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Wer ermordete Daphne Caruana Galizia?
29.04.2018 um 11:57Es war eine ebenso spannende wie auch enttäuschende Woche. Spannend war die Woche in ertser Linie aufgrund der zahlreichen Veröffentlichungen der Journalistengruppe des Daphneprojekts. Die hatten allerdings vorwiegend die Korruptionsvorwürfe gegen verschiedene Regierungsmitglieder zum Gegenstand, beschäftigten sich also nur indirekt mit dem Mord an Daphne.
Seit vielen Monaten habe ich es mir nun zur Gewohnheit gemacht, morgens beim ersten Kaffee die Seiten der maltesischen Presse aufzurufen. Und noch nie war ich mir so sicher, dass sie doch den Rücktritt eines Regierungsmitglied, wenn nicht gleich der ganzen Regierung unter Joseph Muscat verkünden müssten. Aber nichts dergleichen. Es wird weiter geschwiegen, bestritten oder auf laufende Verfahren verwiesen.
Das war die eine Enttäuschung.
Original anzeigen (0,3 MB)
Maltas Ministerpräsident Joseph Muscat beim Besteigen seines Dienstwagens, einem Alfa Romeo Giulia, am 12. April 2018. Aufnahme mit 35mm equiv. - also aus höchstnes 3 Metern. Er war mir zufällig in Valletta vor seinem Amtssitz über den Weg gelaufen. Personenschutz Fehlanzeige.
Die andere Enttäuschung war die Prozessfortsetzung am Donnerstag. Nach knapp einer Stunde war schon wieder alles vorbei. Und während dieser einen Stunde waren auch nur so solche Nicht-Neuigkeiten zu erfahren, wie dass ein Bombenkommando den Tatort nach weiteren Sprengsätzen abgesucht aber keine gefunden hat.
Dann wurde vertagt, da zahlreiche Beamte, die als Zeugen hätten aussagen sollen, entweder gar nicht erschienen waren und/oder ihre Berichte nicht fertig hatten. Polizei und Staatsanwaltschaftlich spielen in einer Art und Weise auf Zeit, die ich so noch nie erlebt habe. Jedenfalls nicht in Deutschland.
Wie der Teufel das Weihwasser scheut, scheuen sich momentan die Behörden Zeugen zu repräsentieren, die - und sei es nur versehentlich - etwas zu den Ermittlungen bzgl. der Hintermänner und Auftraggeber sagen könnten.
Mindestens fünf Fragenkomplexe stehen in der laufenden Verhandlung im Raum:
1. Georges Handy
Seit dem ersten Verhandlungstag wissen wir, dass die Behörden am Tattag (und vermutlich ja nicht nur an diesem Tag), das Handy von George Degiorgio abgehört haben. Und zwar auf richterlichen Beschluss und im Rahmen der Gesetze. Warum?
Welcher weiteren Taten wird er verdächtigt? Gab es Hinweise in den Gesprächen, die er in den Stunden, Tagen, Wochen und Monaten vor oder nach der Tat geführt hat, aus denen man auf die Hintermänner schließen kann? Gab es im Vorfeld Hinweise auf eine bevorstehende Tat? Hätte man den Mord verhindern können? Wurden auch die Handys der anderen Tatverdächtigen abgehört?
2. Der weiße Kleinwagen
Ebenfalls seit dem ersten Verhandlungstag wissen wir um einen weißen Kleinwagen, wohl einen Mietwagen, dessen Fahrer am Tattag und binnen der Tage und Wochen zuvor offenbar den Tatort und Daphne Haus ausgespäht hat. Wir wissen von Zeugenaussagen auch, dass der Fahrer keiner der drei Angeklagten war. Wir haben es also mit großer Wahrscheinlichkeit mit einem weiteren Tatverdächtigen zu tun. Wir wissen auch, dass die Polizei Videomaterial von zahlreichen privaten und öffentlichen Überwachungskameras sichergestellt hat, wir kennen aber nicht das Ergebnis der Auswertung des Materials.
