Sooo, jetzt habe ich mich auch mal durch die 170 Seiten geackert.
Was mich an diesem Fall wirklich fuchst, ist die wörtliche "Sinn"-losigkeit.
Bei einem Mord fragt man "Cui bono?" und hat doch recht bald ein einigermaßen sinnvolles, wenn auch löchriges Bild von der Gemengelage.
Ich kann mir in diesem Fall wirklich keinen Nutzen für irgendwen vorstellen.
Das Opfer war ein ganz und gar unauffälliges Lehrmädel, das in einem Dorf in bescheidenen Verhältnissen lebte. Nach allem, was ich bisher gelesen habe, führte sie zudem ein sehr ruhiges, beständiges Leben: Keine Parties, keine Ausschweifungen, keine exotischen Reisen, nichts.
Unter solchen Umständen ist es ja schon eine Kunst, sich einen (oder gar mehrere Feinde) zu machen.
Und ich glaube, das ist es auch, was den Fall so außergewöhnlich macht. Selbst die ganz geheimnisvollen Fälle in diesem Forum haben eine Vorgeschichte, Anhaltspunkte, über die man spekulieren kann, ein auffälliges Verhalten vor der Tat, irgendwas.
Hier geht eine junge Frau ins Bett und wird zwei Tage später grausam ermordet aufgefunden. Wie aus dem Nichts, ohne Vorwarnung, ohne Anzeichen.
Hinweise, wie den dringenden Wunsch auszuziehen oder häufigeres Weinen bewerte ich dabei nicht über, das kommt vor, bei jüngeren Menschen, die so gerade ins Leben starten, vielleicht noch mehr als bei älteren.
Sie hat aber weder Andeutungen gemacht, dass etwas anders sei als sonst, noch Ängste geäußert und das Abschließen einer Zimmertür in diesem Haus erscheint mir nur normal.
Was das Gedicht betrifft, von dem häufiger die Rede ist, erscheint mir maximal die Angabe eines Datums bemerkenswert, ansonsten finde ich es ein sehr schönes Gedicht, das einen anderen Menschen lobt.
Ansgesprochen wurde hier schon mehrfach ein aus dem Ruder gelaufener Beziehungsstreit. Es scheint ja auch das einzige zu sein, das nicht ganz abwegig ist und erklärt zumindest die emotionale Art der Tötung.
Trotzdem erscheint mir das ganze so "drüber", wenn ich schon in einem Konflikt dem anderen etwas antun will, dann passiert das doch schnell, einfach, endgültig.
Da bleibe ich doch nicht fast eine Stunde im Haus, wechsele Räume und Waffen und präsentiere am Schluss noch die Leiche!
Für so was muss man entweder etwas inszenieren wollen (aber warum?) oder einen unsäglichen Hass auf das Opfer haben (siehe oben: warum??)
Wie ich es drehe und wende: Es gibt für mich keinen Sinn, es ist nicht, als würde ein Puzzleteil fehlen sondern fast das ganze Puzzle.
Entsprechend der doch sehr offenen Lage des Falles, wurde hier auf den letzten 170 Seiten viel vermutet, sehr viel sogar. Auf einiges wenige möchte ich eingehen:
Hathora schrieb am 22.07.2021:Es könnte sein, dass Alfred etwas gesehen oder gehört hat, das so ungeuerlich ist, dass es den/die Täter die Existenz oder die Freiheit gekostet hätte. Etwas, das auch Heike betraf oder Heike später erfahren hat.
So verlockend und logisch der Gedanke klingt, aber das kann ich mir nicht vorstellen. Warum? Weil es das Setting nicht hergibt. Wo soll er denn etwas gesehen oder gehört haben? Und vor allem: was?
In einer Großstadt, in einem abgelegenen Industrie- oder Hafengebiet, da kann man schon mal was erleben, aber doch nicht in einer winzigen Firma auf einem Dorf, die nicht mal richtig läuft.
Alles, was ich als Verbrechen einschätzen würde (Schlepper, Dealer, Wirtschaftskriminalität) kann ich mir unter diesen Umständen und an diesem Ort so gar nicht denken.
Und was hätte denn Heike "ungeheuerliches" betreffen können? Sie hatte so gut wie nichts, und wer nichts hat, der kann nichts verlieren. Das ist sehr traurig und macht den Fall so skuril: Geheimes Wissen, das vermute ich in Großkonzernen, unter den Reichen und Mächtigen, aber nicht unter diesen einfachen Menschen, die jeden Tag strampeln und sich mühen, um über Wasser zu bleiben.
JamesRockford schrieb am 23.07.2021:Es war auf jeden Fall jemand, bei dem totaler Kontrollverlust aus nichtigem Anlass möglich ist, anders ist die Brutalität der Tat gar nicht zu erklären.
Da bin ich dann wieder dabei, wundere mich aber, dass "so jemand" in einem Dorf wie Lüttgenrode vorher nicht auffiel. Merke: Der oder die Täter hatten Ortskenntnisse im Haus. Ein durchreisender Wahnsinniger fällt damit raus, ein ansässiger aber wäre zumindest doch mal vorher oder nachher als unberechenbar und jähzornig aufgefallen.
Klar werden solche Leute auch mal von einer Dorfgemeinschaft gedeckt, vielleicht nach einer Rauferei, aber nicht mehr nach einem solchen Mord an einer jungen Frau. Da dürfte auch für den loyalsten Kumpel die Grenze erreicht sein.
OliverCromwell schrieb am 07.10.2021:Entweder von einer der Personen, die ich im Kreis der Verdächtigen sehe, oder einer Person, die dafür angeheuert wurde.
Siehe oben. Es ist mir schon unwahrscheinlich genug, dass jemand eine so "unbedeutende" Frau wie Heike hätte töten wollen, aber nicht nur das, sondern auch noch mit einem gedungenen Mörder? Die bekommt man ja auch nicht an jeder Straßenecke und die werden sich das auch etwas kosten lassen - nun hat aber niemand dort scheinbar mehr als das nötigste an Geld. Wer hätte den Killer also womit bezahlen sollen? Und was kann so schlimm sein, dass man dazu bereit ist, eine solche Person zu suchen und zu bezahlen? Das müsste ja aus Sicht des Auftraggebers unter diesen Umständen eine echte Verzweiflungstat gewesen sein und noch mal: Heike war im besten Sinne "unauffällig", eine einfaches, fleißiges Lehrmädel.
Welches Motiv kann es also für diese Tat, noch dazu in dieser Ausführung, gegeben haben?