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Eine Wende des Strafrechts: Der Fall F. von Möhlmann

678 Beiträge ▪ Schlüsselwörter: Mord, Celle, Strafrecht ▪ Abonnieren: Feed E-Mail

Eine Wende des Strafrechts: Der Fall F. von Möhlmann

28.02.2022 um 08:41
Zitat von kleinbrummkleinbrumm schrieb:Dem ist im Grunde nichts hinzuzufügen
Ich frage mich jedoch, warum die bereits vor der Gesetzesänderung vorgesehenen Gründe für eine Wiederaufnahme zuungunsten des Beschuldigten nicht beanstandet werden, der neu hinzukommende Punkt aber derart vehement abgelehnt wird, obwohl er sich auf schwerste Verbrechen beschränkt.


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Eine Wende des Strafrechts: Der Fall F. von Möhlmann

28.02.2022 um 08:58
Zitat von kleinbrummkleinbrumm schrieb:Dem ist im Grunde nichts hinzuzufügen; und ich hoffe, daß das unsägliche Gesetz vom BVG demnächst gekippt wird
So ist es. Prantl hat das recht gut erklärt.


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Eine Wende des Strafrechts: Der Fall F. von Möhlmann

28.02.2022 um 09:56
Wobei Prantl meint, so tun zu müssen, als ob die Neuregelung demnächst nicht mehr auf schwerste Verbrechen beschränkt sein soll, sondern ausgedehnt wird auch auf Raub, Totschlag, Sexualstraftaten.

Das ist allerdings Populismus, dafür gibt es keine Anzeichen, und wer sich die Gesetzesmaterialien durchliest, wird feststellen, dass der politische Wille - parteiübergreifend - dahin geht, es bei der Anwendung der Neuregelung auf unverjährbare und mit lebenslanger Freiheitsstrafe bedrohte Verbrechen strikt zu belassen.


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Eine Wende des Strafrechts: Der Fall F. von Möhlmann

01.03.2022 um 02:18
Zitat von AndanteAndante schrieb:Das ist allerdings Populismus, dafür gibt es keine Anzeichen, und wer sich die Gesetzesmaterialien durchliest, wird feststellen, dass der politische Wille - parteiübergreifend - dahin geht, es bei der Anwendung der Neuregelung auf unverjährbare und mit lebenslanger Freiheitsstrafe bedrohte Verbrechen strikt zu belassen.
Das mag bei Prantl so sein, allerdings sind wir Juristen ja oft gerade deswegen bekannt, dass wir "Prinzipienreiter" sind. Und da kommt die Frage auf, warum Opfer der einen Straftat weniger verdient haben sollen, dass der Täter, der ihnen Schaden zugefügt hat, doch noch bestraft wird, als andere. Oder mit anderen Worten: das Opfer, das vergewaltigt wurde, schwerst verletzt mit vielen bleibenden Gesundheitsschäden aber glücklicherweise überlebte, soll also erleben, dass der ungerechtfertigte Freispruch bestehen bleibt und sein Täter frei herumlaufen wird, während der Täter der bei gleicher Tatausführund den Tod des Opfers verursachte, nur noch einen Freispruch auf Zeit bekommt.

Aber gut, hier sind die wirklich Schuldigen im Blick. Ich bin aus anderen Gründen sehr gegen diese Gesetzesänderung, wie ich ja vor einiger Zeit schon einmal dargelegt habe. Gerade weil bei diesen Verbrechen die staatlichen Sanktionen, die im Raum stehen, die schwersten sind, sollte dem einmal Angeklagten auch Rechtssicherheit gegeben werden. Wer einmal durch ein Strafverfahren wegen Mordes gegangen ist und sich erfolgreich verteidigt hat, weiss, wie sehr das Leben dadurch beeinträchtigt und oft für immer verändert wird. Ob ein Unschuldiger, und um diese geht es jetzt hier, das mehr als einmal durchstehen wird, ohne psychischen, finanziellen und anderen Schaden zu nehmen, wage ich zu bezweifeln.

Die Römer mögen manch sonderbares Verhalten an den Tag gelegt haben, aber sie waren in vielen Bereichen auch eine sehr intelligente Gesellschaft. Dass sich der Grundsatz "ne bis in idem" seit der Römerzeit weltweit in allen zivilisierten Gesellschaften erhalten hat, hat schon seine Gründe.


