Magier Jan Rouven in Las Vegas: Verurteilt - das Ende einer Karriere
26.03.2016 um 12:10@Zulu7
Alles interessante Punkte, die Du ansprichst. Ich fange mal mit dem hier interessantesten an, denn der hat eine Beziehung zum Thema: Was und wann sollte man bei der Polizei aussagen?
Als Rechtsanwalt bin ich schon hunderte Male vom Gespräch mit Mandanten zurückgekommen und habe gedacht: "Warum hat er denn nicht den Mund gehalten?" Wenn es eine einzige message gibt, die ich an alle potentiellen Mandanten senden könnte dann die: halte den Mund bevor du mit einem Anwalt gesprochen hast.
Natürlich muss man hier unterscheiden: ein ganz normaler Zeuge sollte natürlich immer eine Aussage machen: Beispiel: du siehst vom Fenster aus, wie Theodor in ein Auto einbricht, die Polizei fragt dich später nach der Aussage... kein Problem, denn du hast mit Theodor nichts zu tun, kennst ihn halt aus der Nachbarschaft, erfüllst deine staatsbürgerliche Pflicht.
So. Aber in allen Fällen, wo du selbst Beschuldigter werden könntest: halt den Mund. Selbst und gerade wenn du unschuldig bist, ist es oft ein Fehler zu glauben, man könne selbst dieses "Missverständnis mit der Polizei" aus der Welt schaffen. Ja, vielleicht kannst du das, aber mit einem Anwalt an der Seite wird das weitaus besser gehen. Das gilt jetzt übrigens in allen Ländern, da gibt es keinen Unterschied zwischen Deutschland oder den USA. Wenn die Polizei auf dich zukommt, dann hat sie dich im Auge. Nicht weil sie dein unschuldiges Lächeln so mag, sondern weil irgendetwas den Beamten signalisiert hat: den sollten wir mal fragen... der ist verdächtig. Und von dem Moment an betrachten die Beamten dich in einem ganz anderen Licht: sie suchen in deiner Aussage nach etwas Belastendem, nicht nach Entlastendem.
Hier in diesem Beispiel ist die Aussage des Ehemanns interessant: seine Aussage ist ein Desaster für Reuven. Der Ehemann hätte nicht aussagen müssen. Er hat sich sogar selbst mit seiner Aussage gefährdet, obwohl er glaubte, sich selbst eben damit einen Dienst zu erweisen: er hat zugegeben, dass diese Computer für den download von Pornos genutzt wurden. Das öffnet die Tür zu weiteren Ermittlungen.
Ob die Polizei einen warnen muss, dass er ein Aussageverweigerungsrecht hat ist in jedem Land verschieden, aber nicht nur das: es hängt auch oft von der Form der Vernehmung ab: ist sie formal, ist sie es nicht, wer steht im Fokus... erfahrene Polizeibeamten wissen genau, wie sie juristisch auf sicherem Land bleiben, der Befragte hat in der Regel keine Ahnung. Daher: nicht reden.
Wenn man mit der Polizei zu tun hat, ist man allein immer im Nachteil. Gute Beamte haben schon hunderte wenn nicht tausende Verdächtige befragt, sie sind Experten darin. Der Bürger, der zum ersten Mal damit konfrontiert wird, ist ein totaler Laie. Ein Rechtsanwalt stellt erst den Ausgleich her.
Wie gesagt, das gilt alles gerade dann, wenn man sich unschuldig fühlt. Der erfahrene Seriendieb oder Einbrecher hat vielleicht schon hundert Mal einem Polizisten gegenüber gesessen, der weiss wie so etwas abgeht. Der Unschuldige ist es, der hier völlig überfordert ist.
Aber ich will doch die Polizisten von meiner Unschuld überzeugen? Das sollst du auch. Nur: wenn es zu einer Vernehmung kommt, bist du schon lange in den Augen der Beamten nicht mehr unschuldig. Deshalb brauchst du hier professionelle Hilfe.
Schliesslich muss man immer unterscheiden zwischen einer Aussage vor Gericht und vor der Polizei: das eigentliche Aussageverweigerungsrecht in Hinsicht auf Verwandte usw. genau wie in Hinsicht auf sich selbst besteht vor Gericht. Vor der Polizei hat man immer das Recht zu schweigen. Hat man also erst eine Aussage vor der Polizei gemacht, kann man immer noch später vor Gericht die Aussage verweigern. Nur: die Erkenntnisse, die die Polizei aus der Aussage gewonnen hat, die nimmt der Polizei jetzt niemand mehr weg. In manchen Fällen kann die protokollierte Aussage sogar vor Gericht verwendet werden.