Konnte der Wagen identifiziert werden? Konnte der Fahrer identifiziert werden? Welche Unterlagen hat er bei der Vermietung vorgelegt?
3. Die Bomben
Bis heute wissen wir nicht sicher welcher Sprengstoff zum Einsatz kam. Ließ sich der Weg des Sprengstoffes irgendwie zurückverfolgen? Wie war die Bombe konstruiert? Kamen ähnliche Bomben bereits anderswo zum Einsatz? Zeigt die Bombe eine "Handschrift"?
4. Die wirtschaftlichen Verhältnisse der Angeklagten
Alle drei haben angegeben, sie seien arbeitslos. Zwei der drei hatten Boote, alle drei fuhren (für maltesische Verhältnisse) recht große Autos. Bei den Wohnungsdurchsuchungen wurden mal € 5.000,-, mal € 4.000,- gefunden.
Gab es ungewöhnliche Kontobewegungen? Auslandskonten? Oder diesbezüglich verdächtige Reisen? Verfügten sie nach der tat über ungewöhnlich viel Bargeld?
5. Alfreds Hotelzimmer
Seit zwei Verhandlungstagen wissen wir, dass Alfred Degiorgio sich im November - also nach der Tat - für eine Nacht ein Hotelzimmer in Xlendi nahm. Xlendi liegt übrigens auf der kleinen Nachbarinsel von Malta, Gozo. Im November dürfte es dort recht einsam sein. Seine Anwesenheit dort hat die Staatsanwaltschaft mit Akribie bewiesen (zwei Zeugen, Meldezettel, Gästeliste).
Und? Mit wem hat er sich dort getroffen? Hat er dort und damals den Lohn für seine Mordtat erhalten? Die Katze ist doch schon halb aus dem Sack. Wer sich dort mit ihm getroffen hat, weiß, dass die Polizei es weiß. Wenn die Staatsanwaltschaft schon diesen Punkt (ohne Not) vor Wochen in die Verhandlung einbrachte, warum legt sie nun nicht die Karten vollständig auf den Tisch?
Ich bin mir sicher, die Behörden werden all diesen Fragen ausführlich nachgegangen sein. Und auf viele, wenn nicht alle Fragen, wird es auch Antworten geben. Wäre dies nicht Malta, ich würde sagen, sie sind ganz nah dran die Hintermänner zu überführen und wollen diese momentan nur deswegen nicht aufschrecken, weil vielleicht noch die letzten gerichtsverwertbaren Beweise fehlen.
Aber dies ist Malta. Es bleibt immer so ein fader Verdacht, dass etwas vertuscht oder unter den Teppich gekehrt werden soll.
Diesen Zwiespalt spiegelt auch ein Brief des dieser Tage aus dem Amt scheidenden Direktors von Europol, Rob Wainwright, wieder, den er an Abgeordnete des Europäischen Parlaments schrieb:
Zahlreiche EU-Staaten seien in die Ermittlungen, die sehr komplxe seien, eingebunden und "new concerns have arisen which are now the subject of further, high-priority investigation by Europol"
Das klingt doch vielversprechend.
Bezgl. der Zusammenarbeit mit den maltesischen Behörden, schrieb er aber auch: "there is some room for improvement in this cooperation and we are actively seeking to address this”. Das dürfte ein sehr diplomatische Umschreibung für es-hakt-an-Ecken-Kanten sein.
Nicht falsch verstehen: Ich bleibe optimistisch und glaube an Malta - noch.
Die Verhandlung wird nun am 22. Mai - Dienstag nach Pfingsten - fortgesetzt. Für den Verhandlungstag sind zahlreiche FBI-Beamte geladen. Die Verteidigung hat gegen deren Vernehmung Beschwerde eingelegt Ein Gerichtsentscheidung über die Beschwerde steht noch aus.
Original anzeigen (0,3 MB)
Der Wagen des Ministerpräsidenten. Wie lange noch wird Joseph Muscat ihn fahren?
