Der tragische Tod von Tanja Gräff
18.10.2014 um 07:34
Der Fall Tanja beschäftigt mich nun schon seit Jahren, obwohl ich sie nie gekannt habe, nicht einmal jemals in Trier war. Vor Kurzem habe ich dieses forum entdeckt und erst mal über 1200 Seiten Beiträge gelesen. Nun habe ich das geschafft, und würde gerne einmal meine Theorien vorstellen, um ein feedback zu erhalten. Wenn einiges schon einmal von anderen gesagt wurde, bitte ich das mir nachzusehen. Vielleicht aber ist so eine Zusammenfassung auch für andere ganz interessant.
Ich gehe zunächst von folgenden Prämissen aus, denn für eine gegenteilige Annahme gibt es keinerlei Beweise. Einige Prämissen sind notwendig, um überhaupt einen Ansatzpunkt für Ermittlungen zu haben.
1. Tanja war auf dem Fest. Ich weiss, dass es da eine gegenteilige Theorie gibt, meiner Meinung nach aber gibt es keine Beweise für diese, und die Zeugenaussagen zu Tanjas Anwesenheit auf dem Fest sind zahlenmässig und inhaltlich gefestigt genug, um diese nicht in Frage zu stellen.
2. Das letzte gesicherte Lebenszeichen von ihr gab es ca 4 Uhr am Morgen. Alle weiteren Sichtungen etc. sind nicht letztlich gesichert, aber Wert, näher betrachtet zu werden. Der öffentlichkeit nicht bekannt sind aber die Details, mit wem und wie sie den Abend und die Nacht bis 4 Uhr verbracht hat. Es sind Bruchstücke bekannt, der Polizei jedoch dürften mehr Details bekannt sein. Meine Gedanken etc. beziehen sich mangels insider Wissen natürlich nur auf das, was allen bekannt ist.
3. Es gibt Theorien, die eine grosse Verschwörung zwischen Polizei, Tanjas Familie, Tanjas Freunden und evtl. noch weiteren Personen behaupten. Die Ermittlungen seien absichtlich in die Irre geführt worden usw. Ich glaube, das ist Unsinn. Meiner Meinung nach hat die Polizei einige Fehler begangen, und es hat einige zumindest ungewöhnliche Verhaltensmuster bei den Freunden gegeben, aber mir ist kein sinistrer Zusammenhang erkenntlich. Daher gehe ich davon aus, dass die Polizei nach bestem Wissen und Können ermittelt hat, auch wenn das vielleicht nicht fehlerfrei war, und dass zumindest Tanjas Eltern über jeden Verdacht erhaben sind.
4. Viele Leute haben die erste XY Sendung gesehen und haben den dort dargestellten Verlauf des Abends verinnerlicht. Das ist ein sehr grosses Problem, denn wie sich später herausgestellt hat, ist die Darstellung in vielen Aspekten schlichtweg falsch: zum Beispiel die schon fast lächerliche Darstellung der "Gebüschler" als kiffende Hippietruppe. Zu den Details komme ich später. Jedoch ist es sehr wichtig, sich von der XY Darstellung inhaltlich ein wenig zu entfernen. Für manchen treuen XY Fan ist das eine unangenehme überraschung, aber XY hat nie vorgegeben, die Fälle 100% korrekt darzustellen. Es gibt tatsächlich sehr oft sehr weitgehende "künstlerische" Freiheiten.
So, von diesen Prämissen ausgehend, stellt sich der Fall so dar:
Tanja verbrachte den Abend zwischen ca 23 Uhr und 4 Uhr auf dem FH Fest. Dabei war sie laengere Zeit mit einer Gruppe zusammen, die aus näheren Bekannten, aber nicht unbedingt guten Freunden bestand. Tanja hatte zur Tatzeit keinen bekannten "festen Freund", keinen bekannten Konflikt mit einem ehemaligen "Freund" (im Sinne von lover). Es gibt Theorien, dass Tanja an einem Mitglied jener Gruppe etwas mehr interessiert war, aber dieses Interesse nicht unbedingt erwidert wurde. Es gibt auch überhaupt keine Anhaltspunkte dafür, dass Tanja in irgendwelche kriminellen Aktivitäten verstrickt war, sei es als Mitwisserin, Täterin, Zeugin etc. Und schon gar nicht in irgendwelche geheimdienstlichen Aktivitäten, wie ab und zu theoretisiert wurde. Weiterhin hat sich keinerlei Anhaltspunkt ergeben, dass Tanja zur Tatzeit mit ihrem Leben unzufrieden war, irgendwelche Pläne hatte, ihr Leben radikal zu ändern, auszuziehen, eine "Auszeit zu suchen," "abzuhauen" oder gar Selbstmord zu begehen.
