HanniNanni schrieb:Es wurde ja eh auch sehr wenig über Bethany geschrieben, bisher.
Das ist der Punkt, wir wissen eigentlich gar nichts über sie bzw. ihre Aussage bei der Polizei. Ob da wirklich etwas für die Verteidigung Nützliches ist, wird man sehen.
calligraphie schrieb:Und warscheinlich steht ihr im Juni dann eine Cross Befragung bevor? @Rick_Blaine ?
Ja, wenn sie aussagt, was sie als Zeugin eben vermutlich muss, dann dürfen freilich beide Seiten Fragen stellen. Wobei das sogenannte "cross" dann von der Staatsanwaltschaft ist, denn offensichtlich will die Verteidigung sie als "direct" Zeugin einbringen will.
Die Begriffe "cross" und "direct", wobei das in Deutschland meist als "Kreuzverhör" dargestellt wird, bezeichnen eigentlich nur in welcher Reihenfolge ein Zeuge vernommen wird. Es hat allerdings eine wichtige Besonderheit: Derjenige, der die Zeugin einbringt, kann im Prinzip fragen was er will, solange es für den Fall relevant zu sein scheint. Die andere Seite kann jederzeit die Frage stoppen, wenn sie argumentiert, sie sei irrelevant.
Der Richter entscheidet dann, ob er die Frage zulässt. Die Regeln sind sehr streng, einmal muss der Fragende immer darlegen können, warum die Frage relevant ist. Empfindet der Richter sie als irrelevant, lässt er sie nicht zu.
Auch achtet der Richter auf die anderen Zeugenregeln, z.B. ob die Zeugin auch nur über selbst erlebtes berichtet. Sie soll nicht einfach eine "Meinung" äussern (opinion) - z.B. "war das Opfer ängstlich?" Da würde ich als Anwalt der Gegenseite sagen: das ist nur die Meinung der Zeugin. Dann muss der Fragende belegen, dass sie das aus eigenem Eindruck objektiv so sagen kann usw.
Noch schlimmer, und in der Regel eben nicht zulässig, ist, wenn die Zeugin etwas aussagen soll, was sie nicht selbst erlebt hat sondern nur von jemand anderem gehört hat - das berühmte Hörensagen (hearsay), das nur unter ganz seltenen Umständen erlaubt ist: Beispiel: der Täter fuhr ein blaues Auto. - Woher wissen Sie das? - Mein Freund Tom stand am Fenster und sah ihn ein blaues Auto einsteigen. Das wäre nicht erlaubt, denn sie hat es selbst nicht gesehen. Man muss Tom selbst fragen. Usw.
Nach dem "direct" darf dann die andere Seite Fragen stellen, aber hier gibt es eine weitere wichtige Einschränkung: diese Fragen dürfen sich in der Regel nur auf das bereits Ausgesagte im "direct" beziehen.
Im Übrigen haben beide Seiten die Möglichkeit, Zusatzfragen zu stellen, die wiederum sich nur auf das bereits Ausgesagte beziehen, im sog. "re-direct" und "re-cross." Das kann also durchaus einige Male hin und her gehen. Aber immer muss der Richter darauf achten, dass die Regeln nicht verletzt werden: das ist die wichtigste Aufgabe des Richters im Verfahren, die Regeln durchzusetzen.
In Deutschland ist das anders, da dort die Fragen zumeist vom Richter selbst gestellt werden.
Im prelim allerdings gelten bestimmte Regeln nicht oder nur eingeschränkt, zum Beispiel ist Hörensagen meist erlaubt. In der Hauptverhandlung nicht.
Das ist einer der Hauptunterschiede im Prozess zwischen Deutschland und den USA: in Deutschland kann der Richter im Prinzip alles fragen, was er zur Wahrheitsfindung wichtig findet. In den USA darf der Richter oder die Jury nicht selbst fragen. Wenn die Anwälte eine Frage, die der Jury so auf den Nägeln brennt, nicht stellen, dann wird die Jury das eben nie erfahren. Die Anwälte haben hier also eine weitaus wichtigere Rolle als in Deutschland, da nur sie fragen dürfen und darauf achten müssen, der Jury genug Informationen zu liefern - oder eben bestimmte Dinge zu vermeiden, wenn sie nicht wollen, dass die Jury sie erfährt.
Besonders schwierig ist es, Fragen zu den Zeugen selbst vorzubringen, denn hier achtet man durchaus auch auf den Zeugenschutz. Fragen müssen immer für den Fall relevant sein und dürfen nicht nur dazu da sein, die Zeugin unsympathisch wirken zu lassen usw. Manchmal geht es aber darum, die Glaubwürdigkeit zu beurteilen.
Beispiel: Zenzi beobachtet, wie der Theo den Ottokar vor ihrer Haustür mit einem Masskrug erschlägt. Fragt der Verteidiger jetzt auf einmal: Sagen Sie mal, Zenzi, wieviele Liebhaber haben sie denn so in einer Woche? Die Frage wäre unzulässig, denn sie dient wohl nur dazu, Zenzi als leichtes Madl darzustellen. Er wird freilich sagen: nein, das geht um die Glaubwürdigkeit. Jemand mit so lockerem Lebenswandel wird bestimmt auch leichter lügen. Hier muss der Richter genau wissen, was er tut und in so einem Fall wohl die Frage verbieten.
Trial attorneys, wie ich, also Anwälte, die zumeist in Prozessen agieren, müssen sich extrem gut mit den Regeln auskennen und sehr aufpassen, was und wie im Prozess gefragt wird. Denn, auch das ist wichtig, wenn die andere Seite nicht protestiert, kann und wird der Richter die Frage zulassen. Deshalb erlebt man im Prozess sehr oft den "Einspruch, Euer Ehren... (objection, Your Honor!)" Der einsprechende Anwalt muss begründen, warum er meint, die Frage sei nicht zulässig. Bevor die Zeugin antwortet, muss der Richter entscheiden. Auch das ist manchmal nicht ganz einfach, denn manchmal antworten die Zeugen bevor man sie stoppen kann. Daher muss man alle Zeugen instruieren, vor der Antwort immer abzuwarten, ob Einspruch erhoben wird.
In unserem Beispiel oben sollte Zenzi also nicht spontan sagen: so 7 bis 12 pro Woche. Denn dann kann der negative Eindruck bei der Jury bereits geschehen sein. Sie muss warten, ob der Richter die Frage zulässt oder nicht. Im schlimmsten Fall kann der ganze Prozess platzen.
Prozessführung durch richtiges Fragen und richtiges protestieren ist also die hohe Kunst der anwaltlichen Vertretung und eine Verhandlung ist daher eine sehr durchdachte Choreographie. Im Amerikanischen durch den deutsch-jiddischen Begriff "Spiel" bezeichnet: The attorneys do their spiel.
Zurück zu unserem Fall: selbst wenn nun Bethany aussagen muss, ist es die Aufgabe des Richters darauf zu achten, dass die Aussage auch wirklich relevant ist. Empfindet er sie als irrelevant, dann nutzt das Ganze der Verteidigung BKs nichts. Ihre Fragen werden dann nicht erlaubt. Oder, der zuständige Richter hier wird sie nicht einmal verpflichten, überhaupt nach Idaho zu kommen. Insofern bin ich neugierig, was die Verteidigung hier meint, was sie aussagen könnte.