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Making a Murderer - der Fall Steven Avery/Brendan Dassey

1.496 Beiträge ▪ Schlüsselwörter: Making A Murderer, Steven Avery, Brendan Dassey ▪ Abonnieren: Feed E-Mail

Making a Murderer - der Fall Steven Avery/Brendan Dassey

21.12.2018 um 18:11
Oder einfach nur das ich es falsch verstanden habe. Aber ich gucke gerne nochmal nach wenn du das möchtest


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Making a Murderer - der Fall Steven Avery/Brendan Dassey

21.12.2018 um 18:47
@Roadblock

Falls du dich überzeugen willst, das in Episode 6 "Testing The Evidence" von Staffel 1. Und nein, sie haben das richtig dargestellt, wir, vor allem ich, haben den Dreher reingebracht, wie du richtig vermutest.
Man darf nicht vergessen, dass eine der beiden Filmemacherinnen, Laura Ricciardi, nicht nur Film studiert, sondern auch einen Jura-Abschluss der New York Law School hat. Unter anderem deswegen ist die Serie journalistisch und juristisch absolut wasserdicht und Falschdarstellungen die sich manche förmlich herbei wünschen, wird man darin nicht finden


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Making a Murderer - der Fall Steven Avery/Brendan Dassey

21.12.2018 um 19:12
Zitat von stefanclimbr15stefanclimbr15 schrieb:Unter anderem deswegen ist die Serie journalistisch und juristisch absolut wasserdicht und Falschdarstellungen die sich manche förmlich herbei wünschen, wird man darin nicht finden
Es ist doch interessant dass du bei einer bestimmten Person absolute Fehlerfreiheit annimmst, weil sie Jura und Filmwissenschaften studiert hat - gleichzeitig unterstellst du aber mehr als 20 Prozessbeteiligten massenhaft systematische und zufällige Fehler, obwohl die in ihren jeweiligen Fachgebieten ebenfalls hervorragend ausgebildet und erfahren sind. Ein Großteil davon hat ebenfalls Jura studiert und jahrelange Berufserfahrung vorzuweisen.

Wie passt das zusammen?


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Making a Murderer - der Fall Steven Avery/Brendan Dassey

21.12.2018 um 19:30
Zitat von stefanclimbr15stefanclimbr15 schrieb:die sich manche förmlich herbei wünschen
So was kannst du dir immer noch nicht verkneifen, was? Sticheleien wollten wir doch sein lassen.

Immerhin wurde es wohl nicht ganz klar dargestellt, so dass es dahingehend zu einem Missverständnis kommen konnte.

Ich kenne die Serie nicht, ich habe mir nur die Fakten, speziell die Hauptindizien genauer angesehen und ich habe einen ganz anderen Eindruck von dem Fall als viele User, die mit der Serie angefangen haben.

Ich bin ehrlich gesagt sehr erstaunt, dass so viele, gerade auch du nach intensiverer Beschäftigung mit dem Fall, den Mythos der Verteidigung abnicken. Ohne den geringsten Zweifel. Woher kommt diese entschlossene Bereitschaft?

Wie bist du eigentlich an den Fall gekommen? Auch über MaM?


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Making a Murderer - der Fall Steven Avery/Brendan Dassey