Quellen:
https://www.timesofmalta.com/articles/view/20180426/local/live-caruana-galizia-suspects-in-court.677478
https://www.maltatoday.com.mt/news/national/86483/daphne_caruana_galizia_murder_investigation_now_involves_other_eu_states__europol_chief
https://www.timesofmalta.com/articles/view/20180426/local/caruana-galizia-murder-suspects-say-fbi-agents-testimony-should-be-put.677502
Seit vielen Monaten habe ich es mir nun zur Gewohnheit gemacht, morgens beim ersten Kaffee die Seiten der maltesischen Presse aufzurufen. Und noch nie war ich mir so sicher, dass sie doch den Rücktritt eines Regierungsmitglied, wenn nicht gleich der ganzen Regierung unter Joseph Muscat verkünden müssten. Aber nichts dergleichen. Es wird weiter geschwiegen, bestritten oder auf laufende Verfahren verwiesen.
Das war die eine Enttäuschung.
Original anzeigen (0,3 MB)
Maltas Ministerpräsident Joseph Muscat beim Besteigen seines Dienstwagens, einem Alfa Romeo Giulia, am 12. April 2018. Aufnahme mit 35mm equiv. - also aus höchstnes 3 Metern. Er war mir zufällig in Valletta vor seinem Amtssitz über den Weg gelaufen. Personenschutz Fehlanzeige.
Die andere Enttäuschung war die Prozessfortsetzung am Donnerstag. Nach knapp einer Stunde war schon wieder alles vorbei. Und während dieser einen Stunde waren auch nur so solche Nicht-Neuigkeiten zu erfahren, wie dass ein Bombenkommando den Tatort nach weiteren Sprengsätzen abgesucht aber keine gefunden hat.
Dann wurde vertagt, da zahlreiche Beamte, die als Zeugen hätten aussagen sollen, entweder gar nicht erschienen waren und/oder ihre Berichte nicht fertig hatten. Polizei und Staatsanwaltschaftlich spielen in einer Art und Weise auf Zeit, die ich so noch nie erlebt habe. Jedenfalls nicht in Deutschland.
Wie der Teufel das Weihwasser scheut, scheuen sich momentan die Behörden Zeugen zu repräsentieren, die - und sei es nur versehentlich - etwas zu den Ermittlungen bzgl. der Hintermänner und Auftraggeber sagen könnten.
Mindestens fünf Fragenkomplexe stehen in der laufenden Verhandlung im Raum:
1. Georges Handy
Seit dem ersten Verhandlungstag wissen wir, dass die Behörden am Tattag (und vermutlich ja nicht nur an diesem Tag), das Handy von George Degiorgio abgehört haben. Und zwar auf richterlichen Beschluss und im Rahmen der Gesetze. Warum?
Welcher weiteren Taten wird er verdächtigt? Gab es Hinweise in den Gesprächen, die er in den Stunden, Tagen, Wochen und Monaten vor oder nach der Tat geführt hat, aus denen man auf die Hintermänner schließen kann? Gab es im Vorfeld Hinweise auf eine bevorstehende Tat? Hätte man den Mord verhindern können? Wurden auch die Handys der anderen Tatverdächtigen abgehört?
2. Der weiße Kleinwagen
Ebenfalls seit dem ersten Verhandlungstag wissen wir um einen weißen Kleinwagen, wohl einen Mietwagen, dessen Fahrer am Tattag und binnen der Tage und Wochen zuvor offenbar den Tatort und Daphne Haus ausgespäht hat. Wir wissen von Zeugenaussagen auch, dass der Fahrer keiner der drei Angeklagten war. Wir haben es also mit großer Wahrscheinlichkeit mit einem weiteren Tatverdächtigen zu tun. Wir wissen auch, dass die Polizei Videomaterial von zahlreichen privaten und öffentlichen Überwachungskameras sichergestellt hat, wir kennen aber nicht das Ergebnis der Auswertung des Materials.
Konnte der Wagen identifiziert werden? Konnte der Fahrer identifiziert werden? Welche Unterlagen hat er bei der Vermietung vorgelegt?