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Eine Wende des Strafrechts: Der Fall F. von Möhlmann

01.03.2022 um 12:55
Zitat von Rick_BlaineRick_Blaine schrieb:Aber gut, hier sind die wirklich Schuldigen im Blick.
Ja, richtig. Allerdings zeigt die Rechtsentwicklung, dass hier entscheidend auch die Opfersicht bzw. vielmehr, da das Opfer tot ist, die Sicht der Angehörigen des Opfers eine Rolle gespielt hat. Ohne den jahrelangen Kampf des Herrn v. Möhlmann wäre es zu der Neuregelung nicht gekommen.

Persönlich meine ich, dass der Rechtsstaat eben auch in den Augen von Opfern bzw. Opferangehörigen Rechtsstaat bleiben muss, und wenn rechtliche Regelungen so sind, dass sie in diesen Augen unter keinen Umständen mehr akzeptabel und verständlich sein können, muss man sich als Gesetzgeber damit befassen. Der Grundsatz „ne bis in idem“ war ja durch die bisherige Fassung des § 262 StPO für bestimmte Konstellationen ohnehin schon durchbrochen. Nun wird eine eng begrenzte neue Durchbrechungsmöglichkeit hinzugefügt.

Letztlich wird über die Rechtmäßigkeit der Neuregelung natürlich das Bundesverfassungsgericht entscheiden. Aber ich kann mich durchaus den Ausführungen von Prof. Eisele anschließen, so wie sie hier dargelegt sind:

https://www.lto.de/recht/hintergruende/h/mord-wiederaufnahme-stpo-prozess-aenderung-gg-verfassungsrecht-freispruch-doppelverfolgung/


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Eine Wende des Strafrechts: Der Fall F. von Möhlmann

02.03.2022 um 04:13
Zitat von AndanteAndante schrieb:Letztlich wird über die Rechtmäßigkeit der Neuregelung natürlich das Bundesverfassungsgericht entscheiden. Aber ich kann mich durchaus den Ausführungen von Prof. Eisele anschließen, so wie sie hier dargelegt sind:
Mich überzeugen diese Ausführungen keineswegs, aber man wird sehen was das Bundesverfassungsgericht und evtl. auch der Europäische Menschenrechtsgerichtshof entscheiden werden. Spannend ist das auf jeden Fall.

Hat der notorische Herr Fischer, der ja sehr viel und ab und zu auch Interessantes schreibt, sich dazu eigentlich schon gemeldet?


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Eine Wende des Strafrechts: Der Fall F. von Möhlmann

02.03.2022 um 10:36
@Rick_Blaine

Ja, Herr Fischer hat sich mal während des Gesetzgebungsverfahrens geäußert, wie immer wortgewaltig, in der Sache mE jedoch nicht immer überzeugend. So geht es beispielsweise bei der Wiederaufnahme nicht darum, diesmal „etwas richtig“ zu machen, was das Gericht vorher „falsch“ gemacht hat. Fischer unterschlägt da mal ganz lässig die NEUEN Tatsachen und Beweismittel. Aber seí´s drum, so isser halt :D

https://www.spiegel.de/panorama/justiz/wiederaufnahme-nach-mord-freispruch-gerechtigkeit-neuer-versuch-a-51d5df32-2a3b-4095-a64f-cee13bc69692


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Eine Wende des Strafrechts: Der Fall F. von Möhlmann

03.03.2022 um 00:31
@Andante

Dort beschäftigt er sich sehr genau mit dem Wortlaut des Gesetzes und spricht über "dringende" Gründe und vergleicht es mit der Untersuchungshaft, für die es ebenfalls einen dringenden Verdacht erfordert. Er spricht natürlich die Summe der Beweise einschl. der neuen. Ich sehe nicht, was den schweren Vorwurf einer "Unterschlagung" rechtfertigt.