21.12.2018 um 20:15
Zitat von falstafffalstaff schrieb:Es ist doch interessant dass du bei einer bestimmten Person absolute Fehlerfreiheit annimmst, weil sie Jura und Filmwissenschaften studiert hat
Nicht deshalb, leg mir da bitte nichts in den Mund. Ich kann nur als jemand der im Filmbereich selber Expertise hat, fachlich einschätzen wie die Arbeit von Ricciardi und Demos ist. Und ich unterstelle, dass jemand nicht in einer öffentlich ausgestrahlten Doku offensichtliche Falschdarstellungen einbaut (was hier auch praktisch nicht machbar wäre, da es keinen Sprecher gibt und die Filmemacherinnen selbst keinen Standpunkt einnehmen, nur beobachten. Sie folgen dem Weg der Personen die sie beobachten und gehen deren Wege mit) wenn man als Jurist die rechtliche Seite, sprich die Folgen für einen selbst einschätzen kann; außerdem haben Sendenanstalten wie Netflix juristische Abteilungen die alle Produktionen entsprechend prüfen.
Zitat von falstafffalstaff schrieb:gleichzeitig unterstellst du aber mehr als 20 Prozessbeteiligten massenhaft systematische und zufällige Fehler,
Nicht "mehr als 20 Prozessbeteiligten". Nur denen, denen es nachgewiesen wurde, und nur dort wo es dokumentiert und belegt ist. Und würdest du dich mal mit den tatsächlichen Faktenstand wie er sich heute darstellt auseinandersetzen, wäre das auch für dich so sichtbar und erkenntlich.
Es ist nicht der erste Justizirrtum mit dem ich mich recherchetechnisch beschäftige, und ich hielt Avery nach der ersten Staffel immer noch für möglicherweise schuldig, auch wenn der Prozess unzweifelhaft durch die massiven Rechtsverstöße von Kratz manipuliert war; erst die Beschäftigung mit den Prozess-Unterlagen und auch den Eingaben von Zellner (die die meisten die sie hier kritisieren erkennbar gar nicht gelesen haben) brachten mich zu der Überzeugung, dass er nicht der Täter sein kann.


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Making a Murderer - der Fall Steven Avery/Brendan Dassey

21.12.2018 um 20:26
Zitat von stefanclimbr15stefanclimbr15 schrieb:Nicht "mehr als 20 Prozessbeteiligten". Nur denen, denen es nachgewiesen wurde, und nur dort wo es dokumentiert und belegt ist. Und würdest du dich mal mit den tatsächlichen Faktenstand wie er sich heute darstellt auseinandersetzen, wäre das auch für dich so sichtbar und erkenntlich.
Das stimmt so nicht - ein Gutachter begeht einen Fehler wenn er - gemäß deiner Auffassung - offensichtliche gefälscht Spuren nicht als solche erkennt und ein Richter begeht einen Fehler wenn er den falschen Gutachtern folgt,bzw. unzulässige Manipulationen im Verhör oder fehlerhafte Urteile nicht als solche erkennt . Insofern betreffen deine Unterstellungen deutlich mehr als 20 Personen, wenn man sämtliche Instanzen bis heute berücksichtigt.


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21.12.2018 um 20:36
Zitat von stefanclimbr15stefanclimbr15 schrieb:nicht der erste Justizirrtum
Moment, das hier ist kein Justizirrtum. Waren die anderen wirkliche Justizirrtümer oder auch nur Inhaftierte, die ihre Unschuld behauptet haben?
Zitat von stefanclimbr15stefanclimbr15 schrieb:den Eingaben von Zellner (die die meisten die sie hier kritisieren erkennbar gar nicht gelesen haben)

Wer kritisiert konkret welche Eingabe von Zellner? Wer sind die "meisten", die ahnungslose Kritik üben und wer sind die wenigen, die Kritik üben, die Eingaben aber gelesen haben? Die Kritik zu den Eingaben würde ich gern nachlesen. Ich kenne nur den aktuellen Antrag.
Zitat von stefanclimbr15stefanclimbr15 schrieb:Und ich unterstelle
Ja, das stimmt. Du unterstellst. Den einen unterstellst du einwandfreie Absichten und Arbeit,
den Strafverfolgungsbehörden, Rechtsmedizinern und Richtern unterstellst du Manipulationen, Absprachen mit Mördern, Schlampigkeit und Falschdarstellungen. Das erscheint wirklich etwas parteiisch.

Wer wurde denn hichsichtlich der diversen Vergehen bisher verklagt? Außer Netflix?


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21.12.2018 um 21:53
@Seps13
@falstaff

Ihr könnte hier gerne abweichende Ansichten vertreten, ihr könnte euch auch gerne auf mich einschießen, Das ändert die Faktenlage nicht.


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Making a Murderer - der Fall Steven Avery/Brendan Dassey

21.12.2018 um 22:00
Ich bin nicht wirklich sicher, aber ich glaube, diese Tat hat er nicht begangen.
Aber ich denke, es ist trotzdem gut, dass er aus dem Verkehr ist, weil ich denke, dass es nur eine Frage der Zeit ist bis er tötet.