Es ist wichtig sich über diese Dinge im Klaren zu sein. Natürlich lässt sich nie etwas 100% ausschliessen oder behaupten, aber ein Ermittler muss bestimmte Prämissen annehmen, um überhaupt irgendwo anzufangen. Solange er offen dafür ist, die Prämissen zu hinterfragen, wenn sich Beweise gegen sie ergeben, ist das OK. Daher denke ich, braucht man weder eine Entführung durch Marsmenschen noch eine ultrageheime Tätigkeit Tanjas für den BND noch einiges dazwischen in Betracht ziehen.
Wir haben es also mit einer ganz normalen, jungen, vielleicht etwas schüchternen, Studentin zu tun, die offen war für mehrere Freundeskreise mit unterschiedlichen Schwerpunkten, die offen war, Fremde nicht automatisch ablehnte, aber auch nicht vertrauensselig oder weltfremd war. Sie hatte keine Probleme zu Hause, die drastische Lebenseinschnitte hervorrufen würden.
Sie begibt sich an diesem Abend auf das FH Fest ohne bekannte Hintergedanken oder "geheime" Verabredungen, ohne bekannte Pläne irgendjemanden "aufreissen" zu wollen oder "die Sau rauslassen zu wollen." Von Tanja ist nicht bekannt, dass sie exzessiv trinkt oder Drogen konsumiert, so dass man annehmen müsste, es wäre wahrscheinlich, dass sie an diesem Abend nicht mehr Herr ihrer Gedanken und Taten gewesen wäre. Das schliesst nicht aus, dass sie an diesem Abend Alkohol oder vielleicht sogar Drogen zu sich genommen hat, nur es ist nicht bekannt und auch nicht im Exzess zu vermuten.
Es ist auch nicht bekannt, dass irgendeine andere Person die Absicht besass, an diesem Abend irgendwie bei Tanja ein ungewöhnliches Verhalten hervorrufen zu wollen (betrunken machen, one night stand usw.) Das heisst nicht, dass es nicht jemanden mit solchen Absichten gab, aber es heisst, dass es den Ermittlern nicht bekannt ist, und dass es keine solchen Vorfälle in der Vergangenheit gegeben hat.
Es gibt auch keinerlei Anzeichen dafür, dass an jenem Abend vor dem Besuch des Festes irgendetwas Ungewöhnliches vorgefallen ist.
Die Zeugenaussagen, die bestätigen, dass Tanja auf dem Fest war, sind so weit wir wissen glaubwürdig. Es gibt keine ersichtlichen Motive, dass die verschiedenen Personen, die Tanja sicher gesehen haben, lügen. Dazu kommt, dass es eine Reihe sehr markanter Aussagen gibt, die eine Person gesehen haben, die mit hoher Wahrscheinlichkeit Tanja gewesen ist. Da einige dieser Zeugen keinerlei Beziehung zu Tanja haben, haben sie auch kein erkennbares Motiv, hier die Unwahrheit zu sagen. Man kann davon ausgehen, dass die Polizei Wichtigtuer herausgefiltert hat.
Aus den Aussagen ergibt sich (im Gegensatz zur XY Darstellung!) dass Tanja die meiste Zeit mit ihrer "Clique" zusammen gewesen ist. Es hat keinen Streit o.ä. gegeben. Zwischen 3 Uhr und 4 Uhr jedoch scheint ein Teil der Gruppe von einem anderen Teil getrennt worden zu sein, und anscheinend gab es Miskommunikation zwischen beiden Teilen, so dass ein Teil der Gruppe das Fest bereits verliess, während ein anderer Teil icl. Tanja noch auf dem Fest blieb.
Hier kommen wir nun zu einem sehr umstrittenen Punkt: die mysteriöse Begegnung mit dem "Unbekannten." In XY wurde es so dargestellt, dass Tanja mit diesem in einem scheinbar freundschaftlichen Gespräch vertieft war, als ein anderer Freund Tanjas dazutrifft, woraufhin der "Unbekannte" unverhältnismässig aggressiv reagiert, und der Freund -ebenso merkwürdig- sofort den Rückzieher macht, und Tanja merkwürdig unbeteiligt bleibt.
