E.A.Poe schrieb:Was ich nicht verstehe ist, warum in dem Fall so viel vertuscht wird. Wer hat ein Interesse daran?
Es ist keine hochrangige Persönlichkeit in den Fall verwickelt, die die Autorität hätte, eine nachhaltige Vertuschung durchzuführen. Wer hat ein Interesse daran, einfache, zur Gewalt neigende Polizisten zu schützen? Das ist mir unklar.
So verwunderlich ist das nicht. Strafjustiz und Polizei sind in vielerlei Hinsicht voneinander abhängig und fühlen sich auch gemeinsam als Garanten für Recht und Ordnung. Ein Staatsanwalt, der von der Polizei ausgebremst wird, der dann Karriere knicken. Es kann auch gut politische Linie sein, nach Möglichkeit keinen Amtsmissbrauch in der Polizei zu verfolgen, um deren Autorität und Ansehen nicht zu beschädigen.
Dann ist immer wieder ein Korps-Geist innerhalb der Polizei festzustellen. Es gibt unausgesprochene Ehrenkodizes und Sanktionen gegen die, die Kollegen "anpissen". Je stärker die Polizei in der Defensive ist, umso stärker wird diese
Omerta.
Bei Polizeigewalt ist zudem - so kenne ich es zumindest aus Bayern bei Demonstrationen - die Regel klar: Wer Polizisten wegen Gewalt anzeigt, bekommt eine Anzeige wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte. Zwei völlig identische Aussagen der Polizisten führen zur Verurteilung, das Verfahren wegen Körperverletzung im Amt wird regelmäßig eingestellt. Irgendwo gibt es sicher eine heimliche Statistik, wie viele Anzeigen und wie viele Verurteilungen es gibt. Aber alleine die Lektüre einer Lokalzeitung reichte früher schon als Abschreckung. Selbst heute im Zeitalter von Handy-Videos gibt es noch immer Fälle, in denen solches Beweismaterial ignoriert wird, verschwindet oder Polizisten vor Gericht klar gelogen haben.
Es gibt auch - das sei nur am Rande erwähnt - genügend Bürger, die Polizisten ohne jede Grundlage anzeigen. Oder gleich im Dutzend auf die Beamten losgehen, denen nur die Flucht bleibt. Das scheint in Großstädten immer häufiger zu passieren. Auch da ist die Gefahr groß, dass frustrierte Polizisten, sich als Prügelknaben empfindend, in einem unbeobachteten Moment absoluter Macht ausflippen.
Die spezifisch ostdeutsche Situation wurde schon erwähnt, das Wahlverhalten und die Einstellung zu Staat und Gesellschaft sind bekannt. Ich provoziere mal und sage: Der Rechtsstaat ist dort zwar angekommen, aber nicht besonders beliebt.