seneca22 schrieb:Wie gesagt, es ist zweifelsohne äußerst ungewöhnlich, dass die Opferfamilie in laufenden Ermittlungen immer wieder Interviews gibt, in der andere - durch bisherige Ermittlungsergebnisse nicht untermauerte - Arbeitshypothesen an die Öffentlichkeit gebracht werden. Daher ist zu hinterfragen, woher die Motivation kommt das zu tun. Das ist eine logische und durchaus legitime Frage, die sich ergibt. Wenn die Familie den Behörden nicht vertraut, sollen sie einen Detektiv beschäftigen.
Ich denke, ich habe hierfür eine ganz gute Erklärung und diese taugt auch um zu erklären, warum hier beinahe 2000 Seiten zu diesem Fall verfasst wurden und der Fall eine bisher einzigartige Resonanz und Anteilnahme in der Öffentlichkeit und Medien erzeugt hat. Man kann ja förmlich fühlen, wie hocherhitzt die Gemüter sind, anhand der Art und Weise, wie in vielen Foren und auf fast jeder Social Media Plattform diskutiert, gemutmaßt und spekuliert wird. Der Grund dafür ist meiner Meinung nach aber derselbe, der auch zur Erklärung des Verhaltens der Familie führt und das augenscheinliche Misstrauen der Familie gegenüber den Ermittlungs- und Strafverfolgungsbehörden.
Ich möchte kurz ausholen:
Welche Merkmale machen den Fall so besonders? Zum einen die Klassiker: Sex (es wird ein hübsches, junges Mädchen vermisst), Drama (TV ist der Schwager), Leid (die Interviews der Familie, die Verzweifelten Hilferufe der Schwester, etc.). Soweit nicht ungewöhnlich. Dazu kommt aber eine, rein mathematisch und aus formal-logischer Sicht betrachtete, ungewöhnliche aussagenlogische Situation hinzu.
Alles was wir über die bekannten Indizien und Beweise wissen, alles was die Ermittler, die Presse und die Familie in die Öffentlichkeit getragen haben, lässt Raum für eine riesige Fülle teils konträrer (und trotzdem logisch formal-korrekter) Erklärungsmöglichkeiten, sowie konträrer Aussagen über RRs derzeitigen Zustand (lebend / tot), wobei jede dieser Erklärungsmöglichkeiten die vorhandenen Indizien und Beweise berücksichtigen und die mathematische Logik trotzdem nicht verletzen.
Das größte Problem hierbei ist, dass
notwendige Bedingungen fälschlicherweise (aus formal-logischer Sicht) als gleichzeitig
hinreichende Bedingungen für Rebeccas Tod, an die Familie und die Öffentlichkeit, herangetragen wurden. So ist, beispielsweise, die aussagenlogische Folgerung:
Rebeccas Handy ist seit 3 Wochen abgeschaltet und Rebecca ist anscheinend den digitalen Tod gestorben und es existiert kein Lebenszeichen von ihr also ist Rebecca totfalsch! Die Bedingungen sind zwar
notwendig (denn sie kann, wenn sie tot ist, nicht mehr ihr Handy einschalten, nicht mehr whatsappen und kein Lebenszeichen abgeben), aber nicht
hinreichend , denn es existieren andere, logische Begründungen, die ihren Tod erklären können, am einfachsten natürlich das Vorhandensein ihrer Leiche, oder so viel aufgefundenes Blut, dass sie rein medizinisch nicht mehr am Leben sein kann.
Einfacher ausgedrückt (und nicht zwingend vollständig aufgezählt): Aus dem Fehlen jedes Lebenszeichens, jeder SocialMedia-Aktivität, einer fehlenden Fleecedecke und widersprüchlichen Angaben eines zur mutmaßlichen Tatzeit am Ort befindlichen Schwagers, sowie zwei nicht geklärten Autofahrten, sowie aufgefundener, frischer Unterwäsche, kann nicht
zwingend auf Rebeccas Tod geschlossen werden. Genau das ist in diesem Fall aber augenscheinlich schon sehr früh, am 23.2. (Quelle:
POL-Berlin) durch die Übergabe an die Mordkommission und (wenn man den Familienmitgliedern glauben schenken darf) womöglich noch viel früher, geschehen.