Soviel zum Thema Aussage.
2. Gibt es in den USA ein Gesetz, dass ein Prozess bald nach einer Festnahme stattfinden muss?
Ja. Aber. Es gibt in den Bundesstaaten die "speedy trial" laws, aber leider meinen die es zu gut, als dass sie wirklich viel nutzen. So kann es zum Beispiel heissen, dass spätestens nach 60 Tagen die Staatsanwaltschaft bereit sein muss zum Prozess. Fein: die Untersuchungshaft kann also nicht viel länger dauern. Oder?
Das Problem: die Staatsanwaltschaft schlägt dann zu, wenn sie das Gefühl hat, sie hat genug Beweise. Der Beschuldigte fällt aus allen Wolken. Muss jetzt erst mal einen Anwalt suchen. Der muss sich in den Fall einarbeiten... ... In weit über 90% der Fälle erklärt der Verteidiger, dass man auf die "speedy trial" Regel verzichtet ("waive time"). Und dann ist wieder alles offen.
Ein Mordfall in dem ich vor Kurzem involviert war brauchte 2 Jahre bis zum Prozess. 2 Jahre Untersuchungshaft. Die Zeit wurde gebraucht um Zeugen zu finden, Gutachten zu erstellen etc. Am Ende: Freispruch. Ein unbefriedigender Ausgang, gewiss, denn 2 Jahre des Lebens futsch, aber in 60 Tagen hätte die Verteidigung es nie geschafft, all das auf die Beine zu stellen.
Die Dauer des Prozesses dann ist ein anderes Thema. Auch hier kann es quälend langsam vorangehen, wobei ich auch denke, dass man hier an Grenzen stösst. Ich finde den NSU Prozess zum Beispiel bereits jenseits dessen, was ich als rechtstaatlich empfinde. Allerdings ist so etwas zum Glück noch eine Ausnahme. Schon 6 Monate sind in meinen Augen zu viel. Aber wieder gefragt: wenn man als Verteidiger die Wahl hat, alles in 3 Wochen erledigen oder genug Zeit, um alle Zeugen ausführlich zu befragen und zu präsentieren... wer traut sich schon, hier abzukürzen?
3. Kautions-system in den USA: In den USA ist das Recht, als Beschuldigter auf Kaution frei zu bleiben eigentlich ein verfassungsmässig verbrieftes Recht. Leider ist es aber auch hier, wie in anderen Staaten auch, zu einer Aushöhlung der Verfassung gekommen, so dass es jetzt im Prinzip verschiedene Möglichkeiten gibt:
Bei bestimmten Verbrechen kann der Richter die Freilassung auf Kaution generell versagen, oft z.B. bei Vorwürfen wie Mord oder sexueller Missbrauch von Kindern etc.
Bei allen anderen gilt: es gibt drei oder vier verschiedene Möglichkeiten:
-Freilassung ohne Kaution (das passiert in den allermeisten Fällen) (release on your "own recognizance") Der Beschuldigte wird einfach entlassen oder unter anderen Auflagen entlassen bis zum Prozess
-Freilassung auf Kaution. Diese can "cash" or "bond" sein: Der Richter setzt eine Summe Geld fest, die ein Beschuldigter hinterlegen muss, als Sicherheit, dass er beim Prozess erscheinen wird. "Cash" heisst, dass er sie auch bar hinlegen muss. "Bond" heisst, er kann einen "bondsman" beauftragen, die Summe zu hinterlegen, grob gesagt ist das ein Kredit, den er dafür aufnimmt. Nehmen wir an die Summe ist $ 50,000. Der bondsman wird diese bei Gericht hinterlegen gegen einen Schuldschein des Beschuldigten. Dieser zahlt in der Regel 10% der Summe an den bondsman. Das heisst, er braucht jetzt nur $ 5,000 aufbringen, die allerdings behält der bondsman als Gebühr. Verschwindet der Beschuldigte auf Nimmerwiedersehen, hat der bondsman Pech gehabt, er sieht seine $ 45,000 nie wieder.
-Immer öfter wird heute auch Freilassung mit "elektronischer Fussfessel" ermöglicht: der Beschuldigte erhält meist am Fussgelenk eine elektronische Armatur, die per Funk seinen Aufenthaltsort an eine Zentrale meldet, ebenso wird ein Alarm ausgelöst, wenn der Beschuldigte versucht die Armatur abzulegen oder zu zerstören. Dafür zahlt er eine Gebühr an die Firma, die das System betreibt, z.B. $ 10 pro Tag.
