AveMaria schrieb:Zu dem psychologischen Gutachten des Gerichts habe ich allgemein mal eine Frage.
Was genau wird da begutachtet? Nimmt man nur Bezug auf bereits früher erfolgte Diagnosestellungen, oder gibt es da auch direkte Diagnosestellungen durch den Gutachter?
Hui, hier war ja in den frühen Morgenstunden schon was los
:D! Ich klinke mich mal zu der Frage ein. Ein Gutachten, das das Gericht anordnet, wird immer zu einer spezifischen Fragestellung von einem unabhängigen Gutachter erstellt. Diese Frage kann sein, ob jemand zum Tatzeitpunkt vemindert schuldfähig war (z.B. durch Alkohol oder psychotischen Zustand) oder ob jemand reifevezögert ist etc. Es wird dann versucht, die Frage auf Grundlage von Aktenstudium und einem persönlichen Gespräch zu beantworten.
Für diejenigen, die es interessiert, habe ich mal zusammengetragen, wie so ein Gutachten aussehen kann. Ist etwas länger als beabsichtigt geworden.
Gutachten sind eigentlich immer gleich aufgebaut, man beginnt mit der Biografie, also Kindheit, Schulzeit, Lehrzeit. Wie war die soziale Einbindung? Gab es Auffälligkeiten in der frühen Kindheit? Wie war derjenige in der Schule? usw.
Die psychisch relevante Vorgeschichte ist ein weiterer wichtiger Punkt. War derjenige schon mal in psychologischer Behandlung? Wurde in der U-Haft etwas festgestellt? Wurde vorranging eine Suizidprophylaxe betrieben? In diesen Bereich könnte dann die mögliche ADHS-Diagnose fallen. Der Gutachter schaut dann: Ist diese Diagnose noch heute haltbar oder hat sich was verändert? Auch wichtig: Gibt es eine Alkohol- oder Drogenproblematik? Vorangegangene Suizidversuche oder die Einnahme von Medikamenten?
Da dem Anlassdelikt keine sexuelle Komponente zugrund liegt, würde die Sexualanamnese wohl recht kurz gehalten werden.
Dann wird auch geschaut, wie das Leben vor der Anlasstat war: Wo hat er gelebt? Hatte er Freunde? Kam dem Anlassdelikt eine Krise zuvor, die etwas ausgelöst haben könnte? Und ganz wichtig, aber leider oft nicht beantwortet: Welche Motivation liegt der Anlasstat zugrunde?
Ein weiterer wichtiger Punkt ist die testpsychologische Untersuchung, die Testverfahren beinhaltet, die Aspekte der menschlichen Psyche abdecken. Da wird z.B. ein Sceeining Verfahren angewendet, das untersucht, ob eine Persönlichkeitsstörung vorliegen könnte, die Empathiefähigkeit wird getestet, der Psychopathiewert, der IQ etc. Welcher Test angewendet wird, entscheidet der Gutachter. Hierbei kann er sich auch auf früherer durchgeführte Testverfahren berufen und diese in Relation zu neu durchgeführten setzen. Ferner wird eine körperliche Untesuchung durchgeführt, die z.B. ein EEG beinhalten kann, Messungen der Nevenleitgeschwindkeit und das bloße Messen des Blutdruckes. Dabei wird auch geschaut, ob frühere relevante Kopfverletzungen vorhanden sind, z.B. ein Schädel-Hirn-Trauma durch einen Unfall.
Abschließend trägt der Gutachter in der Verhandlung vor, wie er die eingangs gestellte Frage beantwortet und stellt sich den Fragen von Richter, Staatsanwaltschaft, Veteidigung und Nebenklägern.