Mordfall Hinterkaifeck

Victoria hat am 30.3.1922 die Magd in Mühlried aufgesucht, weil sie diese zuvor überhaupt nicht kannte. Die Verbindung zur Magd kam über eine Arbeitsvermittlerin zustande. Ich denke, dass Victoria wenigstens einmal vor Beginn des Arbeitsverhältnisses mit ihr sprechen wollte, vielleicht auch um ihr Interesse zu bekunden und das Interesse der Magd an der Arbeit abzuschätzen.

Anfang Februar somit 6 Wochen vor dem Mord war für wenige Tage ein Knecht auf dem Hof beschäftigt, der aber auch ganz schnell wieder weggegangen ist. Soweit mir bekannt, haben sich die Polizeibeamten auch für seine Identität interessiert. Der Zeuge Schrätzenstaller hat das Alter des Knechts mit 18 Jahren angegeben. Aber den Namen wusste er nicht.

Ich kann mir vorstellen, dass Victorias Stimmung in Bezug auf Personal nach diesem Debakel auf dem Tiefpunkt war und dass sie sich schon um die neue Magd bemühen wollte, bzw. prüfen wollte, ob diese wenigstens an einer längerfristigen Beschäftigung
interessiert ist.


Zum Thema Hochzeit Victoria/LTV

Die Nachbarn Pöll und Sigl haben am 5.4.1922 ausgesagt, dass Schl.Victoria heiraten wollte und dass der alte Gruber die Ehe verhindert habe. Sigl hat das dahingehend ergänzt, dass der alte Gruber ihm gesagt habe, dass er im Falle einer Hochzeit den Hof verlassen werde.

Wenn man bedenkt, daß wohl nur der alte Gruber gegen diese Hochzeit war, dann ist womöglich er - jetzt bitte nicht wörtlich nehmen - indirekt der Mittäter von Hinterkaifeck...

Im Leuschner-Buch S. 55 steht zum Komplex Heirat auf S.55 zusammenfassend folgendes:

"Und auch der Name des Gröberner Ortsführers L.Schl. taucht in den Unterlagen mehrmals auf. Denn der wollte 1918, nachdem seine erste Ehefrau gestorben war, die Victoria heiraten. Zwar war die Witwe nicht abgeneigt, aber ihr Vater scheint da nicht mitgespielt zu haben."


Zum Komplex Inzest findet sich im Leuschner-Buch S. 172 der Hinweis aus der S.Vernehmung:
"Victoria hätte es sogar seiner ersten Frau erzählt, dass sie sich vor ihrem Vater nicht mehr halten könne. Der wolle immer Geschlechtsverkehr haben."

Dieser Hinweis sagt nicht viel aus, aber so viel wohl doch, dass Victoria zumindest anfangs von den Drängeleien des Alten nicht angetan war, denn ansonsten hätte sie nichts der Nachbarin erzählt. Ich denke, dass sie es eher erzählt hat, weil sie sich beklagen wollte und nicht etwa weil sie das Verhalten des Vaters als selbstverständlich erachtet hat.

@Bernie
@all

Auf den asbach-uralten Bayrischen Landtafeln von Apian, um 1566, ist Hinterkaifeck nicht erwähnt. Wundert mich jetzt auch nicht, weil die ziemlich kleinmassstäblich gehalten wurden ( 1:140000 oder so).
Der Name "Hinterkaifeck" ist auch auf den alten Urpositionsblättern und den alten Flurkarten von ca. 1820-1860 noch nicht erwähnt.

Somit drängt sich der Verdacht auf, dass "Hinterkaifeck" eine Bezeichnung des Einödhofes an sich ist/war. "Kaifeck" ist wohl etwas früher entstanden und da der Einödhof irgendwie "dahinter" lag, war es eben "z'Hinterkaifeck".
Also kein Flurname, nur ein Hausname! Zumal er auch aus den heutigen topografischen Karten und dem Bayerischen Ortsregister gelöscht ist.

Nur mal als Tip für die, denen die schwarze Darstellung nicht gefällt:

Als RSS Feed aboniert, kann man sich z.B. im Internet Explorer alles wunderbar gelistet anzeigen lassen und auch abspeichern bzw. suchen.

@dida:


Leider irrst Du dich, dass es kein Flurname sein soll.


Aus "Leuschner - Der Mordfall Hinterkaifeck, S. 286":

Kaifeck...Ursprünglich Flurname. Das Grundwort "Eck" bezeichnet eine Bergspitze oder eine vorspringende Bergform, durch das Adjektiv schwäb. "Keif", also stark, heftig" wird die Form der Flur besonders hervorgehoben.

Hinerkaifeck:

...Zum Namen vgl. Kaifeck; "Hinter-" zur Unterscheidung von diesem.i

@licum

Sorry, aber da muss ich jetzt "schlaumeiern". Der Flurname, auf dem Hinterkaifeck stand ist ein anderer ... welcher, sag ich Dir am Montag. Hab die Karte jetzt grad nicht zur Hand.
Der Herr Leuschner weiss vielleicht auch nicht alles so genau ... ;-)

@all

Unser Alois L scheint seine Homepage mal wieder vom Netzt genommen zu haben!

@licum

Didas Beitrag bezog sich ausschliesslich auf "Hinterkaifeck". Das noch heutige (Ober-)Kaifeck wurde beireits im 15. JH als Flurname erwähnt und ist geographisch nicht mit dem ehem. Hinterkaifeck (ca.1870-1925) gleichzusetzen.
Der Flurname des Landstrichs, auf dem einst der Hof Hinterkaifeck stand, dürfte "Moosäcker" heissen. Genau habe ich´s nicht mehr im Kopf, @dida weiss hierüber besser Bescheid.