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Making a Murderer - der Fall Steven Avery/Brendan Dassey

21.12.2018 um 22:50
Zitat von stefanclimbr15stefanclimbr15 schrieb:Das ändert die Faktenlage nicht.
Die Faktenlage existiert unabhängig von dir, aber nicht deren Fehlinterpretation ;)

Spaß beiseite. Versuch doch vielleicht wirklich mal, etwas nüchterner und entspannter an die Sache heranzugehen, dann ist die Diskussion sicher erbaulicher.

Denkst du, das Gericht wird Zellners Antrag stattgeben? Wie wird es dann zu den abgegebenen Knochen Stellung beziehen? Das ist doch eine spannende Überlegung, sicher kann man sich m. E. ganz und gar nicht sein.


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Making a Murderer - der Fall Steven Avery/Brendan Dassey

22.12.2018 um 01:00
Zitat von falstafffalstaff schrieb:Es ist doch interessant dass du bei einer bestimmten Person absolute Fehlerfreiheit annimmst, weil sie Jura und Filmwissenschaften studiert hat - gleichzeitig unterstellst du aber mehr als 20 Prozessbeteiligten massenhaft systematische und zufällige Fehler, obwohl die in ihren jeweiligen Fachgebieten ebenfalls hervorragend ausgebildet und erfahren sind. Ein Großteil davon hat ebenfalls Jura studiert und jahrelange Berufserfahrung vorzuweisen.

Wie passt das zusammen?
Das ist die Frage, die ich mir hier schon so oft gestellt habe. In meiner täglichen Berufspraxis finde ich mich immer wieder in der Situation, dass es mindestens drei Juristen gibt, die um die Klärung eines Sachverhalts bemüht sind, und dennoch nicht einer Meinung sind: da sind der Anwalt der gegnerischen Partei, ich, und Seine oder Ihre nicht ganz unbedeutende Wichtigkeit, der Richter oder die Richterin. Drei Juristen, mindestens einer war sogar auf der New York University Law School, und dennoch zwei, manchmal gar drei verschiedene Meinungen (oft hat der Richter eine, die weder mit der einen, noch der anderen Seite übereinstimmt.)

Wenn einem die Meinung dann nicht gefällt, wenden wir uns an weitere Juristen, Richter eines höherinstanzlichen Gerichts. Und die haben eventuell wieder eine andere Meinung? Wie kann das sein?

Die Aussagen hier im Thread wären um so Vieles leichter zu akzeptieren, wenn sie nicht immer wieder mit unsinnigen Pauschalurteilen verbunden wären, die zeigen, dass man von der Materie kaum Ahnung hat. Wirkliche Kenner der Materie, gerade wenn es um Rechtsthemen geht, würden so gut wie nie behaupten, dass der Ausgang eines juristischen Verfahrens "völlig klar" usw. ist. Solche Aussagen erscheinen mir immer als Pfeifen im Wald und ohne jede Berechtigung.


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22.12.2018 um 02:07
Zitat von Seps13Seps13 schrieb:Sie versucht also über die Rüge der Verletzung von Verfahrensvorschriften das Urteil anzugreifen?
Interessanter Schachzug. Ob sie damit durchkommt?

Das Gericht könnte evtl. argumentieren, es handele sich nach damaliger verständiger Würdigung nicht um be- oder entlastungsgeeignetes Material, weil man davon ausging, dass die Knochen nicht von TH stammen und nichts mit dem Fall zu tun haben, der Familie aber etwas Symbolisches zum Begraben überreicht werden sollte.

Oder es lehnt den Antrag auf Untersuchung der Knochen mit der Begründung ab, dass sich kein entscheidungserheblicher Beweiswert daraus ergibt.

Oder man exhumiert die Knochen in der Hoffnung, dass sie noch da sind.

Ob allein wegen des Umstandes, dass die Knochen herausgegeben wurden, das Urteil aufgehoben wird? Das kann ich mir ehrlich gesagt nicht vorstellen. Hast du dazu ne Quelle?
Wenn alles so einfach wäre, bräuchten wir eigentlich keine Gerichte und Richter mehr. Aber leider ist das Unfug. Wie Gerichte in dieser Frage entscheiden werden, ist abzuwarten. In der Vergangenheit gibt es einschlägige Urteile, deren Kenntnis Avery nicht sonderlich viel Mut machen sollte. Dies ist ein sehr Fakten-intensives Problem. Seit dem Urteil des obersten Gerichts der USA in dieser Sache in Youngblood hat es noch zahlreiche Urteile des obersten Gerichtes in Wisconsin gegeben, die mal für den Staat, mal gegen ihn ausgingen. Immer kam es auf entscheidende Details an.