Hier der zitierte Gesetzestext mit einer anschließenden Betrachtung der Summe der Bewesimittel:
Die vorgeschlagene neue Regelung sieht eine Wiederaufnahme vor,
wenn neue Tatsachen oder Beweismittel beigebracht werden, die allein oder in Verbindung mit früher erhobenen Beweisen dringende Gründe dafür bilden, dass der freigesprochene Angeklagte wegen Mordes (…) verurteilt wird.
Der frühere Freispruch muss sich nicht auf eine Mordanklage beziehen; es reicht, wenn der damals angeklagte Tatkomplex nicht bewiesen werden konnte und nun die Möglichkeit besteht, dass da vielleicht doch (auch) ein Mord dabei war. Ob »der freigesprochene Angeklagte verurteilt wird«, ist natürlich beim zweiten und dritten Mal genauso offen wie beim ersten Mal. Wenn »dringende Gründe« immer zwingende Gründe wären, müsste ja auch jede U-Haft-Anordnung zur Verurteilung führen, und das ist bekanntlich nicht so. Urteile sprechen bei uns Gerichte, nicht Staatsanwälte oder Polizisten, die wegen »dringender Gründe« lebenslang vermeintlich ungerechtfertigte Freisprüche »korrigieren« möchten. Auch die fleißigen Investigativ-Teams, die sich selbstlos auf die Nachprüfung längst verflossener Prozesse spezialisieren, ergründen bestenfalls neue Vorwürfe, produzieren aber keine »gerechten Verurteilungen«.
Quelle: https://www.spiegel.de/panorama/justiz/wiederaufnahme-nach-mord-freispruch-gerechtigkeit-neuer-versuch-a-51d5df32-2a3b-4095-a64f-cee13bc69692


DNA ist auch nie ein eindeutiger Beweis und daher auch nie der Einzige. Es müssen weitere hinzukommen und die Summe dieser Beweismittel wird natürlich von Jahr zu Jahr schlechter, so können auch Entlastungszeugen versterben etc.. Hinzu kommt, dass in Strafverfahren keine Wortprotokolle geführt werden, Richter, StA und Verteidiger machen sich währenddessen nur Notizen. Nehmen wir mal an, dass ein Entlastungszeuge verstorben ist und dieser hatte maßgeblich zum Freispruch geführt? Übrig bleibt nur die Urteilsbegründung. Nehmen wir mal an, dass damals keine Revision eingelegt wurde, dann liegt nur ene kürzere Urteilsbegründung vor. Was dann?

Wir haben hier nur den Fall Möhlemann vor uns, wo die Sache eindeutig erscheint. Es ist immer kritisch Gesetze nur eines Falles wegen zu ändern, der vielleicht schon vor der Rechtskraft zur Verurteilung geführt hätte, wenn Revision eingelegt worden wäre.


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Eine Wende des Strafrechts: Der Fall F. von Möhlmann

03.03.2022 um 03:17
Ah danke, dachte ich mir doch, dass er sich die Gelegenheit nicht entgehen lassen wird, dazu etwas zu sagen.
Wenn »Gerechtigkeit« bedeutete, dass alles Strafbare irgendwann bestraft werden muss, dann gäbe es keinen Grund, diesen Grundsatz nur bei Mord anzuwenden, nicht aber bei schwersten Körperverletzungen, Sexualstraftaten, Existenz-vernichtenden Vermögensstraftaten. Die derzeitigen Behauptungen, die Erweiterung der Wiederaufnahme solle nur für unverjährbare Taten gelten, ist ohne Plausibilität, denn mit der Gerechtigkeit hat das Argument gar nichts zu tun, und man könnte die Wiederaufnahmemöglichkeit einfach an die Verjährungsfrist koppeln. Jeder, der heute Eide schwört, es handle sich um eine »ganz begrenzte Ausnahme«, weiß genau, dass spätestens in zwei Jahren die nächsten Erweiterungen folgen werden. Warum auch nicht?
Quelle:

Das hatte ich oben auch schon angemerkt, das "Gerechtigkeitsargument" zieht hier gar nicht.