Diese Darstellung hat dazu geführt, dass man ein ganz bestimmtes Bild des Unbekannten entwickelte: ein sehr narzisstischer Mann, der offensichtlich ungewöhnliche Besitzansprüche auf Tanja hat, und diese auch aggressiv verteidigt. Zusammen mit den weiteren Beobachtungen des Abends konnte man daher ein mutmassliches Täterbild erstellen, das einen zutiefst eifersüchtigen und aggressiven Mann darstellt, der eventuell an diesem Abend kein "nein" von Tanja akzeptiert hat und in einem später stattfindenden Konflikt gegen Tanja Gewalt anwendet. So wurde der "Unbekannte" schnell zum Hauptverdächtigen.
Diese Theorie ist auch noch nicht vom Tisch! Sie findet Unterstützung in den weiteren Beobachtungen des Abends: der Zeugenaussage einer Frau, die nicht mit Tanja bekannt war, dass eine Person, die vermutlich Tanja war, anscheinend "Beziehungsprobleme" etwas heftig mit einem Unbekannten diskutierte, der in etwa der Beschreibung jenes Aggressiven Unbekannten der ersten Begegnung entspricht. Dieser lief dann auch hinter Tanja her. Das Ganze spielte sich etwa 30 Minuten nach der ersten Sichtung des Unbekannten ab.
Wieder ca. 30 Minuten später wird eine Person beobachtet, von der ebenfalls durchaus anzunehmen ist, dass es Tanja ist, die wieder mit einem Unbekannten, der der Beschreibung entspreicht, offensichtlich "Stress" hat. Das ist die Bauzaun Szene.
Dieser Unbekannte wird ein paar Minuten später beobachtet, wie er in einem PKW mit vermutlich luxemburgischen Kennzeichen das Fest verlässt. Trotz der weit verbreiteten Fahndung meldet sich dieser Unbekannte nie.
Gäbe es jetzt keine anderen Beobachtungen und Darstellungen, liegt folgendes Szenario durchaus im Bereich des Möglichen, ja sogar des Wahrscheinlichen (Szenario A): Der Unbekannte hat, entweder im Verlauf des Abends, oder gar schon früher, ein Interesse an Tanje gefunden. Er möchte ihr Freund sein/werden, oder zumindest sexuell mit ihr etwas erleben. Es geling ihm, Tanjas Aufmerksamkeit über mehrere Stunden zu fesseln. Er ist nicht so aggressiv, dass sie Hilfe gegen ihn sucht, oder überhaupt vermutet, dass er eine Gefahr für sie ist. Zu diesem Zeitpunkt plant der Unbekannte auch vermutlich keinerlei Gewaltverbrechen, sondern glaubt, Tanja irgendwie "rumkriegen" zu können.
Nach der Bauzaun Szene fährt der Unbekannte an Tanja auf dem Weg zur Bitburger Strasse vorbei und überredet sie, in seinen Wagen zu steigen, vermutlich mit dem Versprechen, sie nach Hause zu fahren. Sie steigt ein ohne eine Gefahr zu vermuten. Irgendwann auf dieser Fahrt kommt es dann zu einer Auseinandersetzung, in der Tanja Gewalt angetan wird. Der Täter verbirgt Tanjas Leiche und hat Glück, was nicht sonderlich unwahrscheinlich ist, dass sie bis heute nicht gefunden wird.
Unterm Strich deutet also alles darauf hin, dass es sich hier um einen Täter mit narzisstischem Persönlichkeitsbild handelt, der die Situation falsch einschätzt (er glaubt unwiderstehlich zu sein) und dann überreagiert und es kommt zur Gewalttat. Der Tatort ist vermutlich weit von der FH entfernt, eher im Bereich Korrlingen, und daher haben auch die Suchaktionen an der FH nichts gebracht.