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22.12.2018 um 07:41
Zitat von Rick_BlaineRick_Blaine schrieb:Wie Gerichte in dieser Frage entscheiden werden, ist abzuwarten

Aber ich finde es spannend, die verschiedenen Lösungsmöglichkeiten schon mal grob zu überlegen. Das Problem an sich hat @stefanclimbr15 ja umrissen. Zellner will Knochen untersuchen lassen, die herausgegeben wurden, was man nicht hätte machen dürfen.

Und nun? Meine Idee war, dass dann gesagt wird, Herausgabe war ok., Untersuchung nicht mehr möglich. Oder die Untersuchung wird von vornherein gar nicht erlaubt. Also ist die Herausgabe egal. Oder die Herausgabe ist ein Fehler gewesen, den man heilen kann, indem man die Knochen wieder ausgräbt. Oder das Urteil wird deswegen tatsächlich aufgehoben. Das passiert aber ja vermutlich nicht einfach so, weil irgendwelches Material vernichtet wurde. Es muss sich ja dann wohl um das ganz entscheidende Material handeln, was hier nicht der Fall sein dürfte.


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Making a Murderer - der Fall Steven Avery/Brendan Dassey

22.12.2018 um 07:44
Zitat von Rick_BlaineRick_Blaine schrieb:Seit dem Urteil des obersten Gerichts der USA in dieser Sache in Youngblood
Habe gerade nachgeschaut:
Der Arizona Court of Appeals hat tatsächlich die Verurteilung von Youngblood aufgehoben, weil Beweise nicht aufbewahrt wurden.
Der oberste Gerichtshof ist dem aber nicht gefolgt, weil die Polizei die Beweise nicht bösgläubig entsorgt hatte. Hab ich das richtig verstanden? Aber bösgläubige Entsorgung wird doch praktisch nie vorliegen.


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Making a Murderer - der Fall Steven Avery/Brendan Dassey

22.12.2018 um 08:03
Zitat von Rick_BlaineRick_Blaine schrieb:Wenn einem die Meinung dann nicht gefällt, wenden wir uns an weitere Juristen, Richter eines höherinstanzlichen Gerichts. Und die haben eventuell wieder eine andere Meinung? Wie kann das sein?
Um nicht missverstanden zu werden: Natürlich kann sich auch eine große Anzahl von Fachleuten die in einen Fall involviert sind irren. Der Fall der Memphis Three ist hierfür ein eindrucksvolles Beispiel. Und evtl. war es ja auch im Avery Fall so. Mir ging es nur darum dass jemand den Film als zuverlässige Quelle der Wahrheit hingestellt hat, weil eine der Autorinnen Filmwissenschaften und Jura studiert hat.

Ich will noch nicht mal bestreiten dass das was der Film zeigt größtenteils korrekt ist. Für die Aussage eines extrem parteiischen Film ist aber nicht nur wichtig was er zeigt, sondern auch wie er das Gezeigte gewichtet und arrangiert und vor allem auch was er nicht zeigt.


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Making a Murderer - der Fall Steven Avery/Brendan Dassey

22.12.2018 um 08:09
Zitat von Seps13Seps13 schrieb:Das passiert aber ja vermutlich nicht einfach so, weil irgendwelches Material vernichtet wurde. Es muss sich ja dann wohl um das ganz entscheidende Material handeln, was hier nicht der Fall sein dürfte.
Hey, Du denkst hier juristisch. Eines Tages wirst Du noch ein Kollege :)

Tatsächlich stehen wir hier vor mehreren Problemen: Zuerst einmal ein Problem praktischer Art. An sich sehe ich kein Problem darin, die Knochen noch einmal zu testen. Ich gehe davon aus, dass Averys Antrag dahingehend positiv beschieden wird.

Den Schlussfolgerungen Zellners folge ich nicht, ich finde es ganz witzig, dass hier bisher niemand auf die meines Erachtens naheliegendere Schlussfolgerung gekommen ist. Zellners Theorie ist schön und gut aber meines Erachtens nicht die naheliegendste.