Den für meine Überzeugung wichtigsten Punkt streift er hier nur, aber @Lento
spricht ihn oben gut an. Fischer:
Für den Grundsatz gibt es gute Gründe in der Form und der Verfahrensökonomie. Es gibt aber auch gute Gründe im Inhalt. Die Taten werden nicht frischer, die Beweise nicht besser, das Strafbedürfnis nicht größer im Laufe der Zeit; das ist wie bei der Verjährung.
Zitat von LentoLento schrieb:Es müssen weitere hinzukommen und die Summe dieser Beweismittel wird natürlich von Jahr zu Jahr schlechter, so können auch Entlastungszeugen versterben etc.. Hinzu kommt, dass in Strafverfahren keine Wortprotokolle geführt werden, Richter, StA und Verteidiger machen sich währenddessen nur Notizen. Nehmen wir mal an, dass ein Entlastungszeuge verstorben ist und dieser hatte maßgeblich zum Freispruch geführt? Übrig bleibt nur die Urteilsbegründung. Nehmen wir mal an, dass damals keine Revision eingelegt wurde, dann liegt nur ene kürzere Urteilsbegründung vor. Was dann?
Genau. Mir graut es vor der Idee, einen Angeklagten verteidigen zu sollen, dessen angebliche Tat Jahrzehnte zurückliegt und an dem einmal bereits die Staatsanwaltschaft mit ihrer Bürde gescheitert ist, die Tat zu beweisen. Und das, als die Zeugen und Indizien noch frisch waren. Ist die Hälfte der Entlastungszeugen erst einmal verstorben oder vegetiert dement vor sich hin, wird es leichter anzuklagen. Und nein, DNA ist eben nicht wie im Fernsehen immer ein unschlagbarer Beweis gegen den Angeklagten. Usw.


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Eine Wende des Strafrechts: Der Fall F. von Möhlmann

03.03.2022 um 09:29
Zitat von Rick_BlaineRick_Blaine schrieb:Genau. Mir graut es vor der Idee, einen Angeklagten verteidigen zu sollen, dessen angebliche Tat Jahrzehnte zurückliegt und an dem einmal bereits die Staatsanwaltschaft mit ihrer Bürde gescheitert ist, die Tat zu beweisen. Und das, als die Zeugen und Indizien noch frisch waren. Ist die Hälfte der Entlastungszeugen erst einmal verstorben oder vegetiert dement vor sich hin, wird es leichter anzuklagen. Und nein, DNA ist eben nicht wie im Fernsehen immer ein unschlagbarer Beweis gegen den Angeklagten. Usw.
Man müsste da auch den vor nicht allzu langer zurückliegenden Fall bzgl. des Schlossgartenmordes in Aschaffenburg betrachten.

Da hat die StA versucht einen Mord zu beweisen. Leider sind die meisten Artikel zu diesem Fall hinter einer Bezahlschranke verschwunden Daher muss ich es versuchen aus dem Gedächtnis zu rekonstruieren. Einige habe ich mir damals aufgehoben.

Dort lag im Zeitpunkt der Anklage ein einziges Gutachten vor, was mit einer hohen Wahrscheinlichkeit den Angeklagten als Täter zeigen sollte (er war etwa 1 Jahr lang U-Haft, die Gründe waren also dringend). Mitten im Verfahren machte dann das Gericht Gutachtertätigkeit und erkannte schwere Fehler im Gutachten. Erst dann ließ es von einem weiteren Gutachter die Sache betrachten, der zu einer anderen Ansicht kam, dass man weder in die eine noch in die eine Richtung man etwas sagen kann. Im Verfahren wurde auch ein Polizeibeamter befragt, der dem Angeklagten damals vor 40 Jahren (ohne es zu Wissen) ein Alibi gegeben hatte, was von der STA jedoch nicht ausreichend beachtet wurde. Erst im Verfahren sind die Richter die sich aus diesem Alibi ergebenen Gehwege abgegangen (ich glaube das war auch zum Zeitpunkt der Überprüfung des Gutachtens durch das Gericht). Es wurde dann auch ein entsprechender Auftrag noch an die Ermittler gegeben. Es ist nicht klar geworden, weshalb diese Wende im Verfahren erfolgte, vorher hatte das Gericht noch das Gutachten als glaubwürdig angesehen und ein weiteres Gutachten abgelehnt. Die Befragung des Polizeibeamten war kurz vorher und daher kann man nicht ausschließen, dass genau diese Befragung die Wende ergeben hatte. Und dann kann man durchaus die berechtigte Frage stellen, was wäre gewesen, wenn der Polizeibeamte dement oder nicht mehr am Leben gewesen wäre.

