Thira schrieb:Das hört sich für mich so an, als hätten sich die Ermittler zusammen mit der Polizistin die Story mit dem ausgebüxten Hund überlegt.
Nochmal alles dazu aus den Artikeln in der Bild, bevor die auch wieder hinter einer Paywall landen, wie so viele Artikel:
Verteidiger Dr. Friedrich Fülscher (39) forderte im Prozess, dass von der Staatsanwaltschaft vorgebrachte Beweise gegen Brückner nicht verwendet werden dürfen. Konkret geht es um zwei Word-Dateien, die auf einem USB-Stick des Angeklagten gefunden wurden.
In den Texten mit den Dateinamen „Mutter-Tochter-Geschichte“ und „Zofengeschichte“ fantasiert der Angeklagte über die Entführungen von Kindern und Vergewaltigungen. Diese Beweismittel, so Fülscher, seien bei einer „fingierten Durchsuchungsmaßnahme“ auf Brückners Grundstück in Sachsen-Anhalt sichergestellt worden – und somit wertlos.
Laut Polizeiakten war ein Nachbar am 14. Januar 2016 mit seinem Hund spazieren. Dieser soll durch ein Loch im Zaun auf Brückners Grundstück gelaufen sein und gebuddelt haben.
Der Zeuge sei seinem Hund gefolgt, habe dann ein aus dem Boden ragendes Stück Stoff und Verwesungsgeruch wahrgenommen. Dann habe er die Polizei gerufen.
Die Beamten sollen daraufhin u. a. eine Lidl-Tüte mit einem Etui gefunden haben. Darin: sechs USB-Sticks und zwei SD-Karten mit Texten, Videos und kinderpornografischen Fotos.
Der Vorwurf der Verteidigung: Nicht ein Hund habe die Datenträger gefunden, sondern eine Polizistin – die Lebensgefährtin des Hundehalters.
Sie habe das Grundstück vorher abgesucht, den Fundort fotografiert. Ihr Vermerk an die Kollegen: „Ich denke, da müsste man mal nachschauen.“ Anwalt Fülscher: „Eine Verwertung der gefundenen Dateien würde gegen Grundsätze eines fairen Verfahrens verstoßen.“
QuelleStatement der Staatsanwaltschaft dazu:
Die Durchsuchung, so Oberstaatsanwältin Vanessa Beyse, sei notwendig gewesen: Auf dem Grundstück des Angeklagten habe es nach Verwesung gestunken. Die Polizisten hätten nicht gewusst, ob sie menschliche oder tierische Überreste finden.
Tatsächlich gruben sie Brückners toten Hund aus – und eine Lidl-Tüte mit Datenträgern, darauf Kinderpornos und die umstrittenen Texte. „Zweifelsfrei reiner Zufall“, so Beyse.
QuelleDenn die Durchsuchung, bei der die USB-Sticks gefunden wurden, soll rechtswidrig gewesen sein – sagt Brückners Verteidiger Friedrich Fülscher. Mehrere Polizisten hätten vermutet, dass Brückner auf seinem verwahrlosten Areal die tote Inga verscharrt habe. Weil sie keinen Durchsuchungsbeschluss bekamen, hätten die Beamten einen Notfall auf dem Gelände erfunden.
Deshalb hörte das Gericht nun drei Zeugen, die mit der Durchsuchung am 14. Januar 2016 zu tun hatten.
Brückners Nachbar Steve M. (40) will am fraglichen Tag mit seinem Rottweiler spazieren gegangen sein. Er behauptet: Der Hund habe etwas gewittert, sei auf Brückners Grundstück gelaufen und habe dort zu graben begonnen. Weil der Fund nach Verwesung stank, habe Steve M. seine Freundin angerufen, die Polizistin Katharina S. (41). Zwei Kollegen der Polizistin fanden schließlich statt einer Leiche einen Hundekadaver – und eine Tüte mit den USB-Sticks.
Die Verteidigung glaubt: Katharina S. habe auf Brückners Grundstück schon zuvor illegal nach Spuren von Inga gesucht. Der Vorfall mit dem ausgerissenen Hund sei fingiert gewesen, um dort legal graben zu können.
Vor Gericht räumte die Polizistin ein, das Grundstück ohne Beschluss betreten und dort Fotos gemacht zu haben. Aus einer E-Mail in den Akten zum Fall Inga geht hervor, dass Katharina S. die Fotos an Reimar K. (62), einen damaligen Ermittler im Fall Inga schickte. Daran konnte sich die Zeugin erst nach einem Wutausbruch von Richterin Dr. Uta Inse Engemann erinnern.
Ebenso problematisch: ein Aktenvermerk des Inga-Ermittlers Reimar K. von August 2015, dass es nach Rücksprache mit der Staatsanwaltschaft bei der Suche nach Inga „keine rechtliche Möglichkeit“ gebe, „einen Durchsuchungsbeschluss für das Objekt Neuwegersleben“ zu bekommen. Auch „Suchmaßnahmen unter dem Vorwand der Umweltkriminalität“ seien nicht möglich.
Frage der Richterin: Habe man also einen Vorwand gesucht, um das Gelände zu durchsuchen? Antwort des Ex-Polizisten: Ja, das sei möglich.
Ob die aufgeschriebenen Vergewaltigungsfantasien des Maddie-Verdächtigen in diesem Prozess eine Rolle spielen dürfen, will das Gericht demnächst verkünden.
QuelleDie Sache ist für mich hinsichtlich des Beweisverwertungsverbots schwer einzuordnen. Leider wurde deutlich, dass den zuständigen Beamten klar war, dass es keinen Durchsuchungsbeschluss geben würde und leider wurde auch ein Kontakt zur Kollegin, die das Grundstück betrat, deutlich. Es erscheint somit sehr wahrscheinlich, dass man über die in der Nähe wohnende Kollegin einen Anlass „geschaffen“ hat, das Grundstück zu betreten (angebliche Witterung des Hundes).
Daraufhin wurde etwas bemerkt (Verwesungsgeruch/Knochen), was eine Ermächtigung des Betretens über Gefahrenabwehrrecht grundsätzlich erlauben könnte und die dabei erlangten Eindrücke wie Müll, Knochen, Geruch, vergrabene Sticks führten zu dem Durchsuchungsbeschluss mit einer darauf basierenden (eigentlich) legalen Durchsuchung.
Die Frage ist nun, inwieweit die Schaffung eines Anlasses (vorgetäuschte oder echte Hundewitterung) für das Betreten des Grundstücks Auswirkungen bis hin zum Beweisverwertungsverbot hat.
Ich bin gespannt, wie das entschieden wird. So etwas, was hier passiert ist, nennt sich übrigens „legendierte Kontrolle“ und wird hier sehr schön plakativ beschrieben:
https://tscheffler.de/legendierte-polizeikontrolle/Aber es ist zu beachten: Auch wenn das Betreten wohl nicht rechtmäßig war - die Beweisverwertungsmöglichkeit ist juristisch eine komplexe und komplizierte Prüfung, noch ist nicht aller Tage Abend.