Soviel zu diesem Ausflug in die Welt des Strafrechts. Ich hoffe ich habe niemanden gelangweilt. :)
Alles interessante Punkte, die Du ansprichst. Ich fange mal mit dem hier interessantesten an, denn der hat eine Beziehung zum Thema: Was und wann sollte man bei der Polizei aussagen?
Als Rechtsanwalt bin ich schon hunderte Male vom Gespräch mit Mandanten zurückgekommen und habe gedacht: "Warum hat er denn nicht den Mund gehalten?" Wenn es eine einzige message gibt, die ich an alle potentiellen Mandanten senden könnte dann die: halte den Mund bevor du mit einem Anwalt gesprochen hast.
Natürlich muss man hier unterscheiden: ein ganz normaler Zeuge sollte natürlich immer eine Aussage machen: Beispiel: du siehst vom Fenster aus, wie Theodor in ein Auto einbricht, die Polizei fragt dich später nach der Aussage... kein Problem, denn du hast mit Theodor nichts zu tun, kennst ihn halt aus der Nachbarschaft, erfüllst deine staatsbürgerliche Pflicht.
So. Aber in allen Fällen, wo du selbst Beschuldigter werden könntest: halt den Mund. Selbst und gerade wenn du unschuldig bist, ist es oft ein Fehler zu glauben, man könne selbst dieses "Missverständnis mit der Polizei" aus der Welt schaffen. Ja, vielleicht kannst du das, aber mit einem Anwalt an der Seite wird das weitaus besser gehen. Das gilt jetzt übrigens in allen Ländern, da gibt es keinen Unterschied zwischen Deutschland oder den USA. Wenn die Polizei auf dich zukommt, dann hat sie dich im Auge. Nicht weil sie dein unschuldiges Lächeln so mag, sondern weil irgendetwas den Beamten signalisiert hat: den sollten wir mal fragen... der ist verdächtig. Und von dem Moment an betrachten die Beamten dich in einem ganz anderen Licht: sie suchen in deiner Aussage nach etwas Belastendem, nicht nach Entlastendem.
Hier in diesem Beispiel ist die Aussage des Ehemanns interessant: seine Aussage ist ein Desaster für Reuven. Der Ehemann hätte nicht aussagen müssen. Er hat sich sogar selbst mit seiner Aussage gefährdet, obwohl er glaubte, sich selbst eben damit einen Dienst zu erweisen: er hat zugegeben, dass diese Computer für den download von Pornos genutzt wurden. Das öffnet die Tür zu weiteren Ermittlungen.
Ob die Polizei einen warnen muss, dass er ein Aussageverweigerungsrecht hat ist in jedem Land verschieden, aber nicht nur das: es hängt auch oft von der Form der Vernehmung ab: ist sie formal, ist sie es nicht, wer steht im Fokus... erfahrene Polizeibeamten wissen genau, wie sie juristisch auf sicherem Land bleiben, der Befragte hat in der Regel keine Ahnung. Daher: nicht reden.
Wenn man mit der Polizei zu tun hat, ist man allein immer im Nachteil. Gute Beamte haben schon hunderte wenn nicht tausende Verdächtige befragt, sie sind Experten darin. Der Bürger, der zum ersten Mal damit konfrontiert wird, ist ein totaler Laie. Ein Rechtsanwalt stellt erst den Ausgleich her.
Wie gesagt, das gilt alles gerade dann, wenn man sich unschuldig fühlt. Der erfahrene Seriendieb oder Einbrecher hat vielleicht schon hundert Mal einem Polizisten gegenüber gesessen, der weiss wie so etwas abgeht. Der Unschuldige ist es, der hier völlig überfordert ist.
Aber ich will doch die Polizisten von meiner Unschuld überzeugen? Das sollst du auch. Nur: wenn es zu einer Vernehmung kommt, bist du schon lange in den Augen der Beamten nicht mehr unschuldig. Deshalb brauchst du hier professionelle Hilfe.
Schliesslich muss man immer unterscheiden zwischen einer Aussage vor Gericht und vor der Polizei: das eigentliche Aussageverweigerungsrecht in Hinsicht auf Verwandte usw. genau wie in Hinsicht auf sich selbst besteht vor Gericht. Vor der Polizei hat man immer das Recht zu schweigen. Hat man also erst eine Aussage vor der Polizei gemacht, kann man immer noch später vor Gericht die Aussage verweigern. Nur: die Erkenntnisse, die die Polizei aus der Aussage gewonnen hat, die nimmt der Polizei jetzt niemand mehr weg. In manchen Fällen kann die protokollierte Aussage sogar vor Gericht verwendet werden.
Soviel zum Thema Aussage.
