lucyvanpelt schrieb:Aber bei allen Fällen die ich kenne,gab es Veränderungen im Verhalten vorher.
Rückzug, komische Sachen gemacht, kein Interesse mehr an den Hobbys usw.
Nev82 schrieb:Eben! Warum sollte er denn im Nachhinein den Schein gewahrt haben wollen?
Meine ursprüngliche Antwort zu diesem Thema bezog sich auf die Vermutung, Herr Sch. könnte den Suizid bereits länger geplant haben
MissRedford schrieb:Oftmals wird das komische Verhalten erst nach dem Ableben entdeckt und man erkennt dann die Anzeichen ..
Der weitaus überwiegende Teil von Menschen, die einen Selbstmrod begehen, planen den nicht von langer Hand für eine bestimmten Tag. Es ist eher so, dass sie diese Option ständig im Hinterkopf haben, in etwa nach dem Motto: "Wenn ich es gar nicht mehr ertragen kann, dann bringe ich mich halt um." Das verschafft ihnen in gewisser Weise Erleichterung, eben weil es für sie damit einen Notausgang gibt, den sie sicher nicht gerne wählen wollen, aber der für sie - so grotesk das klingen mag - eben eine Art Licht am Ende des Tunnels darstellt.
Wenn hier von vorherigen Anzeichen die Rede ist, dann geht es da nicht um Verhaltensänderungen, die direkt darauf hindeuten, dass jemand einen Suizid plant (z.B. keine Planungen/längerfristigen Einkäufe oder Buchungen mehr zu machen), sondern viel mehr auf Verhaltensänderungen die auf eine Depression hindeuten.
Gerade bei Männern und gerade auch bei Männern der Generation von Herrn Sch. ist eine Depression oft sehr mit Tabus behaftet. Ein großes Anliegen dieser Menschen ist genau, dass niemand erfährt, wie es ihnen aussieht. Obwohl sie keine Kraft und keinen Antrieb mehr haben, versuchen sie das bisherige Bild, dass andere von ihnen haben (sollen!), aufrecht zu erhalten. Sie haben keine Lust mehr auf ihre Hobbys und ziehen sich zurück von Angehörigen, Freunden und Bekannten. Gerade zwischenmenschliche Kontakte sind für diese menschen die Hölle, denn genau da müssen sie ja als ihr Schauspieltalent und damit auch all ihre Restenergie aufbieten um dynamisch, humorvoll und gut drauf rüber zu kommen.
Und natürlich sagen sie nicht ab mit der Begründung: "Ich hab im Moment einfach keinen Spaß mehr an irgendwas, es ist mir echt zu anstrengend mit Euch auf Motorradtour oder mit zur Schwiegermutter zu fahren." Diese Menschen sind sehr gut im ausreden erfinden, die allen Beteiligten dann auch plausibel erscheinen: "Ich kann nicht mit Euch auf Motoradtour, ich hab da schon einen Urlaub mit dem Wohnmobil geplant!" "Ich kann nicht mit zur Schwiegermutter, irgendjemand muss ja auf den Hund aufpassen."
Freunde und Familie denken dann nicht, dass derjenige in letzer Zeit aber auffällig schlecht drauf und antriebslos ist. Im Gegenteil, für sie kommt das dann sogar so rüber, als hätte derjenige einfach dauernd etwas zu tun, wäre total vielseitig interessiert, würde all seine vielen spaßbringenden Hobbys kaum unter einen Hut bringen können.
Bei einem Suizid fallen sie dann aus allen Wolken und dadurch kommen dann auch so Aussagen wie: "Von dem hätte ich das nie gedacht. Das hat man ihm vorher aber gar nicht angemerkt. Der war doch total vielseitig interessiert."
MissRedford schrieb:Die Familie will sich oftmals bei einem geliebten Menschen nicht eingestehen, dass dieser Todessehnsucht, Kummer oder sonst was hat , was ihn dazu bewegen könnte sich umzubringen. Nach dem Motto: das hätten wir doch gemerkt, er hat ja noch bestellt, gebaut, was weiß ich.. das hätte er doch niemals getan, wenn er vor hat sich umzubringen.. usw.
jenny863 schrieb:Vielleicht hat das was mit dem Gefühl des Versagens zutun oder dem Gefühl, die Person doch nicht richtig gekannt zu haben. Bis es Beiweise gibt, halten Angehörige mMn genau an diesen Sätzen fest.
Das kommt bei Familie und Bekannten eben noch hinzu. Man hat nicht gemerkt, wie schlecht es einem nahen angehörigen /Freund ging. Derjenige hat sie bewusst nicht daran teilnehmen lassen und sie von diesen Gefühlen ausgeschlossen, sie müssen sich deshalb keine Vorwürfe machen. Tut man aber eben trotzdem und die Erkenntnis, dass die Beziehung zu einem Menschen, mit dem man dachte, dass er und man selber alles an wichtigem im Leben und alle Gefühle teilen würde, eben doch nicht so eng war wie man dachte, kann das eigene Weltbild so massiv erschüttern, dass man sich das lieber nicht eingestehen möchte und lieber an einen Unfall oder ein Tötungsdelikt glauben möchte, dem derjenige unschuldig zum Opfer gefallen ist.