheit bis nach Hause, geschweige denn bis "sonst wohin" zu finden?
Der Streit mit Freund Joachim und der Ärger darüber, dass sie Silvester mit ihrer Familie verbringen "musste" erscheinen mir als Gründe nicht gravierend genug, auch nicht, wenn man in die Gedankengänge mit einbezieht, dass Teenies oft impulsiv und durchaus auch sehr spontan sind.
Wenn es diese Flucht gab, dann war sie an dem Abend sicher nicht "generalsstabsmäßig" geplant, sondern entwickelte sich nach und nach. Fakt ist: Das Verhältnis zur Familie, vor allem zum Vater, war nicht unkompliziert, um es einmal vorsichtig auszudrücken. Dann hat sie sich mehr oder weniger umvorhergesehen mit ihrem Freund gestritten, und zwar heftig. Ich habe die Schilderungen immer so interpretiert, als sei das eine Art Trennung gewesen.
Katrin ging es danach sicherlich miserabel. Das Wetter hat ihre Stimmung nicht gebessert. Und jetzt sollte sie nach Hause, zuhause hätte sie sich nicht nur heftige Vorwürfe für ihr Zuspätkommen anhören müssen, sondern sie hätte auch ihre Seelenlage vor den Eltern verbergen müssen, denn die wussten ja nichts von dem Freund und in Folge dessen auch nichts von einer Trennung. Stellt euch das mal vor! Eine UNERTRÄGLICHE Situation! Unter diesen Umständen wollte sie nicht nach Hause, kein Mensch würde das wollen. In solchen Situationen will man seine Ruhe zum Nachdenken, zum Weinen, oder vielleicht auch einen Vertrauten, mit dem man reden kann. Aber keine Vorwürfe wegen Zuspätkommen und kein gemeinsames Abendbrot mit Leuten, die von nichts eine Ahnung haben.
Ich schlage Folgendes als
Möglichkeit vor: Sie suchte stattdessen einen Vertrauten oder eine Vertraute auf. Entweder zu Fuß in Bergen selbst oder per Anhalter. Aber sie trampte eben nicht nach Hause, sondern zu einem Freund oder einer Freundin. Und dort heulte sie sich aus, man redete die ganze Nacht. Sie klagte darüber, wie schlimm alles sei, auch zuhause, dass sie sich wie in einem Gefängnis vorkomme und solche Sachen - und die Vertrauensperson glaubte ihr und versprach, ihr zu helfen. Sicherlich hat sie irgendwann den Landkreis verlassen. Aber kaum noch in dieser Nacht. Erst Tage später, als die Luft "zu heiß" geworden ist (auch die Reisetasche konnte man nun nicht mehr abholen) und man sich über eine weitere Perspektive klar geworden ist. Zur ersten Vertrauensperson hat sie sicherlich für einige Zeit den Kontakt aufrecht erhalten, schon aus Eigeninteresse.
Es kann natürlich sein, dass Katrin auf ihrem weiteren, abenteuerlichen Lebensweg doch irgendwann zu Tode gekommen ist. Möglicherweise sogar durch die erste "Vertrauensperson". Aber auch dann ist der Fall wesentlich komplexer als die schlichte Annahme, der erstbeste Autofahrer, der sie mitgenommen hat, hätte sie umgebracht.
ThoFra schrieb:Unterstützung durch eine erwachsene und volljährige Person - da wäre am naheliegendsten wohl zunächst einmal Joachim, Katrins damaliger Freund
Dass Joachim derjenige war, der ihr geholfen hat, bezweifle ich deshalb, weil Katrin ja definitiv an der Bushalteststelle (ohne Joachim) gesehen wurde. Und auch dem, was
@Triquetrum dazu geschrieben hat, schließe ich mich an.
Triquetrum schrieb:Auf der Straße als 15-jährige zu leben, ohne irgendwann mal in eine Kontrolle zu geraten, die dann auch ihre Identität hätte klären können, halte ich fast für ausgeschlossen.
Das stimmt.
FritzPhantom schrieb:Dann warst Du vielleicht ein Ausnahme-Teenager. Ich kenn eigentlich keinen 15-jährige/n, der/die sich nicht die Volljährigkeit herbeiwünscht, um endlich tun und lassen zu können, was man will.
Jeder Jeck ist anders. Ich finde es immer etwas komisch, wenn Leute (noch dazu Erwachsene) definieren wollen, wie ein Jugendlicher normalerweise zu sein hat.
Den typischen Jugendlichen gibt es genau so wenig wie
den Erwachsenen.
FritzPhantom schrieb:Wenn man mitansieht, wie Katrins Familie sich abquält, ihre Tochter zu finden, dann ist es schwer vorstellbar, dass sie irgendwo sitzt und sich ins Fäustchen lacht.
Dass sie sich "ins Fäustchen lacht", falls sie noch lebt, glaube ich auf keinen Fall. Aber jetzt
kann sie sich nicht mehr melden, undenkbar. Also
ich würde es an ihrer Stelle jedenfalls nicht tun. Auch wenn die Schwester sagt, sie würde ihr, wenn sie plötzlich wieder aufkreuzte, als Erstes eine Ohrfeige geben und sie dann in den Arm nehmen.
Und falls sie heute ein neues Leben leben sollte und keinen Kontakt mehr zu ihrer Familie herstellen wollte, dann sind zumindest
wir nicht diejenigen, die darüber zu richten und zu rechten haben. Und selbst eine "böse" Katrin wäre immer noch wünschenswerter als eine tote Katrin.