@Alex1976 Es gibt mehrere Möglichkeiten, das Verfahren zu beenden, wobei es sehr auf die Details ankommt, welche ich wählen würde. Grob gesagt stellen sich diese drei vor:
1) Ich gehe zum Staatsanwalt und sage ihm: schau, ich habe diesen und jenen Beweis hier, es ist unmöglich, dass mein Mandant etwas mit der Tat zu tun hat. Nehmen wir als Beispiel einmal: Ursula ist angeklagt, bei Ottokar am 1.4. um 10 Uhr eingebrochen zu haben, Ottokar wohnt in Adorf, in der Hauptstrasse. Ich habe 10 Zeugen, darunter den ehrenwerten Pfarrer von Bdorf, den Dorfpolizisten von Bdorf, lauter ehrenwerte Bürger, die alle bezeugen, dass Ursula am 1.4. um 10 Uhr bei der Beerdigung von Zenzi auf dem Friedhof von Bdorf anwesend war. Bdorf ist 50 km von Adorf entfernt.
Der Staatsanwalt erkennt, dass er keine Chance hat und beantragt bei Gericht die Einstellung des Verfahrens.
2) Der Staatsanwalt glaubt, dass Pfarrer, Dorfpolizist und Gemeinde von Bdorf an jenem Morgen schon vor der Beerdigung gewaltig gebechert haben um ihren Schmerz über das Ableben von Zenzi zu betäuben, daher die Beerdigung erst gegen 11 Uhr begonnen hat und die Zeugen unter den schwarz verschleierten Frauen eh niemanden erkannt haben.
Inzwischen hat ja die grand jury der Anklageerhebung zugestimmt und der Richter hat den Termin angesetzt. Nun muss ich tatsächlich bis zu Beginn der Verhandlung warten, aber ich kann gleich am Anfang den Antrag auf Abweisung der Klage erneut stellen, mit den oben genannten Zeugen, in dem ich behaupte, es gibt keine Möglichkeit, dass die Jury hier Ursula schuldig sprechen wird. Mit anderen Worten: ich kann dem Richter sagen: eine Hauptverhandlung ist Zeitverschwendung. Folgt der Richter meiner Meinung, wird es ein "directed verdict" geben, die HV wird direkt am Beginn wieder beendet, Ursula ist frei.
3) In einer Variante von 2) kann ich die Hauptverhandlung abwarten, in welcher der Staatsanwalt zuerst an der Reihe ist, kann am Ende seiner Darstellung des Falles aufstehen und sagen: Er hat ausser dem miesen Lügner Leo, den in Adorf jeder als Lügner kennt, keinen anderen Zeugen. Mit so einem schwachen Sachverhalt wird er die Jury nicht überzeugen, wir können uns den Rest der HV sparen: sprechen Sie Ursula direkt frei.
4) Ich kann auch warten, bis ich in der HV dran bin, kann nun stolz Pfarrer, Dorfpolizist, die Frau Gmeinwisser, die neben Ursula auf der Beerdigung sass und ihr ihr Spitzentaschentuch geliehen hat um die Tränen abzuwischen und eine Reihe weiterer Zeugen bringen. Die Jury spricht Ursula nun sofort frei.
Was ist die beste Strategie? Das Problem mit 1) ist, dass wenn der Staatsanwalt das Verfahren einstellt, er es meistens auch wieder neu in Gang bringen kann. Im Schlimmsten Fall macht er sich weiter auf die Suche nach neuen Zeugen, findet diese auch, und klagt Ursula wieder an.
Bei 2 und 3 und 4 dagegen kann ich einen Freispruch erreichen, der in den USA sofort rechtskräftig ist und Ursula für immer davor schützt, noch einmal wegen diesem Einbruch angeklagt zu werden, selbst wenn sich herausstellen sollte, dass die Honorigen Herren in Bdorf tatsächlich sich um eine Stunde vertan haben.
Andererseits, wenn ich bis 4) warte und sich herausstellt, dass die Jury die Pappenheimer aus Bdorf besser kennt als der Richter und der Staatsanwalt und ihnen kein Wort glauben, kann es sein, dass ich einen strategischen Fehler gemacht habe.
Daher kommt es sehr stark auf die Einzelheiten des Falles an.
Hier im Rouven Fall kann es tatsächlich so sein, dass Rouven bereits seit jener Hausdurchsuchung eifrig an seiner Verteidigung arbeitete und sein Anwalt inzwischen meint, er habe genug entlastendes Material um den Prozess beginnen zu können. Dann freilich hat er Recht, denn ansonsten kann schnell ein halbes Jahr oder mehr vergehen bis der Prozess startet und Rouven würde höchstwahrscheinlich diese Zeit in der unangenehmen U-Haft verbringen.
Allerdings bin ich mit nicht sicher, ob eine solche selbstbewusste Verteidigung bereits möglich war. Da die Staatsanwaltschaft bisher noch keine Verpflichtung hatte, ihr Beweismaterial zur Verfügung zu stellen, wäre die Gefahr gross, dass die Verteidigung bisher in die falsche Richtung gearbeitet hätte und auf bestimmte wichtige Details z.B. in der Technik bisher nicht genug Antworten besitzt.
Beurteilen können wir das hier nicht. Wie schon viele hier angemerkt haben, wäre es merkwürdig, wenn Rouven in den Monaten gar nichts getan hätte. So kann es sein, dass die Verteidigung bereits etwas in der Hand hat, was ihr dieses Selbstbewusstsein gibt. Man wird sehen.
Es kann aber auch durchaus sein, dass in den nächsten Wochen noch das Gegenteil passiert und die Verteidigung einen Antrag stellt, den Prozess doch noch nach hinten zu verschieben.
Zu "Lars Schmidt:" Ich kenne mich mit solchen Namensgeneratoren nicht aus, frage mich aber generell, wozu man den Aufwand betreiben sollte. Joe Smith wäre genauso gut, oder Alois Hupferzettl, oder Chin Wan Mai. Denn, dass hier jemand bewusst Rouven schaden wollte und deshalb einen deutschen Namen vorgab, dass erscheint mir doch zu weit hergeholt. Und selbst wenn: warum dann nicht sogar den Klarnamen verwenden um sicher zu gehen, dass das FBI auch den "Richtigen" verhaftet?
Ich denke, hier wissen wir auch zu wenig. Interessant wäre zum Beispiel, ob "Lars Schmidt" in diesem Netzwerk auch auf Deutsch kommunizierte.