Seps13 schrieb:Sein Blut im Opferauto, das er nicht betreten haben will, seine DNA an der Motorhaube vom Auto, das er dort nicht berührt haben will, die Kugel, abgefeuert aus seinem Gewehr, mit ihrer DNA dran, seine DNA am Autoschlüssel des Opfers, das Putzen zu zweit einer bestimmten Stelle in seiner Garage mit drei verschiedenen aggressiven Mitteln am Tag ihres Verschwindens, sein besonderes Interesse an dem Opfer, seine Anonymanrufe auf ihrem Handy, als er auf ihre Ankunft wartete, ihr letzter telefonischer Kontakt vor dem Eintreffen auf dem Schrottplatz. Die Rückstände ihrer verbrannten Leiche, ihrer Kamera, ihres Handys...
Auf fast alle diese Indizien geht die Anwältin in der Serie ein. Nicht gesehen?
Seps13 schrieb:Für mich ist die Indizienlage eindeutig.
Das sollte sie ja auch sein, sonst hätte es keine Verurteilung gegeben.
Seps13 schrieb:FF schrieb:
können einem auch mal berechtigte Zweifel am Justizsystem der USA
seps13: Großes anderes Thema, wird ja auch in den entsprechenden US-Krimifällen immer mal wieder angerissen. Würde ich hier aber nicht in der grundsätzlichen Form diskutieren wollen. Ich halte die Konstellation in diesem Fall für so speziell, dass er nicht geeignet ist, als Aufhänger für eine generelle Systemkritik zu dienen.
Das ist aber zufällig
das Thema dieser Geschichte, in der zwei Fehlurteile vorkommen. Und das ist ja nicht das erste mal, dass die Schwächen des Systems anhand eines Falles aufgezeigt werden.
Seps13 schrieb:FF schrieb:
wurde bereits einmal fälschlicherweise zu lebenslänglich verurteilt,
seps13: Das erhöht weder die statistische Wahrscheinlichkeit, dass es noch mal passiert, noch schützt es vor Strafe bei späteren wirklich begangenen Taten. Es spricht nicht für seine Unschuld und auch der Mitleidsbonus ist zu dem Zeitpunkt vollständig aufgebraucht, als er Teresa Halbach ermordete.
Was für ein Mitleidsbonus? Auch ganz ohne Mitleid kann man ihm zugestehen, dass 18 Jahre Haft für eine Tat, die er nicht begangen hat, aus einem Unsympathen keinen Engel gemacht haben werden und in dem Medienrummel (ja, auch in der Doku) sein wahres Wesen kaum zu beurteilen ist.
Aber ausgerechnet aufgrund der Berichte der Dame, die sich ihm (auch sehr medienwirksam) an den Hals warf als er bekannt wurde, und die dann( noch medienwirksamer) entdeckt haben wollte, dass er ein Monster ist, seinen Charakter zu beurteilen, das würde ich ausschließen.
Ebenso wie ich ihn nicht aufgrund der schönen Bilder in der Doku beurteilen wollte, in denen versucht wird ihn als etwas schräg, aber harmlos darzustellen. Das ist mir zu oberflächlich geraten.
Ein unguter Charakter macht aber noch keinen Mörder aus einem und er wurde nunmal mindestens einmal zu Unrecht verurteilt.
Und wenn man solche Laien-Psychologisierungen vornimmt und eine mögliche Manipulation von Indizien diskutiert, müsste man auch die Gegenseite betrachten: Einen Staatsanwalt, der selbst in einen üblen Skandal verwickelt ist und nachweislich mehrere Frauen, darunter ein Opfer häuslicher Gewalt in deren Fall er zu ermitteln hatte, belästigt hat. Und das, während er Vorsitzender des Ausschusses für Opferrechte war.
2014 gestand er Sexsucht, Drogenmissbrauch und eine narzisstische Persönlichkeitsstörung ein.
Außerdem sieht es für mich so aus, als hätte er bedenkenlos die Familie Halbach manipuliert.
Wenn man Avery vorwirft, als Katzenquäler auf dem besten Weg zum Mörder gewesen zu sein, dann müsste man auch überlegen, ob die Störungen des Staatsanwaltes nicht schon lange bestanden haben müssen.
Und was den Populismus einer Rechtsanwältin angeht: Kratz hat da scheinbar auch nichts ausgelassen, medienwirksame Auftritte zu inszenieren.
Rick_Blaine schrieb:Den berühmten Perry Mason Effekt, in dem es ausreicht, einen einzigen überraschenden Beweis in den Fall einzubringen, den alle Welt sonst bisher übersehen hat - den gibt es eben nur bei Perry Mason, also im Fernsehen. Im richtigen Leben kommt so was so gut wie nie vor.
Darum beruht die Strategie der Anwältin ja auch auf der Anzweifelung so vieler einzelner Indizien wie möglich.
falstaff schrieb:Wo ich noch mitgehen kann ist, dass die Polizisten durchaus Interesse daran hatten Avery in irgend einer Weise kaltzustellen - aus gleich mehreren Gründen. Die Annahme dass sie in der Lage waren einen fast perfekten Mord zu begehen, geht mir dann aber doch zu weit.
Wer beschuldigt denn die Polizisten, selbst den Mord ausgeführt zu haben?
Und was ist an dem Mord "fast perfekt"? Wenn, dann wäre das Anhängen des Mordes an Avery und Dassey ziemlich perfekt gelaufen.
falstaff schrieb:Aber mal angenommen sie hätten einen solchen Mord nicht nur begehen wollen sondern wären auch in der Lage gewesen ihn nahezu perfekt durchzuführen, dann ist doch die alles entscheidende Frage warum sie dann nicht gleich Avery direkt erlegt haben?