Soweit Szenario A. Meiner Meinung nach immer noch eines der plaubsibelsten. Allerdings gibt es inzwischen einige Informationen, die dieses Szenario etwas in Frage stellen: Entgegen der Darstellung im ersten XY Film, gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass Tanja und der Unbekannte vor der ersten Begegnung bereits miteinander sprachen oder sich überhaupt kannten. Nach den neuesten Erkenntnissen sieht es dagegen so aus, dass der "Freund," mit welchem der Unbekannte zusammengerät," in ziemlich angeheitertem Zustand gewesen sein soll. Tanja soll gerade auf einer Treppe gewesen sein, als dieser Freund sie ansprach, wo sie denn bleibe etc. Da soll der Unbekannte dazwischen gegangen sein. Nun ist die Sache so, dass wenn dieser eventuell die Szene missverstanden hat und als "blöde Anmache" eines Besoffenen interpretiert hat, sein Dazwischengehen vielleicht ganz und gar nicht mehr unverhältnismässig aggressiv und narzisstisch erscheint. Wenn es dann auch wahr ist, dass dieser Tanja bis zu diesem Zeitpunkt, etwa gegen 3.50 Uhr, überhaupt nicht kannte, ist es weniger wahrscheinlich, dass sich in der verbleibenden Stunde ein solches heftiges Verlangen nach Tanja (wie in Szenario A) in ihm entwickelt hat. Nicht unmöglich, wohlgemerkt, nur weniger wahrscheinlich. Es bleiben jedoch die weiteren Sichtungen und sie bleiben problematisch:
Nach der Begegnung gegen 3.50 Uhr, soll gegen 4 Uhr -ohne den Unbekannten- noch telefoniert haben und dann gefragt haben, wie sie am schnellsten in die Stadt kommt. Nun gab es dazu im Prinzip 4 Möglichkeiten: zu Fuss über die Bitburger Strasse, zu Fuss über den Stuckradweg am Drachenhaus vorbei, beide Wege führen dann über die gleiche Brücke über die Mosel, mit dem shuttle Bus, oder mit einem PKW oder Taxi.
Es gibt keine Erkenntnisse, dass Tanje einen Bus, ein Taxi oder die Bitburger Strasse benutzt hat. Es gibt aber eine Aussage, dass Tanja gegen ca 4.30 Uhr am Drachenhaus gesehen wurde. Zeitlich passt das. Dort wurde sie mit dem Unbekannten gesehen, und hatte offensichtlich etwas Stress mit ihm. (Es ist klar, dass es letztlich nicht 100% feststeht, dass es sich um Tanja handelt, es hat sich aber auch nie jemand anders gemeldet, der die Person sein könnte. Nach Lage der Dinge ist es sehr wahrscheinlich, dass es sich um Tanja gehandelt hat). Tanja wurde auf dem Weg zurück zur FH gesehen, obwohl sie ja eigentlich in die Stadt wollte. Das kann durchaus plausibel sein, wenn man folgendes Szenario in Betracht zieht: Der Unbekannte einigte sich mit Tanja nach 4 Uhr, gemeinsam mit ihr über den Stuckradweg in die Stadt zu gehen. Tanja wollte zu ihren Freunden, er aber wollte vor allem mit Tanja zusammen sein. Auf halbem Weg, am Drachenhaus, hat Tanja bemerkt, dass der Unbekannte ihr eher lästig wurde, und hat aus irgendeinem Grund gedacht, ihn eventuell loswerden zu können, indem sie zurück zum Fest geht. Er aber folgte ihr, wie bekannt. Tanja fühlte sich allerdings nicht in Gefahr, denn sie hätte jederzeit andere Passanten ansprechen können. Vermutlich war sie eher genervt.
Zeitlich passt in diesen Rahmen, dass beide nun wieder gegen 5 Uhr am Bauzaun gesichtet werden. Immer noch Stress, immer noch dasselbe Thema: der Unbekannte erwartet irgendwie mehr, Tanja dagegen will "nur noch nach Hause." Sie ist komplett genervt von allem, was sich seit ca 4 Uhr entwickelt hat, und auch etwas müde. Immer noch keine Gefahr. Der Unbekannte scheint nachzugeben, verzieht sich gar in die Gegenrichtung (zu den geparkten Fahrzeugen im Stuckradweg), sie läuft in Richtung Bitburger Strasse und Bushaltetstelle.
Soweit passt noch alles zum Szenario A.