Dieser Fall zeigt deutlich, wie fraglich es ist, dass neue Beweise wirklich den möglichen Verlust der alten kompensieren.

Zusätzlich gehen Menschen in Fall des Freispruchs vollkommen unberechtigt zweimal durch die Hölle und das normale Leben, wird erneut zerstört und es ist sehr fraglich, ob derjenige es nochmal (weil er deutlich älter sein wird) halbwegs wieder aufbauen kann. Für dieses durch die Hölle gehen, bekommt er keinerlei Entschädigung vom Staat. Nur für die U-Haft bekommt er im europäischen Vergleich eine sehr geringe Haftentschädigung.

Auch eine andern Punkt sollte man bedenken, die Strafhaft hat auch einen präventiven Charakter. Allein dass der Verurteilte in Haft sitzt, soll weitere Taten verhindern und dem Täter soll durch die Haft klar gemacht werden, dass er in Zukunft keine solche Taten mehr begehen soll. Was ist, wenn er über einen langen Zeitraum überhaupt keine Taten begangen hat? Dann hat das Gericht jedenfalls laut Gesetz keinerlei Spielraum die Strafe zu verringern. Hier wird wieder mal die Problematik des Mordparagraphen deutlich, die schon lange in Kritik steht. Wäre er zeitnah verurteilt worden, wäre er wahrscheinlich wieder auf freiem Fuß.

Ich halte das Gesetz aus diesen Gründen für völlig unausgegoren und schließe mich der Ansicht Fischers Voll und Ganz an.


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Eine Wende des Strafrechts: Der Fall F. von Möhlmann

03.03.2022 um 09:37
@Lento
Das ist auch ein gutes Beispiel. Man sieht, es hat durchaus einen Sinn, dass dieser uralte Rechtsgrundsatz, der jetzt beiseite gewischt wurde, besteht.

Freilich ist es unbefriedigend, wenn ein wahrer Täter straffrei davonkommt. Aber hier gilt m.E. auch, was schon viele berühmte Juristen, Theologen und andere gesagt haben: es ist besser ein Schuldiger kommt straffrei davon als dass ein Unschuldiger bestraft wird. Und die Gefahr, dass das passiert wird leider grösser.


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03.03.2022 um 20:21
Zitat von LentoLento schrieb:Im Verfahren wurde auch ein Polizeibeamter befragt, der dem Angeklagten damals vor 40 Jahren (ohne es zu Wissen) ein Alibi gegeben hatte, was von der STA jedoch nicht ausreichend beachtet wurde.
Es war in diesem Fall ehrlich gesagt genau andersrum – der Polizeibeamte hatte damals im Rahmen der ursprünglichen Ermittlungen dem Verdächtigen (unfreiwillig) ein Alibi verschafft (er sagte aus, er hätte diesen zum Tatzeitpunkt an einem anderen Ort in der Stadt gesehen).
In dem aktuellen Prozess kam dann heraus, dass es sich da um eine Verwechslung gehandelt hatte und das Alibi des Tatverdächtigen demnach geplatzt war. Der (meiner Meinung nach zweifelhafte) Freispruch erfolgte aus anderen Gründen (Verwirrung bei den Gutachten). Ändert nichts an deiner Meinung, ich weiß, nur um das klarzustellen, damit keine unkorrekten Fakten im Aschaffenburger Fall unkommentiert stehen bleiben.


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03.03.2022 um 21:29
@Sühne

nein, so war es nicht. Ursprünglich hatten die Ermittler geglaubt dass dieses Alibi aus dem Grund geplatzt war, weil sich dieser Polizeibeamte bei der Vermsstenanzeige des Opfers in der Uhrzeit geirrt hatte. Die StA/Ermittler nahmen an, dass entsprechendes auch für die Sichtung des Angeklagten selber gehandelt hat. Er hatte ihn bei einem Polizeieinsatz gesehen. Das Gericht sah das anders als die StA, nachdel es den Polizeibeamten als Zeuge befragt hatte und gefragt hatte, wie die dokumentierten Zeiten zustande kamen. Er hatte sie damals aus dem Akten des Polizeieinsatzes entnommen, bei dem er den Angeklagten gesehen hatte.