Nun das faktische Problem: Beweismaterial wurde vernichtet. Dann kann man es vermutlich nicht mehr wiederherstellen. Freilich kann man es versuchen, falls eine Exhumierung noch etwas bringt. Das können Fachleute entscheiden. Aber nehmen wir einmal an, es ist unwiderruflich verloren.

Dann wird das Ganze zu einem juristischen Problem. Allerdings sind wir Juristen, entgegen dem landläufigen Vorurteil, und besonders amerikanische Juristen, nicht so, dass sie einfach den Paragraphen sehen und sagen: Beweismaterial futsch - Case over. Avery wird freigelassen und dann war es das.

Die Rechtsprechung des obersten Gerichsthof ist da viel nuancierter. Natürlich gibt es Fälle, da ist die Sache klar. Wenn die Rechte eines Angeklagten ganz massiv und irreparabel verletzt werden, dann kann eine Verurteilung nicht mehr aufrecht erhalten werden.

Aber in den meisten Fällen fragen die Gerichte erst einmal: Was wäre, wenn? Ist die Sache überhaupt so eindeutig? Kann die Anklage oder die Verurteilung auch ohne dieses Element aufrecht erhalten werden? Ist das Element ein unverzichtbares in einem Fall oder nicht?

So auch hier. In Youngblood v. Arizona hat das oberste amerikanische Gericht die Sache beleuchtet. Auch das kam nicht ohne Vorbereitung, in California v. Trombetta hatte das Gericht bereits einen Grundstein gelegt.

Das Gericht fand einen Aspekt ganz wichtig: die Relevanz des vernichteten Beweismittels. Es wägt vorsichtig ab.
The Due Process Clause of the Fourteenth Amendment, as interpreted in Brady, makes the good or bad faith of the State irrelevant when the State fails to disclose to the defendant material exculpatory evidence. But we think the Due Process Clause requires a different result when we deal with the failure of the State to preserve evidentiary material of which no more can be said than that it could have been subjected to tests, the results of which might have exonerated the defendant.
Youngblood at 57

Wenn das Material ganz klar entlastend ist, ist die Sache einfach, sagt das Gericht. Aber, sagt es, "wir denken wenn es sich um Material handelt, von dem man nur sagen kann, dass es vielleicht getestet hätte werden können, und die Testergebnisse hätten vielleicht entlastend sein können..."dann schauen wir genauer hin. Wir schauen zum Beispiel ob die Anklagevertretung in böser Absicht gehandelt hat oder nicht.

Im Fall urteilte der oberste Gerichtshof:
In this case, the police collected the rectal swab and clothing on the night of the crime; respondent was not taken into custody until six weeks later. The failure of the police to refrigerate the clothing and to perform tests on the semen samples can at worst be described as negligent. None of this information was concealed from respondent at trial, and the evidence — such as it was — was made available to respondent's expert who declined to perform any tests on the samples. The Arizona Court of Appeals noted in its opinion — and we agree — that there was no suggestion of bad faith on the part of the police. It follows, therefore, from what we have said, that there was no violation of the Due Process Clause.
Youngblood at 58

Die Tatsache, dass die Polizei das Beweismittel nicht gesichert hat ist höchstens fahrlässig zu nennen. Der Angeklagte wusste vom Beweismittel und es wurde seinem Experten für Tests angeboten, der aber lehnte ab. Es gab keinerlei Böswilligkeit bei der Polizei. Daher, so schliesst das oberste Gericht, liegt hier keine Verletzung der Verfassungsrechte des Angeklagten vor.

In Averys Fall ist die Lage ein wenig anders. Und seit Youngblood hat sich auch das oberste Gericht von Wisconsin mit dem Thema beschäftigt. In State v. Greenwold entschied es z.B. dass reine Fahrlässigkeit der Behörde, ohne Böswilligkeit, nicht ausreichend ist, eine Verurteilung zu kippen. Das Gericht bestätigt u.a. auch den Trombetta Standard, dass das Material potentiell entlastend sein muss. Ist das nicht bewiesen, so das Gericht, stellt sich das ganze Thema nicht.