Nun aber ergibt sich etwas sehr interessantes: Die Zeugenaussage vom Bauzaun ist durch zwei Bauzaunhelfer bestätigt. Es gibt keine Motive, an diesen Aussagen zu zweifeln. Nun aber kommt die "Gebüschgruppe" ins Spiel: Um diese gibt es ja viele Diskussionen, und sie ist einen genauen Blick wert:
Vergesst die XY Darstellung. Es waren keine zugekifften hippies, und es gab auch kein Gebüsch. Und schon gar keine Klampfe (wer bringt denn eine Klampfe auf ein Rockkonzert? Hier ist der XY Regie wirklich ein schwerer faux pas unterlaufen). Der Bauzaunhelfe sagte vielmehr aus, dass er das Bauzaunteil in Richtung einer Gruppe geworfen hat, die da am Strassenrand sass. Durch diesen Bauzaunwurf wurde die Gruppe aufgeschreckt und stand auf. Und nun das Wichtigste: Der Bauzaunhelfer sagte, er hat die Gruppe aufgefordert, den Platz zu verlassen, da er den Platz weiter für seine Arbeit brauchte. Die Gruppe machte sich nun auf den Weg in Richtung Bitburger Strasse. Dabei wurde sie Zeuge der Auseinandersetzung Tanja-Unbekannter. Von wegen, "mal sehen ob wir helfen können." Man ging zufällig den gleichen Weg. Wichtig ist aber, dass der Bauzaunhelfer glaubt, einige aus der Gruppe hätten mit Tanja ein Gespräch begonnen.
Das ist gar nicht unplausibel. Es kann ganz harmlos angefangen haben: Na, Stress? Tanja wiegelt ab. Man unterhält sich nun über das Fest. Man fragt vielleicht, wo die oder der andere herkommt, und noch wichtiger: wo er oder sie jetzt hinwill.
Hier mein Szenario B: Auf dem Weg zur Bitburger Strasse entwickelt sich ein Gespräch zwischen Tanja und Mitgliedern der "Gebüschgruppe," und in diesem Gespräch kommt man darauf, dass alle in die Stadt wollen. Und jemand aus der Gebüschgruppe bietet Tanja an, im PKW mit in die Stadt zu fahren. Tanja, müde und genervt, hat keinen Grund eine Gefahr zu erkennen und willigt ein. Man steigt zusammen in einen PKW, der an der Bitburger Strasse geparkt war.
Auf der Fahrt nach Trier jedoch kommt man sich näher. Näher als Tanja lieb ist. Aber gegen 3 oder 4 Männer in einem PKW kann sie sich nicht wehren. Man fährt in eine abgelegene Gegend, dort kommt es zu einem übergriff und zu einer Gewalttat. Auch diese Täter haben Glück, es gelingt ihnen die Leiche so zu verbergen, dass sie bis heute nicht gefunden wurde. In der ländlichen Gegend um Trier ist das nicht sonderlich schwer.
Holla, mag jetzt mancher denken, ist das nicht weit hergeholt? Nicht unbedingt: es hat durchaus ähnliche Fälle gegeben, einige sind bei XY dokumentiert (Vergewaltigung nach Diskobesuch von mehreren Unbekannten, zu welchen das Mädchen zunächst arglos ins Auto gestiegen ist; mehrere Mordfälle, ebenfalls nach Diskobesuch, wo ebenfalls von einer Gruppe von Tätern ausgegangen wird, die das Opfer zufällig aufgriffen). Ich habe aber noch mehr Gründe, dieses Szenario zumindest in Betracht zu ziehen:
Das merkwürdige Verhalten der Gebüschgruppe und des Unbekannten im Angesicht der Fahndung:
Der Fall Tanje dürfte in Trier und Umgebung so bekannt sein, dass es sehr unwahrscheinlich ist, dass eine Person, die sich damals auf dem Fest befand, nicht davon gehört hat, und auch von den Aufrufen an diese unbekannten Personen, sich zu melden. Das Fest wahr nicht so bedeutend, dass sich dort Personen befanden, die von so weit her kamen, ohne jeden weiteren Kontakt zu Trier, dass sie nichts von der Fahndung mitbekamen.
Warum also melden sich diese Personen nicht. Gehen wir von den beiden bisher benannten Szenarien aus:
1) Der Unbekannte ist der Täter. Nun ist es nicht sehr verwunderlich, dass er sich nicht meldet. Warum aber meldet sich nicht ein einziges Mitglied der Gebüschgruppe? Nicht eines. Die Sache im dem Kiffen ist Kokolores, die Polizei hat auch deutlich gemacht, dass sie nur an der Aussage interessiert ist. Die Bauzaunhelfer beschreiben die Gruppe nicht als benebelt oder besoffen, so dass sie vergessen hätten, dass sie von einem Bauzaun fast getroffen wurden. Nein, wenn die Gebüschgruppe unschuldig ist, dann ist ihr Verhalten sehr merkwürdig.