Weil sie wenn, dann den Mord nicht ausgeführt, sondern nur Avery angehängt haben, als er zur "passenden" Zeit und in der Nähe geschah. Zu viel Zufall?
falstaff schrieb:Warum dieser fürchterlich riskante und umständliche Weg über die Ermordung einer Journalistin, inklusive extrem aufwändiger Spurensimulation? Warum überhaupt eine unschuldige Person zum Opfer machen?
Weil die Tat gerade "gelegen" kam. Und so aufwändig wäre die Spurensimulation nicht gewesen, Blut und DNA von Avery fand sich z.B. nur an zwei Stellen im Auto, wenn die Knochen platziert wurden können auch die verbrannten Geräte platziert worden sein u.s.w.. Die Spurensuche begann ja nicht am Tag danach, sondern erst 10 Tage später, der Schlüssel noch Tage danach.
Gegenfrage: Warum einen möglicherweise Unbeteiligten zum Geständnis nötigen?
falstaff schrieb: Das einfachste wäre doch gewesen Avery unter dem Vorwand eines Schrottwagenkaufes irgendwo hinzulocken und dann zum Beispiel einen tödlichen Verkehrsunfall zu inszenieren.
Wie einfach ist das denn, einen tödlichen Verkehrsunfall zu inszenieren? Etwa einfacher, als eine Handvoll Spuren zu legen?
falstaff schrieb: Es war überhaupt nicht abzusehen, dass ein Mord an einer unbeteiligten Journalistin die Zivilklage auflösen würde. Avery hätte die genauso gut weiterverfolgen können, mit hohen Erfolgsaussichten - zumal er das Geld umso dringender brauchte, für seinen zweiten Prozess. Darüber hinaus gibt es ja jetzt erst recht viele Fragen.
Für die Zivilklage brauchte er Geld, und dann brauchte er es für das neue Verfahren noch nötiger.
Welcher Anwalt hätte ihn da noch in der Zivilklage ohne Vorschuss vertreten? Die wäre dann ja auch vor einer Jury verhandelt worden, oder nicht? Und wie gut hätten die Chancen für jemanden gestanden, der gerade wegen eines Mordes einsitzt? Gibt es da Vergleichsfälle,
@Rick_Blaine?
falstaff schrieb: ihre wachsende Fangemeinde, die sie für eine selbstlose Wohltäterin halten.
Tut das jemand? meines Erachtens macht sie ihren Job, weiß mit Medien umzugehen und muss natürlich auch Werbung machen... oder wer bezahlt die Gutachter, die Mitarbeiter, ihre eigene Arbeitszeit?
Natürlich könnte sie auch bescheidener sein und unspektakuläre Fälle annehmen, aber sollte sie einen so bekannten Fall ablehnen, weil er so im Medienfokus steht? Wer sollte denn den Fall annehmen und wie sollte er besser vorgehen?
falstaff schrieb:Alleine der Clash of Cultures ist sehenswert: Wenn diese feine, gebildete, gestylte und mutmaßlich schönheitsoperierte Staranwältin am Schrottplatz vorfährt und sich dann umringt von ihrem emsigen Gefolge in die Niederungen des amerikanischen Präkariats begibt, das ist beste Unterhaltung. Ich konnte mich gerade an diesen Szenen nicht satt sehen...
Aber ja, das ist natürlich das entscheidende: Wie gut wir uns unterhalten fühlen.
Fehlt nur noch eine Tine Wittler.
Seps13 schrieb:Zunächst mal müssen hier gleich zwei nicht nur korrupte, sondern völlig emotionslose, eiskalt berechnende, hochkriminelle Polizisten eine brutale Hinrichtung an einer jungen unbekannten Frau, von deren Termin (mit allerdings unbekannter Uhrzeit) auf dem Schrottplatz sie zufällig erfahren haben, zur prophylaktischen Beseitigung eines Haftungsrisikos im Rahmen der Zivilklage geplant und durchgeführt haben. Anschließend ihre Leiche zerstückelt und verbrannt haben.
Siehe oben: Nein.
Es müssten nur zwei Polizisten, die sich einer Millionenklage gegenüber sehen und selbst, wenn sie nicht persönlich haften müssten, sicher ihre Jobs verlieren würden, ein Verbrechen zwei Personen angehängt haben. Ein Staatsanwalt sieht seine Chance, der Held zu sein und das Justizsystem zu rehabilitieren.
Nicht möglich? Alle Superlative kriminellen Handelns erforderlich? Das ist Blödsinn.
Denn wie man schon gesehen hat, brauchte es auch keine Superkräfte, einem Mann, der ein Alibi mit 14 Zeugen hatte, eine Vergewaltigung anzuhängen.
Seps13 schrieb:Dann machten sie sich an die Arbeit und inszenierten umständlich alle Beweise, die klar für Averys Schuld sprechen, wobei offen bleibt, wie sie an Averys Blut kamen.
Dazu hatten sie 10 Tage Zeit und Avery muss mit der Wunde an der Hand auch andere Stellen angefasst haben.
Wikipedia: False evidenceSeps13 schrieb:Das kann ich nur glauben, wenn auch Netflix als geheimer Auftraggeber der filmreifen Story in den Mord involviert und zusätzlich viel Geld an die Polizisten geflossen ist.
Noch mehr Blödsinn, selbst als Zynismus.
Als wäre noch nie vorgekommen, dass Beweise verfälscht, platziert oder fabriziert wurden, oder jemandem eine Tat angehängt.
Filmreif war die Story schon vor dem Mord an Halbach, eine Millionen-Entschädigung hätte ein mindestens ebenso medienwirksames Echo gefunden.