-Alexa- schrieb:Wir müssten uns in ihn hineinversetzen, aber wollen wir das überhaupt? Ist es nicht unsere eigene Projektion, die wir an ihm und mit ihm durchexerzieren?
Ich habe darauf auch keine Antwort. Nur Vermutungen....
Sehr gute Fragen! Wenn das schon das ganze Ergebnis meines Brainstormings wäre, dann wäre ich nicht unzufrieden.
Der Fall schockiert. Aber auch in Hamburg wurde eine Frau brutal zerstückelt. Aber das war "nur" irgendeine Prostituierte und keiner kennt den Täter... Der
thread ist hat bislang 187 Beiträge, dieser hier mehr als dreissigmal soviele: 5727.
Nicht nur, dass es einfacher ist, sich mit dem lebenssprühenden Opfer zu identifizieren, oder eigene Ängste und Wünsche in den Täter zu projizieren. Das ganze Setting ist so bildhaft, so plastisch, und damit so geeignet schlimmste Befürchtungen und Phantasien nach oben zu spülen. Das plötzliche Umschlagen von Licht zu Finsternis. Das Ausgeliefertsein. Die Fahrt in der Dunkelheit. Das Meer als das Unbewusste... Es ist nicht nur die Brutalität der Verdeckung.
Unfall, Totschlag, Mord, Sexualmord, Serienmord... Keiner von uns kann eins dieser Szenarien zu 100% ausschliessen. Aber das ist kein Freibrief für wilde Spekulation. Auch dass die Polizei die Sexkarte bei eher schwacher Beweislage nur deshalb gezogen hat, um mehr Zeit für die umfangreichen und schwierigen Ermittlungen zu bekommen, wäre imho gut denkbar. Und selbst wenn sie handfeste Indizien hätte, was wir definitiv nicht wissen, wäre auch das noch keine Erklärung dafür, was dort wirklich geschah.
Die ganze Antwort darauf kennt vermutlich nichteinmal PM selbst. Und damit meine ich nicht eine immerhin vorstellbare
Amnesie.
Der Schlüssel dazu liegt in der Person von PM. Da niemand in ihn hineinschauen kann (und ich wage zu behaupten: auch er selbst nur ein Stück weit), ist einerseits große Zurückhaltung angesagt.
Andererseits ist er eine öffentliche Person, sein Verhalten vor und nach der Tat ist gut dokumentiert und so gibt es eine Fülle von Material, das analysiert werden kann.
"Wir müssten uns in ihn hineinversetzen, aber wollen wir das überhaupt?"
Sehr gute Frage. Ja und nein. Wir wollen es nicht und tun es doch. Wir wollen verstehen und uns zugleich abgrenzen. Diese Ambivalenz ist wichtiger Bestandteil der Faszination, die dieser Fall ausübt.
Viele der Versuche des Hineinversetzens begnügen sich dabei mit blanker Projektion. Das genügt nicht. Man wird sich davon nicht ganz frei machen können, aber man sollte sich dieser Gefahr stets bewusst bleiben. So einfach wie es scheint ist es nie.
Mein Versuch einer
Annäherung war ein solcher Versuch des Hineinversetzens, aber mit dem Bemühen, an bekannten Fakten entlang einen roten Faden zu finden, jenseits der billig zu habenden und nichts wirklich erklärenden Sexmonsterthese: Was ergibt sich, wenn wir seine zentrale Aussage, Raketmadsen sei in dieser Nacht gestorben, all seinen Lügen zum Trotz, ernstnehmen? Hilft das vielleicht, das Geschehen besser zu verstehen? Hilft es uns vielleicht, die Frage Unfall oder nicht besser zu beantworten?
Ich verstehe mein brainstorming nur als einen kleinen Beitrag für ein ergebnisoffenes Herangehen und wünsche mir, dass die Ansätze einer systematischen Fallanalyse, die wir hier bereits entwickelt hatten, produktiv weitergeführt werden.