2) Der Unbekannte ist unschuldig, die Täter sind in der Gebüschgruppe zu finden: Ist es dann nicht umgekehrt genauso merkwürdig, dass der Unbekannte schweigt? Nicht unbedingt: Bisher galt er immer als der Hauptverdächtige. Für ihn ist das Risiko, selbst als Unschuldiger in Schwierigkeiten zu geraten recht hoch. Weit höher, als für eine Gebüschgruppe, in der man sich gegenseitig durch Aussagen beistehen könnte, und die sowieso nicht als verdächtig galt. Und, der Unbekannte scheint Luxemburger zu sein, er könnte auch deshalb etwas mehr zögern, sich mit der deutschen Polizei einzulassen.
Fazit: Dass ein unschuldiger Unbekannter schweigt ist weitaus plausibler als dass eine ganze Gruppe unschuldiger Unbeteiligter zu den Aufrufen schweigt.
Das spricht für Szenario B.
Ich gebe zu, mehr Beweise etc,. gibt es nicht. Ich sage auch nicht, dass Szenario A dadurch unwahrscheinlich wird. Aber man sollte sich doch etwas mehr mit der Gebüschgruppe befassen.
Nun zu weiteren Szenarien:
Szenario C
Tanja könnte durchaus auf dem Weg in die Stadt, wie auch immer, einem bisher völlig unbekanntem Täter begegnet sein. Eine Vergewaltigung könnte in einem Tötungsdelikt geendet haben. Ausschliessen kann man das ganz und gar nicht, schon weil gar nicht bekannt ist, wann und wo es zu der Tat gekommen ist: Tanja könnte sich bereits auf dem Weg nach Korrlingen befunden haben, also weit weg von der FH. Leider bleibt es dabei, dass diese Möglichkeit immer besteht. Es ist allerdings anzunehmen, dass in einem solchen Fall der Täter ein Auto gehabt hat, um erfolgreich die Leiche zu verstecken. Im engeren Stadtgebiet und rund um die FH erscheint es doch sehr unwahrscheinlich, dass Tanja dort nicht längst gefunden wäre. Und das spricht auch etwas gegen dieses Szenario: Während wir in A und B davon ausgehen, dass Tanja freiwillig in ein Auto stieg, ist das hier eher unwahrscheinlich. Die meisten Vergewaltiger, selbst wenn es zu einem Tötungsdelikt kommt, geplant oder ungeplant, machen sich nicht die Mühe, die Leiche zu beseitigen. Soweit planen sie selten in Auslebung ihres Triebes.
Möglich also durchaus, aber wahrscheinlicher als A oder B? Ich glaube nicht.
Szenario D:
Tanja traf in der Stadt ihre Freunde, begab sich mit einem oder mehreren noch an einen unbekannten Ort, und dort geschah dann eine Gewalttat. Möglich? Durchaus. Wahrscheinlich? Anders als in Szenario B ist die Gruppe der Freunde von Anfang an Polizeibekannt. Sie werden vernommen. Es ist weit weniger wahrscheinlich, dass diese Gruppe "dicht hält" und sich niemand "verplappert" als z.B. die Gebüschgruppe, die ja noch nie vernommen wurde. Eine Tat innerhalb des Zirkels der engeren oder weiteren Freunde wäre sicherlich vor der Polizei weitaus schwieriger zu verheimlichen.
