Ich war in der vergangenen Woche wieder für einige Tage auf Malta und konnte mangels geeignetem Schreibgerät daher nicht von der Verhandlung am 12. April berichten. Da heute neuerlich verhandelt wird - diesmal ein Ortstermin am Tatort - fasse ich beide Verhandlungstage heute später am Abend oder morgen zusammen.
Für viel Wirbel haben in den letzten Stunden die Veröffentlichungen der sich "The Daphne Project" nennenden Journalistengruppe, deren Existenz bisher (jedenfalls mir) nicht bekannt war. Es handelt sich um 45 Journalisten der Times of Malta, The New York Times, IRPI, The Guardian, Die Zeit, Direkt, France 2, La Repubblica, Le Monde, NDR, Radio France, Reuters, Süddeutsche Zeitung, Tagesanzeiger, WDR, Premieres Lignes, RNZ und OCCRP.
Den gestrigen Artikel der Süddeutschen hatte ja
@Kerry schon verlinkt. Die Tagesschau hatte ebenfalls online recht ausführlich (und reichlich schwülstig) berichtet:
http://www.tagesschau.de/ausland/daphne-galizia-101.htmlDie aktuelle Berichterstattung der Journalistengruppe bringt den maltesischen Wirtschaftsminister
Wikipedia: Christian Cardona mächtig unter Druck, der vor und nach der Tat mit einem der Täter in einer Bar gesehen worden sein soll.
Dazu muss man die folgende Vorgeschichte kennen:
Cardona ist gelernter Anwalt. Im Jahre 2010 war er Strafverteidiger von einem der drei mutmaßlichen Daphne-Mörder, nämlich von Vincent Muscat, der damals zusammen mit Alfred Degiorgio wegen Bankraubes angeklagt war.
Im Jahre 2013 wurde er Wirtschaftsminister. Er ist auch stellvertretender Vorsitzender der regierenden Labour-Partei.
Cardona war Teilnehmer einer zweitägigen Konferenz zu Fragen der Digitalisierung der Industrie, die vom 31.01.2017 bis zum 01.02.2017 in Essen in der Räumlichkeiten der Zeche Zollverein stattfand. Veranstalter war die Europäische Kommission, Gastgeber das Bundesministerium für Wirtschaft. Hier die Seite des BMWi dazu:
https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Pressemitteilungen/2017/20170131-digitising-european-industry-erstes-gemeinsames-eu-stakeholderforum-in-essen-gestartet.html (Archiv-Version vom 23.03.2018)Original anzeigen (0,3 MB)Maltas Wirtschaftsminister Dr. Christian Cardona am 31.01.2017 bei der Digitalisierungs-Konferenz in Essen. Wo war er in den Stunden bevor und nachdem dieses Bild entstand?In den Nacht vor und der Nacht zwischen den beiden Konferenztagen soll sich Cardona zusammen mit mindestens einem weiteren maltesischen Delegationsmitglied im Saunaclub Acapulco - einem Großbordell in Velbert - vergnügt haben (einen Link aufs Acapulco spare ich mir, ist leicht zu googeln). Daphne berichtete über den angeblichen Bordellbesuch noch während die Konferenz lief auf ihrem Blog unter der Überschrift "Brothelgate: Why is Chris Cardona in Germany?"
Im zutiefst katholischen Malta hat der Blog-Eintrag für erhebliche Aufmerksamkeit gesorgt.
Cardona stritt den Bordell-Besuch vehement ab und strengte unverzüglich eine Verleumdungsklage gegen Daphne an, in deren Zuge es dann auch zu dem Einfrieren ihres Bankkontos kam. Aus welcher Quelle Daphne von dem angeblichen Bordell-Besuch erfahren hat, ist bis heute nicht bekannt. Die Quelle muss aber wohl in unmittelbarer Nähe des Ministers selbst gewesen sein.
Auch ob Daphne für ihre Behauptung Beweise hatte, ist nicht bekannt. Bis zu ihrem Tode war vor Gericht noch nicht zur Sache verhandelt worden. Man kann wohl aber mit einige Sicherheit behaupten, dass Cardonas Karriere ein abruptes Ende gefunden hätte, hätte Daphne m Rahmen des Verleumdungsprozesses den Bordell-Besuch nachweisen können; weniger wegen des Besuches an sich, wohl aber, weil Cardona dann der Lüge überführt worden wäre.
Soviel zur Vorgeschichte.
Nun hat die besagte Journalistengruppe wohl gleich zwei Zeugen aufgetan, die unabhängig voneinander berichten, Cardona sei Stammgast im "Ferdinand's", einer Bar in der Ortschaft Siggiewi. Und der mutmaßliche Daphne-Mörder Alfred Degiorgio sei dies ebenfalls, wohl auch die anderen beiden Angeklagten.
Original anzeigen (0,6 MB)Das Ferdinand's in SiggiewiNun ist aber wohl nicht so, dass die Herren zufällig ab und an in der gleichen Kneipe eine Bierchen trinken, die Zeugen sind sich wohl auch einig, dass sie ihr Bierchen mehr als einmal gemeinsam getrunken haben.
Soviel steht fest: Bei der Auswahl der Lokalitäten für seine Freizeitgestaltung hat der Herr Wirtschaftsminister ganz und gar kein gutes Händchen.
Am späten gestrigen Abend hat Cardona über Facebook folgende Erklärung abgegeben:
Like most seasoned criminal lawyers in Malta, I know who some of the suspects in the case are. The particular pub you mention welcomes patrons from all walks of life, including other politicians. I do not, however, recall having any discussions with any of these individuals, and have definitely never had any meetings with them. Anything else is baseless rumour and speculation.Ich stelle fest, dass Cardona Motiv, Möglichkeit und Gelegenheit gehabt hätte, den Mord in Auftrag zu geben. Aber das gilt auch für viele andere auf Malta.
Quelle:
https://www.maltatoday.com.mt/news/national/86194/witness_saw_cardona_chatting_with_caruana_galizia_murder_suspect_in_siggiewi_barhttps://www.timesofmalta.com/articles/view/20180417/local/cardona-presence-at-bar-frequented-by-murder-suspect-flagged-to.676636