2. Gibt es in den USA ein Gesetz, dass ein Prozess bald nach einer Festnahme stattfinden muss?
Ja. Aber. Es gibt in den Bundesstaaten die "speedy trial" laws, aber leider meinen die es zu gut, als dass sie wirklich viel nutzen. So kann es zum Beispiel heissen, dass spätestens nach 60 Tagen die Staatsanwaltschaft bereit sein muss zum Prozess. Fein: die Untersuchungshaft kann also nicht viel länger dauern. Oder?
Das Problem: die Staatsanwaltschaft schlägt dann zu, wenn sie das Gefühl hat, sie hat genug Beweise. Der Beschuldigte fällt aus allen Wolken. Muss jetzt erst mal einen Anwalt suchen. Der muss sich in den Fall einarbeiten... ... In weit über 90% der Fälle erklärt der Verteidiger, dass man auf die "speedy trial" Regel verzichtet ("waive time"). Und dann ist wieder alles offen.
Ein Mordfall in dem ich vor Kurzem involviert war brauchte 2 Jahre bis zum Prozess. 2 Jahre Untersuchungshaft. Die Zeit wurde gebraucht um Zeugen zu finden, Gutachten zu erstellen etc. Am Ende: Freispruch. Ein unbefriedigender Ausgang, gewiss, denn 2 Jahre des Lebens futsch, aber in 60 Tagen hätte die Verteidigung es nie geschafft, all das auf die Beine zu stellen.
Die Dauer des Prozesses dann ist ein anderes Thema. Auch hier kann es quälend langsam vorangehen, wobei ich auch denke, dass man hier an Grenzen stösst. Ich finde den NSU Prozess zum Beispiel bereits jenseits dessen, was ich als rechtstaatlich empfinde. Allerdings ist so etwas zum Glück noch eine Ausnahme. Schon 6 Monate sind in meinen Augen zu viel. Aber wieder gefragt: wenn man als Verteidiger die Wahl hat, alles in 3 Wochen erledigen oder genug Zeit, um alle Zeugen ausführlich zu befragen und zu präsentieren... wer traut sich schon, hier abzukürzen?
3. Kautions-system in den USA: In den USA ist das Recht, als Beschuldigter auf Kaution frei zu bleiben eigentlich ein verfassungsmässig verbrieftes Recht. Leider ist es aber auch hier, wie in anderen Staaten auch, zu einer Aushöhlung der Verfassung gekommen, so dass es jetzt im Prinzip verschiedene Möglichkeiten gibt:
Bei bestimmten Verbrechen kann der Richter die Freilassung auf Kaution generell versagen, oft z.B. bei Vorwürfen wie Mord oder sexueller Missbrauch von Kindern etc.
Bei allen anderen gilt: es gibt drei oder vier verschiedene Möglichkeiten:
-Freilassung ohne Kaution (das passiert in den allermeisten Fällen) (release on your "own recognizance") Der Beschuldigte wird einfach entlassen oder unter anderen Auflagen entlassen bis zum Prozess
-Freilassung auf Kaution. Diese can "cash" or "bond" sein: Der Richter setzt eine Summe Geld fest, die ein Beschuldigter hinterlegen muss, als Sicherheit, dass er beim Prozess erscheinen wird. "Cash" heisst, dass er sie auch bar hinlegen muss. "Bond" heisst, er kann einen "bondsman" beauftragen, die Summe zu hinterlegen, grob gesagt ist das ein Kredit, den er dafür aufnimmt. Nehmen wir an die Summe ist $ 50,000. Der bondsman wird diese bei Gericht hinterlegen gegen einen Schuldschein des Beschuldigten. Dieser zahlt in der Regel 10% der Summe an den bondsman. Das heisst, er braucht jetzt nur $ 5,000 aufbringen, die allerdings behält der bondsman als Gebühr. Verschwindet der Beschuldigte auf Nimmerwiedersehen, hat der bondsman Pech gehabt, er sieht seine $ 45,000 nie wieder.
-Immer öfter wird heute auch Freilassung mit "elektronischer Fussfessel" ermöglicht: der Beschuldigte erhält meist am Fussgelenk eine elektronische Armatur, die per Funk seinen Aufenthaltsort an eine Zentrale meldet, ebenso wird ein Alarm ausgelöst, wenn der Beschuldigte versucht die Armatur abzulegen oder zu zerstören. Dafür zahlt er eine Gebühr an die Firma, die das System betreibt, z.B. $ 10 pro Tag.
Soviel zu diesem Ausflug in die Welt des Strafrechts. Ich hoffe ich habe niemanden gelangweilt. :)