UPDATE: UNBEKANNTES POLIZEI-TELEFONAT AUFGETAUCHT. ANGEBLICHE SICHTUNG HALBACHS NACH IHREM VERSCHWINDEN.
Am 6. Februar 2019 tauchte ein möglicherweise bedeutender Audiomitschnitt einer Polizeimeldung auf, der 14 Jahre lang völlig unbekannt war und mittlerweile als „The Kuss Road Sighting“ bezeichnet wird. Ich stelle diesen Mitschnitt hier im Original zur Verfügung:
https://clyp.it/5y5r3c4oErst durch eine entsprechende FOIA (Freedom of Information Act) Anfrage, wurde eine Reihe von Audiomitschnitten aus dem Polizeifunkzentrum vor kurzem an die Öffentlichkeit herausgegeben. Darunter fand sich überraschenderweise auch dieser, bislang völlig unbekannte, Mitschnitt, der eine ganze Reihe von Fragen aufwirft.
Der Anruf von Leo Richmond bei der Polizei, um den es sich handelt, erfolgte am 5. November 2005 um 15:38 Uhr, also einige Stunden nachdem Halbachs Auto auf Averys Grundstück offiziell (wieder?)gefunden worden war.
Richmond informiert die Polizeileitstelle von Calumet County, dass er am Abend des 4. November 2005 irgendwann zwischen 10.00 und 11:30 Uhr eine Frau gesehen habe, von der er glaubt, es sei Theresa Halbach gewesen.
Sie habe nachts an seine Tür geklopft und nach dem Weg gefragt. Leo Richmond wohnt am Ende der westlich von Averys Grundstück gelegenen Kuss Road, nördlich von Mishicot, und gehört zu den Betreibern des dortigen Hundegeschäfts „Hearts of Gold Retrievers“. Die Leitstelle nimmt diese Meldung auf, notiert Richmonds Telefonnummer, und telefoniert dann mit Mark Wiegert, der später die Ermittlungen im Mordfall Theresa Halbach übernehmen wird. Wiegert erklärt, er habe keine Zeit dafür, werde sich das aber aufschreiben.
Wohlgemerkt, das ist am 5. November. Zu dieser Zeit sind die Überreste Halbachs noch nicht entdeckt, lediglich das Auto, und auch das erst einige Stunden vor diesem Anruf (um 10.30 Uhr).
Es wird noch immer nach einer lebenden (!) Vermissten gesucht.
Die Knochen von Theresa Halbach werden erst am 8.11.2005 gefunden und einige Tage später identifiziert.
Trotzdem wird diesem Anruf niemals nachgegangen.
Und das obwohl der Ort dieser potentiellen Sichtung in örtlicher Nähe zum offiziellen Fundort des Autos liegt.
• Leo Richmond wird nie zurückgerufen,
• Kein Beamter spricht je mit ihm
• Seine Meldung wird niemals überprüft, sie ist niemals Gegenstand irgendwelcher Ermittlungen.
In den DREI Tagen, bis Halbachs Leiche gefunden und aus der Vermißtensuche ein Mordfall wird, macht sich niemand die Mühe diesem Hinweis nachzugehen – Warum nicht?
Nun lässt sich nicht mit Gewissheit sagen, ob Richmond wirklich Halbach gesehen hat, auch eine Verwechslung ist absolut im Bereich des Möglichen, aber völlig von der Hand weisen kann man die Möglichkeit – die allerdings von der These der StA nichts mehr übrig lassen würde – keineswegs.
Die Suchhunde der Polizei, die später (am 7. November 2005) Halbachs Witterung aufnahmen folgten der Spur nämlich bis zur Kuss Road (!) und zwar ziemlich genau dort wo Richmond wohnte, und drehten dort wieder um. Eine Präsenz Halbachs in dieser Gegend, zu irgendeiner Zeit nach ihrem Verschwinden, hat also durchaus eine Wahrscheinlichkeit.
Und man kann auch nicht ignorieren, dass diese angebliche Beobachtung am 4.11. stattgefunden haben soll:
Am selben Tag an dem drei Zeugen, laut eidesstattlicher Versicherung, Halbachs Auto, etwas weiter entfernt, aber doch in relativer örtlicher Nähe, am Highway 147 außerhalb von Mishicot am Straßenrand stehen sahen (weit außerhalb des Schrottplatzes), und an dem einer der Zeugen, Kevin Rahmlow, in der Cenex-Tankstelle in Mishicot diesen Fund, laut eidesstattlicher Aussage, Sergeant Andrew Colborn, der dort war, meldete – Colborn, der darüber nie einen Bericht schrieb und diese Meldung auch vor Gericht verheimlicht hat. Und am selben Tag, an dem Colborn über sein Privathandy ein Telefonat mit derselben Leitstelle führte, in dem er sich Halbachs Autonummer bestätigen ließ – während im Hintergrund Stimmen zu hören waren, die „the car is there“ und „it’s hers“ sagen.
Damit enden die Merkwürdigkeiten hinsichtlich dieser Meldung noch nicht. Denn….
• Das Telefonat mit Richmond wird nie schriftlich dokumentiert
• Es taucht in den Fall-Akten (CASO Report) überhaupt nicht auf, da nie ein Bericht geschrieben wurde
• Es ist in den Gerichtsunterlagen nirgends enthalten oder erwähnt.
Als Folge gelangte dieser unbekannte Mitschnitt damals nie in die Hände von Strang und Buting, sie erfuhren nie davon. Sie konnten ihn vor Gericht nie einbringen und Richmond nie befragen. Man muss fragen dürfen wie das Urteil in einer Mordanklage, die explizit darauf basierte, dass das Mordopfer den Schrottplatz der Familie Avery nie wieder verlassen hat, ausgefallen wäre, hätte die Jury von diesem Mitschnitt , wie spekulativ auch immer er sein mag, erfahren.
Er hätte mit einiger Sicherheit begründete Zweifel ausgelöst.
Dieses Telefonat wirft – selbst falls es sich bei der Frau, die Richmond gesehen haben will, nicht um Halbach gehandelt haben sollte, was die wahrscheinlichere Variante ist – zahlreiche Fragen auf.
Darunter die Wichtigste:
Warum unterließ man jede Ermittlungstätigkeit zu diesem Hinweis? Präziser, warum hatte man kein Interesse nach einer lebenden Theresa Halbach zu suchen, als man noch gar nicht wissen konnte, dass sie tot war?
Und:
Warum dokumentierte man auch diese Meldung nicht in der gesetzlich vorgeschriebenen Weise, so dass wir erst heute, 14 Jahre später, von ihrer Existenz erfahren?