Leider sind die meisten Artikel mittlerweile hinter einer Bezahlschranke verschwunden. Ich hatte mir damals die Urteilsbegründung aus dem Main-Echo aufgehoben. Damals hatte ich auch noch ein Abo. Hier die Begründung des Gerichts aus dem Main-Echo:
Alibi nicht ausgeschlossen
Des Weiteren geht die Kammer davon aus, dass nicht ausgeschlossen werden kann, dass Norbert B.
ein Alibi hat. Dies ergib sich laut Gericht aus der zeitlichen Rekonstruktion des Tatgeschehens. Die
Kammer nahm hier Bezug auf eine wohl falsche Zeitangabe in einem Polizeivermerk: Selbst wenn der
Polizist B. etwas später gesehen hätte, könne dies nicht allzu viel später gewesen sein.
WVon einer Verwechselung war nie die Rede.


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03.03.2022 um 22:01
Ich habe hier nochmal gesucht und ein Artikel gefunden, aus dem die Fehler der Gutachterin deutlich erauskommen:

https://www.zm-online.de/news/gesellschaft/zahnaerztliches-gutachten-ist-wertlos/

Sie hatte zum Zeitpunkt der Tat auch fehlende Zähne behauptet, in Wirklichkeit wurden die erst später gezogen. Das ist nicht einfach nur eine Verwirrung sondern sehr grobe Fehler. Sie hatte die Akte des Angeklagten nicht ausreichend durchforstet.


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03.03.2022 um 23:47
Aus einem aktuellen Artikel der „Zeit“:
Auch das Alibi wackelt, da die Beamten einen Vermerk jenes Polizeibeamten finden, der xxxx damals in der Stadt gesehen haben wollte. Hierin hat sich der Kollege bei der Zeitangabe definitiv um eine halbe Stunde vertan. Hatte er xxxx also eine halbe Stunde früher gesehen als angenommen? War seine Uhr kaputt? War es Pech oder Schlendrian, dass der Junker-Mord nicht aufgeklärt wurde?
Quelle: „Zeit“ vom 24.02.2022

Dort wird es anders dargestellt, der Polizeibeamte hat den Verdächtigen wohl in Wirklichkeit FRÜHER gesehen, als ursprünglich angegeben. Damit hätte er dann danach zur Tatzeit am Tatort sein können. Der Beamte hat also die Uhrzeit verwechselt, das meinte ich.
Dass erwiesenermaßen ein anderes, ungefähr gleich altes Mädchen nur wenige Tage vorher am exakt gleichen Ort vom Tatverdächtigen sexuell belästigt wurde und ebenfalls nach exakt dem gleichen Muster in die Brust gebissen wurde, entlastet den Tatverdächtigen meiner Meinung nach auch nicht wirklich….!


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04.03.2022 um 00:25
Wie gesagt, ich habe das Urteil zitiert, so wie es im Main-Echo vermerkt ist. Was Du zitierst scheint irgendein Zwischenstand zu sein, vermutlich noch vor der Befragung des Polizeibeamten.

Gerichte sind dazu da Zeugenaussagen zu bewerten. Und die kann dann von dem abweichen, was vorher vermutet wurde. In einer Verhandlung stellt die StA Fragen an den Zeugen, die Verteidigung und auch das Gericht selber. Das kann dann durchaus abweichen von dem, was im Vorfeld scheinbar bekannt war. Wie gesagt, hier hatte der Zeuge ausgeführt wie genau er die Zeit damals im Aktenvermerk ermittelt hatte. Er selber kannte schon die Zeiten nicht mehr, als er den Vermerk erstellte, er hatte sie aus den Akten des Einsatzes ermittelt, daher nahm offenbar das Gericht diese als genauer an als vorher die Anklage. Mal ehrlich, wie will man überhaupt nach 40 Jahren überhaupt Zeiten anzweifeln? Das ist sowieso ein Ding der Unmöglichkeit.

