Eine Wende des Strafrechts: Der Fall F. von Möhlmann
07.04.2023 um 14:48Lento schrieb:Das ist der Schlüsselsatz. Zum Zeitpunkt seines Freispruchs gab es nicht diese Analysemethode des Haares. Sie muss also danach NACH seinem Freispruch analysiert worden sein.Ja, die Analyse erfolgte ganz sicher nach dem Freispruch. Der TV wurde 1983 freigesprochen, die Untersuchung erfolgte 2012.
Kohlhaas schrieb:Und warum hätte man das tun sollen? Nach damaliger Gesetzeslage hätte man ja nichts damit anfangen können, auch wenn man was gefunden hätte. Den § 362 Nr. 5 StPO gab es bekanntlich noch nicht.Die Frage, warum sie das getan haben, werden Dir nur die Ermittler beantworten können.
Man muss doch hier zwei Untersuchungen trennen.
Man hat sich die Asservate noch mal vorgenommen und dabei auch die Damenbinde aus dem Slip des Opfers untersucht, an der Sperma nachgewiesen werden konnte, aus dem wiederum dann die DNA-Analyse erfolgte.
Natürlich ware dieses Untersuchung erlaubt und sinnvoll. Es gab einen Freispruch gegen einen TV und das bedeutet, dass der Fall nicht geklärt ist. Rein logisch gibt es zwei Varianten: a) der freigesprochene TV war der Täter, die Beweise haben nicht ausgereicht oder aber b) der freigesprochene TV war nicht der Täter, also muss jemand anderes die Tat begangen haben.
Mit letzer Gewissheit kann niemand entscheiden, ob Variante a) oder b) zutreffen, es muss immer in alle Richtungen ermittelt werden, auch wenn das Bauchgefühl, die Überzeugung oder was auch immer der Ermittler sagt, dass Variante a) zutreffend ist. Deshalb ist es legitim und sogar geboten, in dem Fall weiter zu ermitteln.
Die zweite Untersuchung wurde an einem Haar des freigesprochenen TV durchgeführt, das sich noch bei den Asservaten befand. Und @Lento meint eben, dass diese Untersuchung nicht hätte stattfinden dürfen.
Ich bin da aber nicht sicher. Es ist ja oft auch gar nicht trennbar, ob "in einem Fall" ermittelt wird, oder gegen eine bestimmte Person. Natürlich ist es ein Unterschied, die im Slip gefundene DNA in eine Datenbank einzugeben und abzufragen, ob sie irgendjemandem zuzuordnen ist und dann zufällig das Ergebnis zu bekommen, dass die dem Freigesprochenen gehört - oder aber gezielt dessen Haar hervorzukramen und es zu untersuchen.
Aber diese Untersuchung war ja eigentlich absolut sinnvoll. Ansonsten hätte man vielleicht jahrelang ermittelt, Ressourcen an Arbeit und Geld in den Fall gesteckt, obwohl ein anderer Täter gar nicht ermittelbar war. Rein rational und logisch war es also, das Haar zu untersuchen und abzugleichen, eben im Hinblick auf die Frage, ob Ermittlungen gegen andere Personen bzw. gg. Unbekannt überhaupt sinnvoll sind. In diesem Fall kann man also die Untersuchung als Teil der Ermittlungen "im Fall F. von Möhlmann" sehen, obwohl natürlich bekannt war, dass das Ergebnis den freigesprochenen TV hätte belasten können.
Ganz sicher hätte aber der Vater und die Öffentlichkeit nichts von dem Ergebnis erfahren dürfen. So schwer das ethisch-moralisch zu ertragen ist, es ging ihm einfach nichts an und er hatte kein Recht, dieses Ergebnis zu kennen. Die Polizei arbeitet nicht in seinem Auftrag, er hat als Angehöriger kein Recht, die Ergebnisse der Polizei zu erfahren, zu kontrollieren und zu bewerten.
Für mich liegt der Fehler also vielmehr in der Veröffentlichung des Untersuchungsergebnisses gegenüber dem Vater und damit gegenüber der allgemeinen Öffentlichkeit, als in der Durchführung der Analyse.