Gab es im Stadel die "chinesische Mauer"?
Von
@hexenholz und
@Dew wird die Theorie der "Urscheune" favorisiert.
Sie nehmen an, daß es sich beim Anwesen HK ursprünglich um einen Einfirsthof gehandelt hat, daß sich also Hausteil, Stall und ("Ur-")Stadel in einer geraden Linie befanden.
Der "L-Teil" des Stadels samt der "kurzen Durchfahrt" West/Ost sei erst später angebaut worden.
Mit der "Urscheunentheorie" wird das (angebliche) Vorhandensein einer gemauerten Wand im Stadel begründet, die sich (vom Innenhof aus gesehen) gleich links der Durchfahrt befunden hätte. Diese Wand sei die Aussenmauer des ursprünglichen Stadels gewesen. Wir hätten also eine gerade Linie der südlichen Aussenmauer Haus-Stall-"Urscheune".
In dieser 1922 innerhalb des Stadels noch vorhandenen ehemaligen Aussenmauer hätte sich auch noch das ehemalige südliche Aussentor befunden, in dessen einem Flügel ein Türchen eingebaut gewesen sei.
Ich kann mir eine solche Lösung IM PRINZIP vorstellen. Wenn ich aber die Wahrscheinlichkeit einer solchen Lösung beurteilen soll, dann wird es schon etwas schwieriger.
Abgesehen davon, daß wir von einer späteren Erweiterung des Stadels in der vorgeschlagenen Form (bisher) keine archivalischen Kenntnisse haben, gibt es einige Punkte, die für mich eher dagegen als dafür sprechen.
Wenn HK ursprünglich ein sogenannter Einfirsthof war, dann würde man (eher) eine DURCHGEHENDE HÖHE vom Hausteil bis zum "Ur-Stadelteil" annehmen, d.h., der First der "Urscheune" bis zur Nordostecke (Richtung Gröbern) wäre auf einer Höhe mit dem restlichen Anwesen.
Bei einem späteren Anbau würde man dann wohl eher eine Art "Zwickelverbindung" zu diesem schon bestehenden "Urscheunendach" annehmen. Ich bin natürlich kein Architekt. Aber der postulierte Aufwand, das bei einer "Urscheune" schon vorhandene(!) Dach ganz wegzunehmen und um 90 Grad gedreht neu zu errichten, erscheint mir nicht recht erklärbar.
Welchen Sinn es gehabt hätte, die ehemalige Aussenmauer, die übersteigbar(!!) gewesen wäre, in einen Stadelanbau (eigentlich samt Dach de facto eher Stadelneubau) zu integrieren, kann ich mir nicht recht vorstellen.
Eine zusätzliche Schutzfunktion wäre durch die Übersteigbarkeit kaum gegeben gewesen. Ohnehin bin ich der Überzeugung, daß die eigentliche Barriere zum Stall (und damit auch zum Haus) die abschließbare Tür Stall/Stadel war, aber das ist ein anderes Thema.
Fiele der Sinn einer "Barriere" weg, dann würde man zumindest erwarten, daß das alte Südtor der "Urscheunenaussenmauer" ersatzlos entfernt würde, um Arbeitsabläufe nicht unnötig zu verkomplizieren.
Mit einem von
@hexenholz in diesem - angeblich verbliebenen - Tor vermuteten "Türchen" in einem Flügel kann ich wenig anfangen. Dieses Tor hätte als Teil einer "Urdurchfahrt" (Nord-Süd) die gleichen Aussmasse gehabt, wie das auf den Polizeifotos sichtbare Tor hinter den Leichen.
Bei einer Torhöhe von nur etwa 2,10m (jedenfalls unter 2,20m) ergibt so ein vermutetes Türchen im Tor für mich keinen rechten Sinn. Das sähe bei größeren Höfen und Toren, die teilweise drei Meter und mehr erreichen, natürlich anders aus.
Wenn man die Ausmaße des Tores hinter den Leichen entsprechend auf das vermutete Pendant in der "chinesische Mauer" überträgt - ein sauberer Grundriß scheint bis heute zu fehlen - dann würde man u.a. auch sehen, daß östlich dieses Tores zum Osttor der West-Ost-Durchfahrt hin gar nicht so sehr viel Platz bleibt.
Wahrscheinlich gut drei Meter.
Da stellt sich dann auch die Frage, ob die an der "chinesischen Mauer" "wissenschaftlich bewiesen" platzierten Särge dort wirklich ihren Platz gefunden hätten.
Was mich aber am meisten an der "Urscheunentheorie" samt "chinesischer Mauer" stört, ist das völlige Fehlen entsprechender Zeugenaussagen.
1951 wurden Schrätzenstaller, Schrittenlocher und Schwaiger befragt.
Alles Leute, die auf dem Hof HK gelegentlich ausgeholfen haben.
Der "Venus-Plan" wurde angefertigt.
NIEMAND hat sich offenbar an so ein markantes Detail - eine eigentlich unnütze alte Mauer mitten im Stadel samt Tor mit Türchen - erinnert.
Schon der ehemalige Knecht Georg Sigl hat ein entsprechendes Detail 1923 offenbar nicht erwähnt.
Kann das wirklich ein Zufall sein? Hat sich da wirklich niemand (mehr) an einen so ungewöhnlichen und untypischen Einbau im Hinterkaifecker Stadel erinnert?
Eine Mauer, die es auf 100 vergleichbaren Höfen wohl nicht gegeben hätte?
Mein persönliches Fazit: Ich halte die "Urscheunentheorie" für möglich.
Ich würde ihr auch eine gewisse Wahrscheinlichkeit zugestehen, weil sie (zumindest) mit dem Wiesner-Protokoll zusammengeht (Wobei dieses Protokoll wiederum schwerwiegende Mängel hat.).
Ich würde aber keinesfalls sagen, daß die "Urscheunentheorie" auch nur annähernd gesichert ist.
Die Wahrscheinlichkeit, daß sie nicht zutrifft, bleibt für mich deutlich höher als die Annahme, daß sie zutrifft.