Rick_Blaine schrieb:Das hätte, wir wir sehen, auch ganz anders ausgehen können, eine einzige Richterstimme. Und dann müssten sich die cops in Zukunft zurückhaltender bewegen.
Umgekehrt bedeutet das auch, dass Ermittler in solchem Vorgehen nun bestärkt wurden.
Entscheidend ist dann gar nicht die Motivation der Cops, sondern dass sie überhaupt damit durchkommen können: Ein geistig zurückgebliebener 16-Jähriger wird ohne Rechtsbeistand oder Anwesenheit von Eltern stundenlang verhört und bekommt das Versprechen, dass er nach Hause gehen darf, wenn er den Mord gesteht.
Die Befragungstechnik wird auch in den USA kritisiert:
In 2015, eight organizations including John E. Reid & Associates settled with Juan Rivera, who was wrongfully convicted of the 1992 rape and murder of 11-year-old Holly Staker. A number of pieces of evidence excluded Rivera, including DNA from the rape kit and the report from the electronic ankle monitor he was wearing at the time while awaiting trial for a non-violent burglary. However, he confessed after being interrogated by the police several days after taking two polygraph examinations at Reid and Associates. After his exoneration, Rivera filed a suit for false arrest and malicious prosecution. The case was settled out of court with John E. Reid & Associates paying $2 million.[15]
Die Rolle der Polizei in diesem Fall kann man durchaus kritisch sehen, und auch andere Fehlurteile beruhten auf zumindest schlampiger, nicht selten aber auch bewusst einseitiger Ermittlung.
Und dann gibt es eine (in meinen Augen) juristische Absurdität:
Für den selben Mord wird auch ein anderer Täter verurteilt, aber in den Verfahren werden ganz unterschiedliche Tathergänge angenommen.
Dassey wurde überhaupt nur verdächtigt, weil er das Alibi von Avery war und wenn beide den Nachmittag zusammen verbrachten, müssen sie den Mord zusammen begangen haben. Dann sollte aber der Tatablauf übereinstimmen.
Natürlich ist es immer so, dass Recht und Gerechtigkeit überein stimmen.
Kritik am Recht ist aber gerade darum gestattet und ohne öffentliche Diskussion würde sich sehr viel weniger ändern. Zum Beispiel hatte die Wiederaufnahme des ersten Avery-Verfahrens dazu geführt, dass Gegenüberstellungen anders geregelt wurden:
His wrongful conviction case attracted widespread attention. Rep. Mark Gundrum, Republican chairman of the Wisconsin Assembly Judiciary Committee, impaneled a bipartisan task force to recommend improvements to the state's criminal justice system aimed at decreasing the likelihood of future wrongful convictions. Recommendations included a revamped eyewitness identification protocol[3] and new guidelines for interrogations of suspects and witnesses, and the collection and storage of material evidence.[18] The recommendations were ultimately drafted into legislation that became known as the Avery Bill, which was passed and signed in October 2005,[19] then renamed the Criminal Justice Reform Bill a month later after Avery was charged in the Halbach case.
Es ist also durchaus sinnvoll, Gesetze immer wieder in Frage zu stellen. Das bedeutet ja nicht, dass man fordern würde, über eine Verurteilung eine Volksabstimmung abzuhalten.
Was Bobby Dassey angeht: Um Ihn ernsthaft zu verdächtigen, bräuchte es mehr als die Dateien auf dem Computer. Wenn ich mich richtig erinnere, wird auch nachgewiesen, dass er die Zeit und Gelegenheit (und einen möglichen Mittäter) hatte und der dritte Bruder sagte mehrfach aus, dass Bobby ihm gegenüber eine andere Version erzählte als die im Avery-Prozess. Bobby soll also als Hauptzeuge gegen Avery gelogen haben, als er sagte, er habe nicht gesehen, dass Halbach das Grundstück verließ.