3. Die Bomben
Bis heute wissen wir nicht sicher welcher Sprengstoff zum Einsatz kam. Ließ sich der Weg des Sprengstoffes irgendwie zurückverfolgen? Wie war die Bombe konstruiert? Kamen ähnliche Bomben bereits anderswo zum Einsatz? Zeigt die Bombe eine "Handschrift"?
4. Die wirtschaftlichen Verhältnisse der Angeklagten
Alle drei haben angegeben, sie seien arbeitslos. Zwei der drei hatten Boote, alle drei fuhren (für maltesische Verhältnisse) recht große Autos. Bei den Wohnungsdurchsuchungen wurden mal € 5.000,-, mal € 4.000,- gefunden.
Gab es ungewöhnliche Kontobewegungen? Auslandskonten? Oder diesbezüglich verdächtige Reisen? Verfügten sie nach der tat über ungewöhnlich viel Bargeld?
5. Alfreds Hotelzimmer
Seit zwei Verhandlungstagen wissen wir, dass Alfred Degiorgio sich im November - also nach der Tat - für eine Nacht ein Hotelzimmer in Xlendi nahm. Xlendi liegt übrigens auf der kleinen Nachbarinsel von Malta, Gozo. Im November dürfte es dort recht einsam sein. Seine Anwesenheit dort hat die Staatsanwaltschaft mit Akribie bewiesen (zwei Zeugen, Meldezettel, Gästeliste).
Und? Mit wem hat er sich dort getroffen? Hat er dort und damals den Lohn für seine Mordtat erhalten? Die Katze ist doch schon halb aus dem Sack. Wer sich dort mit ihm getroffen hat, weiß, dass die Polizei es weiß. Wenn die Staatsanwaltschaft schon diesen Punkt (ohne Not) vor Wochen in die Verhandlung einbrachte, warum legt sie nun nicht die Karten vollständig auf den Tisch?
Ich bin mir sicher, die Behörden werden all diesen Fragen ausführlich nachgegangen sein. Und auf viele, wenn nicht alle Fragen, wird es auch Antworten geben. Wäre dies nicht Malta, ich würde sagen, sie sind ganz nah dran die Hintermänner zu überführen und wollen diese momentan nur deswegen nicht aufschrecken, weil vielleicht noch die letzten gerichtsverwertbaren Beweise fehlen.
Aber dies ist Malta. Es bleibt immer so ein fader Verdacht, dass etwas vertuscht oder unter den Teppich gekehrt werden soll.
Diesen Zwiespalt spiegelt auch ein Brief des dieser Tage aus dem Amt scheidenden Direktors von Europol, Rob Wainwright, wieder, den er an Abgeordnete des Europäischen Parlaments schrieb:
Zahlreiche EU-Staaten seien in die Ermittlungen, die sehr komplxe seien, eingebunden und "new concerns have arisen which are now the subject of further, high-priority investigation by Europol"
Das klingt doch vielversprechend.
Bezgl. der Zusammenarbeit mit den maltesischen Behörden, schrieb er aber auch: "there is some room for improvement in this cooperation and we are actively seeking to address this”. Das dürfte ein sehr diplomatische Umschreibung für es-hakt-an-Ecken-Kanten sein.
Nicht falsch verstehen: Ich bleibe optimistisch und glaube an Malta - noch.
Die Verhandlung wird nun am 22. Mai - Dienstag nach Pfingsten - fortgesetzt. Für den Verhandlungstag sind zahlreiche FBI-Beamte geladen. Die Verteidigung hat gegen deren Vernehmung Beschwerde eingelegt Ein Gerichtsentscheidung über die Beschwerde steht noch aus.
Original anzeigen (0,3 MB)
Der Wagen des Ministerpräsidenten. Wie lange noch wird Joseph Muscat ihn fahren?
Quellen:
https://www.timesofmalta.com/articles/view/20180426/local/live-caruana-galizia-suspects-in-court.677478
https://www.maltatoday.com.mt/news/national/86483/daphne_caruana_galizia_murder_investigation_now_involves_other_eu_states__europol_chief
https://www.timesofmalta.com/articles/view/20180426/local/caruana-galizia-murder-suspects-say-fbi-agents-testimony-should-be-put.677502