Original anzeigen (0,4 MB)
@oldschool70
@dida
@licum

Ich habe hier mal die Flurkarte der Gegend.

@arschimedes

Nun kann man die Seite ja gar nicht mehr aufrufen, (ich zumindest)....

@schimmelchen

Das war ja meine Aussage, "vom Netz genommen". Es erscheint halt einfach nur cder Fehler 404 "Seite nicht gefunden"

@arschimedes

Super! Danke für den Auszug aus der Flurkarte. Die Bezeichnung "Moosfeld" ist richtig. Auf der Flurkarte, die ich eingesehen hatte, erstreckte sich das "Moosfeld" allerdings auch auf das Flurstück, auf dem einst Hinterkaifeck stand.

Die Seite wird wohl überarbeitet.

Ich habe mich mit der Seite nicht so intensiv beschäftigt, weil mir bezüglich Hinterkaifeck derzeit andere Dinge durch den Kopf gehen. Allerdings habe ich in Erinnerung, dass ein Zitat von Frau Schenkel verwendet wurde, wonach ihr die Leichen von Hinterkaifeck egal seien. Es sollte darauf wohl hingeiwesen werden, dass für sie nur die Vermarktung zählt. Das Zitat ist mir etwas merkwürdig vorgekommen, vielleicht etwas aus dem Zusammenhang gerissen. Evtl. wurde Ärger befürchtet und die Seite muss deshalb neu konzipiert werden.

@oldschool70
Danke für Deine weitergehende Ausführung. Macht's verständlicher!

@arschimedes
Dir auch ein Danke für die Flurkarte.

Nochmals zur Heiratsangelegenheit

Am 25.9.1919 fand wohl in der Strafsache gegen Gruber/Gabriel wegen Blutschande so etwas wie ein Haftprüfungstermin statt, weil L.S. alle Angaben aus seiner Strafanzeige zurückgenommen hat. Danach war das Verfahren zwar nicht beendet, weil es für das Strafverfahren nicht auf die Anzeige ankommt, sondern es handelt sich um ein Verbrechen gegen das "von Amts wegen" weiter ermittelt wird, auch wenn die Anzeige zurückgenommen worden ist.
Zumindest ist Gruber freigekommen, weil kein dringender Tatverdacht mehr bestand.

Ich gehe davon aus, dass L.S. die Anzeige zurückgenommen hat, um Victoria vor einem weiteren Strafverfahren zu verschonen. Im Prozess von 1915 wurde die Blutschande aus dem Zeitraum von 1907 bis Sommer 1910 abgeurteilt. Victoria war teilweise noch nicht volljährig und ist wohl auch deshalb mit einem glimpflichen Urteil davon gekommen. Bei einem erneuten Prozess wäre sie, als Wiederholungstäterin und auch weil sieälter und damit einsichtsfähiger war, erheblich strenger bestraft worden. Das kann nicht wirklich im Sinne von L.S. gewesen sein, der sie ja heiraten wollte.
Als Nebenwirkung musste er in Kauf nehmen, dass auch Gruber freigelassen wird.

Wegen dieser Anzeige war Gruber richtig aufgestachelt. Er hat dann die Hochzeit verhindert und ist in diesem "Zweikampf" um Victoria als Sieger hervorgegangen, denn Victoria hat es nicht gewagt gegen seinen Willen zu heiraten. Letzten Endes ist er auch noch freigesprochen worden. Aus diesem Triumph heraus mag er L.Schl. im Punkt Anzeige auch nichts nachgetragen haben.

Victoria und ihre Mutter sind L.S. "nie mehr gut gewesen", weil sie ihm vielleicht vorgeworfen haben, dass er durch die überhastete, panische Strafanzeige alle Heiratspläne zunichte gemacht hat. Vielleicht waren die beiden Frauen der Auffassung, dass man dem Alten nach und nach eine Hochzeit hätte schmackhaft machen können, weil sie wirtschaftlich so sinnvollund auch im Hinblick auf Josef ideal gewesen wäre.

@arschimedes

Ist diese Karte denn datiert? Ich kann auf meinem Laptop nicht alles erkennen, z.B. auch nicht die Schrift links oben entziffern.

Was ich absolut auffällig finde: das erste Anwesen in Gröbern ist auf dieser Karte rechtwinklig und steht auf einem dreieckigen Grundstück - genauso wie Hinterkaifeck.
Die Lage zur Straße stimmt allerdings nicht.

Könnte sich hier jemand bei der Einzeichnung des Hofes bzw. bei der Reinzeichnung und Umsetzung der ´Vermessungsskizze´ geirrt haben??

Um es zu verdeutlichen: Ist denn dieser Hof das (später erweiterte) Schlittenbaueranwesen, oder hat sich da jemand bei der Einzeichnung des (unter welchem Namen auch immer) schon existierenden Anwesens HK vertan und es näher (und um 90 Grad gedreht) zu Gröbern gerückt?

@all

Die Flurkarte habe ich im Staatsarchiv Augsburg fotografiert!

@all

Die Beschriftung der Flurkarte:

oben links:
A. Schrobenhausen
In gramert 1866, 69, 1928

In der Mitte:
N. W. XXII . 8
NW XII 8

oben rechts:
Gmkgn. Waidhofen, Wangen u. Forstbez. Haidforst

Ich hoffe, damit geholfen zu haben.