Außerdem ist es in D vollkommen egal ob der Angeklagte ein Alibi hatte, laut Gerichtsurteil hatte er wahrscheinlich eins und selbst wenn er keins gehabt hätte, was meist der Fall ist, dann muss ein Gutachterin auch sämtliche Unterlagen in Augenschein nehmen. Wenn Sie das nicht tut ist das Gutachten nicht mehr brauchbar und da es keine anderen wirklichen Gründe mehr gab, war der Angeklagte natürlich frei zu sprechen. Dieses falsche Gutachten hatte die Sache überhaupt erst ins Rollen gebracht.

Außerdem, da wären wir wieder beim Thema, was wäre gewesen, wenn diese zahnärztlichen Unterlagen nicht mehr da gewesen wären, aus dem sich gezeigt hat, dass der Angeklagte den Zahn, den die Gutachterin als nie angelegt gesehen hatte in Wirklichkeit gezogen bek0ommen hat?

Dieses Urteil ist in vielerlei Hinsicht ein Beispiel, welche die die Ansicht von @Rick_Blaine, die von Fischer und auch mir bestärkt.

Und Du bist auch nur der Ansicht, dass der Angeklagte der Täter ist, weil überhaupt erst Anklage erhoben wurde, die in Wirklichkeit ohne den sehr schweren gutachterlichen Fehler nie erhoben worden wäre. Du hältst diesen Freispruch in Wirklichkeit für nicht richtig und ähnlich wird auch die Umgebung des Freigesprochenen denken. Und genau das ist das Problem von solchen Anklagen, Freigesprochene benötigen lange Zeit um wieder in die Normalität zu finden, weil die Umgebung weiterhin an die Täterschaft glaubt. Manchmal müssen sie den Wohnort wechseln, häufig haben sie ihre Arbeit verloren. Bei Bewerbungsgesprächen haben sie immer eine Fehlzeit, welche sie dem dem potentiellen Arbeitgeber nicht erklären können, nichts ist mehr so, wie es vorher war. Das bisschen an Haftentschädigung, dass D zahlt kompensiert das nicht im Geringsten. Genau das gehört zur Hölle, von der ich vorhin schrieb. Und das ist ein extrem schwerer Eingriff in das Leben eines Menschen, den die Justiz verschuldet hat und daher kann man durchaus der Ansicht sein, dass der Staat dieses Recht nur einmal ausüben darf. Wie heißt es so schön, andernfalls wird Recht zu Unrecht.

ne bis in idem, wie er bisher gelebt wurde, ist ein guter Grundsatz.


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04.03.2022 um 08:53
PS:
Ich habe doch noch in meinen abgelegten Main-Echo-Artikeln den Artikel gefunden, wo erklärt wurde, warum die Ermittler/StA glaubten, dass das Alibi geplatzt sein konnte:
Verdächtigenermittlung: Norbert B. geriet schon kurz nach der Tat ins Visier der Kripo. Diese befragte den damals 17-Jährigen zweimal als Beschuldigten, verfolgte die Spur aber nicht weiter. Der Grund: Ein Schutzpolizist vermerkte nachträglich - drei Wochen nach J.s Tod - in einer Akte, den wohl polizeibekannten Jugendlichen in der Ohmbachsgasse gesehen zu haben. Diese liegt rund einen Kilometer entfernt von der Kolpingstraße. Dort war zehn Minuten vor B.s Sichtung Christiane J.s Stenokurs zu Ende gegangen. Derselbe Polizist hatte bei der Aufnahme der Vermisstenanzeige, die Christiane J.s Eltern noch am Tatabend aufgaben, die Uhrzeit falsch notiert. Das war Jahrzehnte später Ansatzpunkt, die Spur zu Norbert B. erneut aufzunehmen.
Main Echo vom 14.01.2020 - 21:03 Uhr.

Hier sieht man, warum die Ermittler/StA als nicht mehr so haltbar angesehen hatten. Er hatte sich in der einen Zeit geirrt, die des Telefonanrufs der Eltern, also kam die Vermutung auf, dass er sich auch bei der Angabe der anderen Zeiten geirrt hatte. Mehr steckte nicht dahinter.

