sooma schrieb:Bei Mord und Totschlag ist es aber sowieso unerheblich, ob die Tat geplant war oder spontan erfolgt ist.
Das ist in der Regel korrekt. Es scheint, dass trotz der Behandlung dieses Themas in so vielen Threads, immer noch eine Unklarheit besteht, was denn nun der Unterschied zwischen Mord und Totschlag im deutschen Recht ist. Und viele nehmen dann fälschlich an, es sei der Vorsatz.
In anderen Ländern kann das so sein, aber Deutschland hat eine sehr eigenwillige Definition, die man im Ausland so eigentlich nirgends sonst findet. Dies muss man beachten:
Es gibt im deutschen Strafrecht grob gesagt drei Fallgruppen, wenn es um den strafbaren Tod eines Menschen geht.
1) Die vorsätzliche Tötung des Menschen
2) Die nicht vorsätzliche Tötung des Menschen bei Begehen einer anderen, vorsätzlichen Tat
3) Die nicht vorsätzliche Tötung des Menschen
In den Fallgruppen 1 und 2 gibt es wieder verschiedene Taten und Strafen. Aber fangen wir mal unten, bei 3:
Hier spricht das Gesetz von einer "fahrlässigen Tötung." Das bedeutet, der Täter hat den Tod der Person nicht gewollt. Er hat aber den Tod durch ein bestimmtes Verhalten verursacht, das die Gesellschaft nicht akzeptabel findet und ihn daher bestraft. In der Regel formulieren wir Juristen das so: Der Täter hat durch sein Verhalten eine Gefahr geschaffen, durch die letztens das Opfer gestorben ist und der Täter hätte wissen müssen, dass diese Gefahr bestand und daher dem Abhelfen müssen.
Beispiel: Theodor buddelt vor dem Haus des Alois ein tiefes Loch, da man am nächsten Morgen dort Rohrleitungen verlegen will. T denkt sich, der A ist eh nicht zu Hause, also erspare ich mir die Mühe, das Loch abzusichern. Es ergibt sich aber dass die Nachbarin des Alois, die Ottilie, wie jede Woche bei Alois abends vorbeigehen will, um ihm selbsgemachten Apfelstrudel zu bringen. In der Finsternis sieht sie das Loch nicht, fällt hinein und bricht sich das Genick.
Theodor wird der fahrlässigen Tötung schuldig gefunden: er hätte wissen sollen, dass das Risiko besteht, dass auch andere als der abwesende Alois zu seinem Haus gehen könnten und das Loch absichern müssen. Dabei ist völlig klar, dass T den Tod der O nicht gewollt hat, also kein Vorsitz bestand.
Fallgruppe 2: Hier haben wir es mit Taten zu tun, in welchen die Tötung ebenfalls nicht vorsätzlich ist, aber eine andere Tat der Tötung vorausgeht und diese mit verursacht, und diese Tat mit Vorsatz begangen wurde: Beispiel: Körperverletzung mit Todesfolge
Toni ist schrecklich genervt von Osama, der zwei Häuser weiter wohnt. Beide sind Rivalen um die Vorherrschaft im Kiez. Toni beschliesst, dem Osama eine Abreibung zu verpassen. Am Abend passt er den Osama ab und prügelt heftig auf ihn ein. Er will Osama eine Lehre erteilen, ihn aber keinesfalls töten. Einer seiner Schläge löst jedoch eine Hirnblutung aus an der Osama stirbt.
Nun ist hier kein Vorsatz hinsichtlich des Todes zu sehen, Toni wollte nicht, dass Osama stirbt. Daher liegt hier weder Totschlag noch Mord vor. Die Gesellschaft sagt aber, dass so ein Verhalten im Endeffekt genauso verwerflich ist, wie ein Totschlag, und erlaubt daher, dass das Strafmass bei "Körperverletzung mit Todesfolge" das des "Totschlag" erreichen kann.
Fallgruppe 1: Mord und Totschlag
Beide Taten haben gemeinsam, dass nicht nur ein Mensch zu Tode kommen muss, sondern dass in BEIDEN Fällen die Tat vorsätzlich geschehen muss: der Täter muss den Taterfolg, nämlich den Tod des Opfers gewollt haben.
Dieser Vorsatz kann schon monatelang bestehen, oder erst eine Sekunde vor der Tat zu finden sein: das ist ganz wichtig, denn es ist falsch, wenn gesagt wird, wenn die Tat nicht geplant war, war sie nicht vorsätzlich. Eine geplante Tat ist in der Regel vorsätzlich. Aber nehmen wir an Toni und Osama stehen sich wie oben gegenüber und beleidigen sich gegenseitig und geben sich gegenseitig eine Ohrfeige. BIsher hat Toni keineswegs die Absicht, Osama zu töten. Dann aber entsinnt er sich, dass er ein Messer mitführt und er hat so die Nase voll von Osamas Konkurrenz, dass er beschliesst ihn totzustechen, und eine Sekunde später tatsächlich zusticht.
Diese Tat ist vorsätzlich, auch wenn nur 1 Sekunde zwischen dem Vorsatz und der Tatausführung liegen. Denn in dieser 1 Sekunde beschloss Toni den Osama töten zu wollen. Und nur darum geht es, nicht ob er die Waffe in dieser Absicht schon dabei hatte oder nicht usw.
So, zum Schluss: was ist dann Mord? Für Mord muss genau wie für Totschlag der Vorsatz bestehen, und genau wie beim Totschlag kann der auch erst eine Sekunde vor der Tatausführung gefasst werden, oder Jahre vor der Tat. Das ist egal.
Ein Totschlag wird in Deutschland zum Mord, wenn besondere Tatmerkmale zu dem Vorsatz dazu kommen, z.B. niedrige Beweggründe, was auch immer das sein mag. Noch einmal: beim Thema "Vorsatz" unterscheiden sich Totschlag und Mord nicht. Und um vorsätzlich zu sein, braucht eine Tat nicht "länger geplant" zu sein.
:)