Avram schrieb:Ich hätte da noch eine Frage an @all , die im Strafrecht bewandert sind.
Es gibt da eine Reihe für mich verwirrende Informationen, u.a das hinsichtlich eines Befangenheitsantrags, der oder Richter einem solchen Antrag zustimmen müssen., defakto also eine mögliche Befangenheit bestätigen. Was genau bedeutet das? Das, der oder die Richter sich selbst als befangen erklären müssen?
Das mutet doch seltsam an. Das macht doch gar keinen Sinn. Warum sollte ein Richter so etwas tun?
Hier muss man zwischen verschiedenen Dingen unterscheiden: erst einmal wird ein Ablehnungsantrag auf seine formelle, das heisst prozeduale Zulässigkeit geprüft. Zum Beispiel ob der Antrag form- und fristgerecht erfolgt ist oder ob er offensichtlich nur der Verschleppung des Verfahrens dienen soll. (§ 26a StPO). Hier entscheidet der Richter, der abgelehnt werden soll, mit.
Wird der Antrag als zulässig angenommen, kommt nun die Entscheidung über den Inhalt, also ob z.B. "Besorgnis der Befangenheit" berechtigt ist (es wird nicht entschieden, ob ein Richter befangen ist, sondern ob eine Besorgnis der Befangenheit vorliegt, die kann auch vorliegen, ohne dass der Richter wirklich befangen ist!). Bei dieser Entscheidung stimmt der Richter, gegen den der Antrag gerichtet ist, nicht mit. ( § 27 StPO).
Nun kann der Richter, der abgelehnt wird, durchaus einräumen, dass der Antrag begründet ist - wie gesagt, es geht um die Besorgnis, das bedeutet, der Richter braucht nicht zugeben, dass er befangen ist, aber kann einräumen, dass er die Besorgnis akzeptiert.
Das kann z.B. sein, wenn sich im Verfahren herausstellt, dass der Bruder des Angeklagten Mitarbeiter in der Firma der Frau des Richters ist usw usw usw.
Warum sollte ein Richter so etwas tun? Um die Integrität des Verfahrens zu wahren, selbst dann, wenn er selbst nicht der Meinung ist, er sei befangen, aber natürlich erst Recht, wenn er es ist.
Gesetzgeber und Rechtsordnung gehen davon aus, dass ein Richter so integer ist, dass er das dann auch tut, was wohl in den allermeisten Fällen auch so sein wird. Sieht der Richter das ganz und gar nicht so, ist es aber auch egal, denn entscheiden tun dann andere Richter darüber. Noch einmal, es ist ja nichts "Böses," wenn ein Richter "befangen" ist, oder eine solche Besorgnis besteht, schlimm wird es nur, wenn er eben nicht abberufen wird.
Noch ein Beispiel: Wie der Zufall will, landet der Fall der Freundin des Sohnes des Richters vor ihm auf dem Tisch des Amtsgerichts. Sie ist angeklagt, eine Fahrt unter Alkoholeinfluss begangen zu haben. Nun ist es sicherlich so, dass das zumindest Besorgnis erregt, und so kann und sollte sich der Richter hier zurückziehen, damit das Verfahren integer bleibt. Dass der Richter seine zukünftige Schwiegertochter nicht gerne bestrafen will ist nichts Ungehöriges, daher kann und sollte er hier elegant aus dem Verfahren aussteigen.