Es schreibt:
Thus, the due process analysis is two-pronged. A defendant's due process rights are violated if the police: (1) failed to preserve the evidence that is apparently exculpatory; or (2) acted in bad faith by failing to preserve evidence which is potentially exculpatory. Id. at
68 *68 57-58; see also Greenwold, 181 Wis. 2d at 885-86, 512 N.W.2d at 239. Arriving at this standard, the Court balanced the defendant's interests in having access to significant evidence weighed against the unreasonableness of requiring the police to retain and preserve all evidence that might have significance. Youngblood, 488 U.S. at 58.
Das Gericht verlangt eine sorgfältige Abwägung der Interessen.

Das Thema taucht immer wieder auf, und immer wieder wägt das Gericht vorsichtig ab, so z.B. auch in Stevens.

Es tut mir leid, dass das jetzt ein wenig lang geworden ist, was ich hiermit deutlich machen wollte ist, dass es keineswegs eine klare Sache ist und Avery seinen Fall schon gewonnen hat. Im Gegenteil: die Gerichte gehen in diesen Dingen sehr sorgfältig und detailliert vor. Averys Antrag wird geprüft werden und vermutlich durch die Instanzen gehen. Man wird sehen, wie die Richter am Ende entscheiden. Ich masse mir hier keine Voraussage an, denn ich kenne die exakten Details der Sache nicht.


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Making a Murderer - der Fall Steven Avery/Brendan Dassey

22.12.2018 um 08:12
Zitat von falstafffalstaff schrieb:Um nicht missverstanden zu werden
Ich hab Dich schon verstanden. Ich wollte eben auch deutlich machen, dass juristisches Fachwissen noch lange nicht bedeutet, dass man keine Fehler macht.

Hier bin ich immer wieder auf Bemerkungen gestossen, wie "ganz eindeutig" "klar ersichtlich" und so weiter und es folgt eine juristische Feststellung. Und das ist eben falsch. Ich bezweifle, dass irgendjemand hier einfach aus der Lektüre der Falldokumente oder dem Ansehen der Netflix Serie klar sagen kann, dass bestimmte juristische Anträge aussichtslos, klar gewinnend, usw. sein werden. Ich jedenfalls würde das trotz Fachkenntnissen nie so sagen.


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22.12.2018 um 08:15
Zitat von falstafffalstaff schrieb:Für die Aussage eines extrem parteiischen Film ist aber nicht nur wichtig was er zeigt, sondern auch wie er das Gezeigte gewichtet und arrangiert und vor allem auch was er nicht zeigt.

Was man an der DNA-Sache gut erkennen kann. Hängen geblieben ist "unvollständig" und "Kontamination" und der Zuschauer denkt sich dann, da wurde gepfuscht und passend gemacht. In Wirklichkeit gibt es eine ganz überzeugende DNA-Analyse, an der es nichts zu deuteln gibt und die Kontamination der Kontrollprobe durch Culhane hat auf das Ergebnis überhaupt keine Auswirkungen.


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22.12.2018 um 08:17
@Rick_Blaine: Sehr interessant, vielen Dank. Das ist eine gute Grundlage zu dem Thema und rückt es in richtige Licht.


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22.12.2018 um 08:21
Zitat von Seps13Seps13 schrieb: Falstaff schrieb:
Für die Aussage eines extrem parteiischen Film ist aber nicht nur wichtig was er zeigt, sondern auch wie er das Gezeigte gewichtet und arrangiert und vor allem auch was er nicht zeigt.
Das ist richtig. Die Netflix Serie zeigt eindeutig die Sichtweise der Verteidigung. Diese aber ist eine Interpretation der Fakten. In manchen Teilen mag es die einzige oder einzig vernünftige Interpretation sein. In anderen Teilen aber kann es auch eine ganz andere, ebenso vernünftige oder gar vernünftigere Interpretation geben.

Das ist, was wir in den USA das "adversarial system" nennen. Beide Seiten, Anklage und Verteidigung, dürfen ihre Interpretation der Fakten vortragen. Entscheiden aber tut am Ende das Gericht, also die Jury oder der/die Richter.

Dem amerikanischen Zuschauer ist das etwas bewusster als dem deutschen, vermute ich, da der Amerikaner das eben aus seinem System her kennt. Man darf die Darstellung von Netflix oder auch die Kommentare von Zellner eben nicht so verstehen, dass es keine andere Interpretation geben kann.


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