Was hat es nun mit den anderen Beobachtungen auf sich, die dokumentiert sind?:
1) Homburg Spur
Diese ist wirklich rätselhaft. Die Beobachtung ist ernst zu nehmen, denn hier hat sich jemand die Mühe gegeben, die Polizei zu alarmieren, was heutzutage in der Regel eine gewisse überwindung kostet. Es gibt keine Anzeichen, dass der Hinweisgeber ein Wichtigtuer war. Die eintreffende Streife hat allerdings nichts mehr feststellen können, es gibt auch keine Vermisstenmeldungen aus der Gegend, keine passenden Straftaten, etc. Könnte es Tanja gewesen sein? Wieder muss man sagen, möglich ist alles. Und wieder muss man dabei den gesunden Menschenverstand sprechen lassen und fragen: wie wahrscheinlich sind die verschiedenen Erklärungen? Meiner Meinung nach ist die wahrscheinlichste Erklärung, dass hier ein Mann seine Ehefrau/Freunding zum Auto gebracht hat, die erheblich einen über den Durst getrunken hat. Dazu passt, dass es sonst keinerlei Meldungen zu verdächtigen Dingen gab. Auch würde ein solches Paar, selbst wenn es von der Fahndung aus Trier wüsste, eventuell doch aus Scham sich nicht melden, besonders wenn das Paar vielleicht nicht offiziell ein Paar ist, sondern mit Ehepartnern verbunden sind, die nichts von diesem nächtlichen Ausflug wissen sollen. Dazu kommt, dass Homburg eben doch 100km oder mehr von Trier entfernt ist. Aus den oben genannten Szenarien hat sich bisher keinerlei Spur nach Homburg ergeben (anders wäre es, wenn das nicht in Homburg sondern z.B. in Luxemburg beobachtet worden wäre). Das Gefangenhalten einer Frau gegen ihren Willen über mehrere Tage hinweg bedeutet einen erheblich höheren Aufwand, als das Verschleiern eines Tötungsdeliktes gleich nach dem Angriff auf die Frau. Vor allem wäre zu fragen, wozu das Gefangenhalten, und warum dann plötzlich dieser für den Täter ja potentiell gefährliche Transport in der Nacht? Durch all diese Fragen wird ein Zusammenhang mit Tanja eher unwahrscheinlich.
2) Pallien-Schreie
Interessanter ist ein ganz ähnliches Vorkommnis in Pallien, knapp eine Woche nach dem Verschwinden von Tanja. Dies ist mit der merkwürdigste Teil des gesamten Falls. Die Polizei hat ja ausgesprochen ungewöhnlich reagiert, einschliesslich der Absperrung eines Ortsteils und der gewaltsamen Wohnungsöffnung einiger Wohnungen. Man hat diese Meldung also sehr ernst genommen. Um so erstaunlicher ist es, dass man dann offiziell sich plötzlich auf eine bisher überhaupt nicht bewiesene Erklärung beruft: dass ein Kind einen Streit mit seiner Mutter hatte. Meines Wissens sind weder diese Mutter und Kind je gefunden worden, noch ist eine genauere Untersuchung des alten Bunkerkomplexes unterhalb der FH durchgeführt worden. Hier liegt einiges im Dunklen. Gegen einen Zusammenhang mit Tanja spricht wieder, dass das Gefangenhalten einer Person über längere Zeit, bei zugrunde liegendem Sexualdelikt, eher ungewöhnlich ist. Unbekannt ist es aber sicherlich nicht. Dies bleibt eine merkwürdige offene Frage im ganzen Komplex. Passen würde ein Zusammenhang mit Tanja in alle bisher genannten Szenarien, obwohl hier durchaus ein Fussweg in die Stadt mit einem überfall in Pallien naheliegend wäre.
3) Zurlauber Ufer Schreie
Weniger rätselhaft stellen sich meiner Meinung nach die "Schreie" am Zurlaubener Ufer dar. Der Zeuge hat sich erst sehr viel später gemeldet, was darauf hindeutet, dass er die Schreie weniger dramatisch empfand, als sie jetzt vielleicht erscheinen. Zum Vergleich: der Homburger Zeuge rief sofort die Polizei, da ihm die Sache sofort sehr komisch vorkam. Der Zurlaubener Zeuge hat die Schreie zunächst nicht für dramatisch genug gehalten. Nun kann das am Zeugen liegen, aber es spricht auch objektiv etwas dafür, dass diese Schreie nichts mit Tanja zu tun hatten: Auf dem Heimweg von Volksfesten etc. kommt es nicht selten vor, dass ausgelassene Gruppen sich ziemlich lautstark verhalten. Oft kommt es dazu, dass Frauen "Schreie" ausstossen, die aber nichts mit Gefahr zu tun haben, sondern im Rahmen von Neckereien usw. passieren. Meistens werden sie dann von Lachen gefolgt, das aber kann durchaus auf die Entfernung hin überhört werden, so dass der Zeuge nur den Schrei wahrgenommen hat. Da es erheblichen Fussgängerverkehr in dieser Nacht von der FH in die Stadt gab, ist anzunehmen, dass solche lautstarken Gruppen unterwegs waren. Für einen Zusammenhang mit Tanja würde das Zeitfenster sprechen: wenn sie sich gegen 4 Uhr auf einen Fussweg in die Stadt gemacht hat, könnte sich sich ungefähr zum vom Zeugen angegebenen Zeitpunkt in Zurlauben aufgehalten haben. Dagegen spricht, dass die Kabinenbahn nicht auf dem direkten Weg zu einem der naheliegenden Ziele liegt (Porta Nigra, Mickeymouse Platz), und vor allem, dass das Szenario ungewöhnlich wäre: eine Vergewaltigung, evtl. mit anschliessender Tötung des Opfers durch einen Zufallstäter, der im Bereich der Kabinenbahn auf ein Zufallsopfer traf ist durchaus denkbar, aber in den allermeisten Fällen würde dieser Täter das Opfer am Tatort zurücklassen. Das ist hier offensichtlich nicht geschehen. Auch ist die Gegend nicht so einsam, wie es sich manchmal anhört, es ist mitten in der Stadt, Wohnhäuser sind nicht weit. Niemand anders hat diese Schreie bemerkt oder gemeldet. Meiner Meinung nach ist es recht unwahrscheinlich, dass sie, wenn es sie überhaupt gab, mit Tanja zu tun haben.