Natürlich konnte der Beamte dann sich in der Verhandlung nicht mehr die Gründe für die Genauigkeit seiner Angaben erinnern, dass ist unmöglich. Nur wenn das Verfahren in der Zeit nach dem Mord gewesen wäre, hätte er sich daran wirklich erinnern können. In Wirklichkeit beruhte die vorsichtigere Einschätzung des Gerichts im Urteil bzgl. dieses Alibis nur noch darauf, weil der Beamte nicht mehr wusste, wie er auf diese sehr genaue angegeben Zeiten kam. In Wirklichkeit ist das einzig und allein nur durch diese lange Zeit schlechter geworden.

Dieses Verfahren ist daher ein sehr guter Beleg, warum Beweise nach so vielen Jahren ihren Wert verlieren, bei einem zeitnahen Verfahren hätte diese Aktennotiz und eine Befragung des Beamten durchaus zu einem Beweis der Unschuld führen können., von dem damals die Ermittler auch ausgegangen waren, sie stellten die Ermittler gegen ihn ein. Es ist unmöglich anzunehmen, dass man es 40 Jahre später besser einschätzen kann.

Dieser Fall stützt geradezu exemplarisch die von @Rick_Blain oben genannten Punkte.

Nur wegen dieser Vermutung der STA/Ermittler wurde dann 40 Jahre später Ermittlungen aufgenommen, die unbeabsichtigt zu einem sehr falschen Gutachten geführt hatten.

Unsere unterschiedlichen Erinnerungen zeigen zusätzlich, wie schwierig Ermittlungen nach so langen Zeiten sind. Obwohl unsere Erinnerungen nur etwas älter als 2 Jahre sind, unterscheiden sie sich schon sehr deutlich, Du glaubst, dass das Alibi geplatzt gewesen sei, ich hatte es nun anders in Erinnerung und durch den Main-Echo-Artikel recht gut belegt wird. In diesem Fall wird die ganz deutlich, wie schwer es auch einen Verteidiger fallen wird, in einem so späten Verfahren der Anklage etwas gegen zu setzen.

Es war ein Fehler des Gesetzgebers diese Gesetzesänderung nur an den Fall Möhlmann zu hängen, bei dem der Rechtsweg nicht komplett gegangen wurde. Bei den berechtigten Fragen, wie häufig dieser Fall eintreten wird, gaben damals die im Bundestag Befragten keine konkreten Antworten.


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04.03.2022 um 15:31
Man kann sagen, was man will. Ich finde, dass dieses Gesetz längst überfällig war und es war wichtig, dass man sich auf dieses Gesetz verständigt hat.
Wir haben nun endlich ein Gegenstück zu der Wiederaufnahme zugunsten eines Verurteilten, die Wiederaufnahme von Amtswegen zu ungunsten eines bereits rechtskräftig Freigesprochenen.
Im Fall Frederike von Möhlmann ist das Ganze sehr eindeutig.
Laut Medienbericht entscheidet das Landgericht Verden nun über die Zulassung der Wiederaufnahme. Wegen Fluchtgefahr sitzt der erneut Beschuldigte in Untersuchungshaft, da es wohl Anzeichen dafür gab, er wolle sich in die Türkei absetzen.
Ich glaube übrigens nicht, dass nun jede Akte neu geöffnet und beurteilt wird, was ja die Bedenken so mancher - aber weniger - Juristen sind.
Es sind hier auch aus meiner Sicht keine Bedenken nach dem Grundgesetz zu sehen.
Denn es gilt auch der Grundsatz der vollständigen Aufklärung der Tat, der gerade bei neuen Beweisen auch zu Ungunsten eines bereits Verurteilten vorhanden sein muss.


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17.04.2022 um 20:04
Wird gerade bei "Kripo live" drüber berichtet. Ist aber noch nicht in Mediathek.


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21.04.2022 um 01:08
Das OLG hat die Beschwerde zurückgewiesen. Somit steigen die Chancen auf einen neuen Prozess, der hoffentlich kommt.
Das Oberlandesgericht Celle hat...den Weg frei gemacht für einen neuen Prozess
https://www.spiegel.de/panorama/justiz/mutmassliche-vergewaltigung-und-mord-vor-41-jahren-der-fall-frederike-von-moehlmann-darf-noch-einmal-vor-gericht-kommen-a-c841c6ef-64fe-4ddc-a9d8-d8c9bb7f5a14



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