Ich bringe mal ein plattes Beispiel, um den Unterschied deutlich zu machen:
Man ist im Garten, schneidet gerade Schnittlauch mit einer Schere. Draußen vorm Zaun spielt das eigene Kind. Es kommt ein Fremder vorbei und plötzlich sieht man, wie dieser das Kind angreift und mit sich zerren will. Man "sieht rot", springt übern Zaun und sticht wie wild mit der Schere auf diesen Menschen ein. Verletzt ihn.
Das wäre ein "Affektsturm", der sich eruptiv aus einem irrationalen (da Instinkt-bezogenen) Impuls speist. Zudem wäre er "allgemein verständlich", da (bereits rein biologisch betrachtet) so gut wie jeder normale Mensch mit normalem Rechtsbewusstsein, so reagieren würde, da es sich um eine Bedrohungslage handelt. Zu diesem Zeitpunkt sind sowohl rationale zwischenmenschliche und rechtliche Erwägungen um Normen des Handelns außer Kraft gesetzt (die Normen, dass man andere Menschen nicht angreift und dass das Verletzen einer anderen Person u.U. strafbar ist und dass man selbst womöglich Verletzungen davontragen könnte).
Kein Affektsturm wäre folgende Situation:
Kind spielt vorm Zaun, man schneidet Schnittlauch mit einer Schere. Man sieht in einiger Entfernung einen Fremden des Weges kommen. Man denkt sich, oh, was ist, wenn der jetzt meinem Kind was will? Wieso kommt der überhaupt hier lang? Ich hab den doch noch nie hier gesehen! Der will meinem Kind bestimmt was antun! Der soll sich warm anziehen, dem werde ich zeigen, dass der sich das nicht wagen darf! Man geht schon mal zum Gartentor, beobachtet. Man ruft ihm die Frage entgegen: Hey! Was fällt Ihnen ein? Wer sind Sie überhaupt? Der Fremde kommt näher, fragt nach, man reagiert nicht, er wendet sich dem Kind zu und in dem Moment greift man ihn mit der Schere an, sticht auf ihn ein und verletzt ihn. Danach ruft man die Polizei um ihr mitzuteilen, dass man soeben einen Menschen zur Strecke gebracht hat, der das eigene Kind angegriffen hat.
nähere Erläuterungen hierzu:
§ 76 Totschlag
• In heftiger Gemütsbewegung (= im Affekt): Vorausgesetzt wird ein tiefgreifender,
mächtiger Erregungszustand nach Art eines „Affektsturms“,
der alle normalen
verstandesmäßigen Erwägungen ausschaltet und die Tötungshemmung hinwegzufegen
geeignet ist.
•
Allgemeine Begreiflichkeit der Gemütsbewegung: Gefordert wird eine
Verhältnismäßigkeit zwischen Anlass und psychischem Ausnahmezustand idS, dass sich auch
ein Mensch von durchschnittlicher Rechtstreue und mit vergleichbaren sozio-psychischen
Eigenschaften vorstellen könnte, er wäre in der Lage des Täters beim gegebenen Anlass samt
seiner Vorgeschichte in eine derart heftige Gemütsbewegung geraten.
• Ausschluss des § 76 wenn sich die Intensität des Affekts nur aus der besonderen
charakterlichen Veranlagung des Täters erklären oder/und verbindet sie sich mit besonders
verwerflichen Beweggründen oder besonders verwerflichen Zwecken
http://www.dobusch.net/pub/uni/200210sk.pdf