Nun könnten findige Foristen einwenden, dass die Polizei eben nicht alle Indizien und Beweise veröffentlicht und den Medien mitgeteilt haben. Dem steht aber gegenüber, dass sie die notwendigen
und hinreichenden Indizien auf den Tod von RR, mindestens der Familie vorgelegt hätten (wenigstens in Art- und Weise) und diese sich dadurch anders hätten verhalten müssen. (Niemand sucht nach einer lebenden R., wenn sie definitiv und unzweifelhaft tot ist!) Es existieren keine bekannten Hinweise darauf, dass die Polizei eindeutige Beweise für Todesmerkmale nicht an die Angehörigen eines solchen Verbrechens kommunizieren würde! Bei den bekannten Todesfällen der letzten Jahre, wurde immer auch die Öffentlichkeit durch die Presse über die Todesursache informiert.
Das sie die Familie bisher augenscheinlich aber
nicht überzeugen konnten und sich diese jetzt verhält, wie sie sich verhält, lässt formal-logisch zwingend nur den Rückschluss zu, dass sie eben
nicht mehr haben (Beweislage dünn, siehe auch
WELT.DE), als sie bisher angegeben haben, bzw. was durch verschiedene Kanäle an die Öffentlichkeit gekommen ist. Dies setzt natürlich voraus, dass die Ermittler die Familie auch über den Kenntnisstand ihrer Tochter informieren. Ich setze das mal als geben voraus, siehe hierzu auch die diversen Interviews der Familie und Verlautbarungen der Ermittlungsbehörden in der Presse, die eine Kommunikation der beiden Parteien aufzeigen.
Damit hier keine Verwirrung entsteht: meine Ausführungen oben beziehen sich alleine auf formal-logische Mathematik. Die Wahrscheinlichkeitstheorie, die die Ermittler natürlich mit einbeziehen, ergibt ein völlig anderes Bild.
Betrachtet man neben den (streng-)logischen Indizien und Beweisen auch die Wahrscheinlichkeiten, so ist es offensichtlich, dass der derzeitige TV
zwingend ein Tatverdächtiger
sein muss (merke: verdächtig, nicht schuldig) und RR mit hoher Wahrscheinlichkeit tot ist und einem Verbrechen zum Opfer fiel. Das implizieren offensichtlich die Hinweise und Fakten, wenn man sie unter Wahrscheinlichkeitstheoretischen Überlegungen und die Anwendung von Ockhams Rasiermesser, analysiert. Siehe auch Aussagen zur Lage eines beteiligten Staatsanwaltes hier:
WELT.DEAber: Die einzigartigen Umstände aus nach
Aussagenlogik nicht stringenten (also in eine einzige Richtung weisenden, zwingenden) Indizien und Fakten, im Gegenzug aber mit hoher
Wahrscheinlichkeit begangener Tat, erklärt meiner Meinung nach das Verhalten der Familie (und auch der Foristen) nachvollziehbar, da eine Wahrscheinlichkeitsinterpretation immer auch gegenteilige Ereignisse ermöglicht, z.B.
- P(Der TV war es, RR ist tot)
impliziert immer auch gegenteilige Ereignisse
-P := P(Der TV war es nicht, RR lebt) oder -P(Der TV war es nicht, RR lebt nicht, es ware ein andere Täter)
woraus alle die, die glauben dass RR noch lebt auch ihre (berechtigte) Hoffnung beziehen dürfen. Wäre, wie in fast jedem anderen Fall von mutmaßlichem Totschlag, die Leiche aufgefunden worden, der Tatort klar bestimmbar und ggf. die Tatwaffe, würden Aussagenlogik und Wahrscheinlichkeit zwingend auf denselben Punkt zusammenfallen. (Die Wahrscheinlichkeit des Tatereignisses wäre P(Tat) :=1 und alle Hinweise, Indizien und Beweise währen Aussagenlogisch
notwendig und
hinreichend vorhanden und in einer Aussage vereint.)
Kurzum, die Familie hat die Beweise und Indizien vorgelegt bekommen und festgestellt, dass die Stichhaltigkeit der Argumente, die für eine frühe Festlegung auf einen Totschlag und damit RRs Tod, nicht gegeben sind und geben sich nicht der Interpretation von Wahrscheinlichkeiten hin, sondern halten an der - mathematisch auch viel stärkeren - Aussagekraft der Aussagenlogik (definitive Aussage vs. Möglichkeit), fest.