Kreuzbergerin schrieb:Auf jeden Fall ist es relativ mysteriös, dass die Tote von niemandem vermisst wurde.
So ist es wohl. Wobei man vorsichtig sein muss, die DDR um 1965 ist nicht unbedingt mit der DDR um 1975 zu vergleichen. In wieweit in den 60er Jahren bereits eine relativ umfassende "Inventaraufnahme" der Bevölkerung bestand, ist fraglich. Ich denke damals bestand vor allem das typische Meldesystem, das nicht gross anders war, als in der Bundesrepublik. Ein geborenes Kind wurde angemeldet, und fortan in den Akten der Gemeinde geführt. Schulpflicht wurde abgehakt, eventuelle Mitgliedschaft in den Jungen Pionieren, der FDJ usw. Da sie eine Frau war, fiel sie nicht unter die Wehrpflicht. Und wenn man dann als Erwachsene den Ort wechselte, musste man sich abmelden und am neuen Wohnort wieder anmelden. Tat man das nicht, konnte man auch "verschwinden," solange man nicht wieder etwas vom Staat wollte, z.B. eine Wohnung usw.
Und hier wird die Sache interessant: Die Mauer wurde 1961 gebaut. Bei Leichenfunden, deren Todeszeitpunkt lange zurück liegt, ist es nicht ungewöhnlich, dass erste Schätzungen um einige Jahre daneben liegen.
Wenn sie vor dem Mauerbau bereits umgebracht wurde, dann ist es durchaus möglich, dass von ihrem Umfeld angenommen wurde, dass sie zu den vielen gehörte, die in Berlin einfach in die Westsektoren gegangen und nie wieder zurückgekommen sind. Die Behörden haben das zwar versucht zu registrieren, aber es sollte nicht öffentlich bekannt werden, wie viele dem Arbeiter- und Bauernparadies den Rücken kehrten. Tauchte eine Person auf einmal nicht mehr am Wohnort auf, wurde sie einfach aus dem Melderegister gelöscht. "Wieder eine in den Westen..."
Die DDR Behörden hatten in dem Zusammenhang auch keinerlei Zusammenarbeit mit westdeutschen oder westberliner Behörden. So wäre nie aufgefallen, dass eine DDR-Bewohnerin sich nie in Westberlin oder Westdeutschland registriert hätte. Und wenn dann sehr zeitnah der Mauerbau kam, hatten auch die Angehörigen keine Möglichkeit irgendwo nachzuhaken, warum ihre Tochter usw. sich denn nie aus Westberlin meldete...
Nach dem Mauerbau war das eine Zeitlang auch nicht besser. Undurchlässig war die "Mauer" am Beginn noch nicht, aber nach einer geglückten Flucht war ein Kontakt zu Familienangehörigen erst einmal schwierig.
Hier hätte ein Täter nun auch den Angehörigen einreden können: "die hat nach Westdeutschland rübergemacht, macht euch mal keine Sorgen, der geht's jetzt gut..." Aufgefallen wäre das vermutlich erst nach einigen Jahren, als die Beziehungen und damit auch Postverbindungen etc. besser wurden. Dann hätten sich Angehörige vielleicht gewundert, dass man immer noch nichts von "drüben" gehört hat. Aber wenn sie dann keine Angehörigen in der DDR mehr hatte... dann war da auch niemand mehr, der sie vermissen konnte.
Das wäre also eine Möglichkeit zu erklären, warum sie nie offiziell vermisst wurde.
Die andere Möglichkeit wurde hier schon angesprochen: sie könnte Russin gewesen sein. Nicht unbedingt Soldatin, aber z.B. Familienangehörige eines russischen Soldaten. Offiziere durften ihre Familien durchaus mit in die DDR nehmen und wohnten dann mit den Familien in Kasernennähe in eigenen Wohngebieten. Sie durften sich zwar frei in der DDR bewegen, aber blieben in der Regel ganz unter sich.
Die DDR Behörden hatte keinerlei "Hoheit" über die Angehörigen der GSSD und diese arbeiteten auch mit den DDR Behörden so gut wie nicht zusammen. Straftaten seitens russischer Soldaten wurden intern durch die russische Militärpolizei und evtl. die russischen Geheimdienste bearbeitet. Die DDR wurde nur dann hinzugezogen, wenn man mal wieder einen Deserteur suchte und dazu manpower Unterstützung durch die Volkspolizei brauchte, was häufig vorkam. Wurde der gefunden, war es das. Die DDR Behörden erhielten keinen weiteren Einblick in das Schicksal der Person.
Bei einem Vermisstenfall innerhalb der russischen Garnison ist es sehr wahrscheinlich, dass die DDR Behörden nie davon Kenntnis erlangten. Auch hier galt: "was nicht sein darf, das kann nicht sein - es verschwinden keine russischen Staatsbürger!"
Wenn es sich hier also um eine russische Angehörige der GSSD handelte, und evtl. auch der Täter, dann ist es sehr plausibel, dass ihr Schicksal in der DDR unbekannt blieb.
IamSherlocked schrieb:Die Vermutung, dass sie "Sowjetbürgerin" war, ist, imho, aber, egal, wie sie nach Fürstenwalde kam, recht nahe liegend.
Na ja, und da durfte oft bis gar nicht ermittelt werden in dem Umfeld, selbst der Stasi waren da oftmals die Hände gebunden....
So ist es.