4) Bitburger Strassen Paar
Es gibt eine Aussage, dass ein Paar gesehen wurde, das streitend die Bitburger Strasse bergauf lief, und die Frau soll Tanja ähnlich gesehen haben. Auf den ersten Blick passt das. Auf den zweiten jedoch gibt es ein paar erhebliche Probleme: die Zeugen gehen eindeutig von einem Paar aus, das sich kannte, das mindestens befreundet war, wenn nicht mehr. Es gibt keinerlei Hinweise, dass Tanja mit einem solchen "Freund" auf dem Fest war, der dort oben ein Auto geparkt hatte. Ausserdem wird hier beschrieben, dass die schimpfende Frau hinter dem Mann her lief. Alle anderen Aussagen an dem Abend, die Tanja im "Stress" mit dem Unbekannten sahen, laufen darauf hinaus, dass der Unbekannte hinter Tanja herlief, sie aber eher den Anschein machte, als wolle sie Distanz zwischen ihm und ihr. Für mich ist das der entscheidende Punkt warum ich denke, dass es sich bei dem beobachteten Paar nicht um Tanja handelte. Auch ist der Zeitplan nicht ganz klar: die Beobachtung war vor der Bauzaun Szene. Wenn beide das gleiche Paar sind, dann hätte sich dieses streitende Paar also von oberhalb der FH lediglich wieder bis zum Bauzaun begeben. Das macht wenig Sinn. Eher ist anzunehmen, dass das Paar von der Bitburger Strasse aus nach Hause gefahren ist.
5) Taxi Sichtung
Tanja zu Fuss auf der Bitburger Strasse in Richtung Stadt (wenn ich das richtig in Erinnerung habe)
Das kann durchaus noch zu allen Szenarien passen, daher ist die Beobachtung für sich genommen nicht hilfreich.
Zum Schluss noch ein paar Bemerkungen zu Beobachtungen nach dem Wochenende.
Irgendwo habe ich gelesen, dass Tage nach dem Fest in der Nähe von Seen bei Korrlingen ein blauer Kleinwagen mit gelben Kennzeichen gesehen wurde. Das würde sehr gut zu Szenario A passen, der Täter könnte an den Ort zurückgekeht sein, an welchem er am Morgen Tanja versteckte. Soweit ich weiss, ist aus dieser Spur aber nichts mehr geworden.
Zu dem belgischen Serienmörder ist hier bereits alles wichtige gesagt worden. Mir erscheint es eher unwahrscheinlich, dass er sich ein Opfer auf dem Trierer FH Fest suchte.
In Luxemburg gab es in der fraglichen Zeit einige ungeklärte Vergewaltigungsfälle und mindestens einen Mord an einer ebenfalls jungen Frau. Ob die Polizei hier Zusammenhänge untersucht hat, ist leider nie bekannt geworden.
So, danke für's Lesen. Habe ich irgendetwas vergessen, übersehen oder mich total vertan?
Müsste ich mich für eines meiner Szenarien entscheiden, würde mir die Wahl zwischen A und B sehr schwer fallen, aber eines der beiden erscheint mir auf jeden Fall wahrscheinlicher als C oder D. Ich würde zu gerne endlich mal mehr über die "Gebüschgruppe" wissen...