MarbachMinds schrieb:Also sollte sich der Abschiedsbrief wirklich bestätigen, wonach es ja aussiehst, wirft das alles wieder in ein ganz anderes Licht.
In meinen Augen hätte er so kurz vor dem Angesicht des Herrn keinen Grund mehr gehabt zu lügen.
Da bin ich anderer Ansicht. Es kommt nicht selten vor, dass jemand aus falschem Stolz ein solches Verhalten bis zum Schluss durchzieht. Nicht jeder langjährig inhaftierte, der unweigerlich seine Unschuld beteuert, ist auch tatsächlich unschuldig. Es ist auch in diesem Fall denkbar, dass der Tatverdächtige trotz aller Zweifel keinen Weg sah, in ein normales Leben zurückzukehren - ganz gleich, wie das gerichtliche Verfahren endet. Ich möchte keine simplen Wörter wie Revanche, Retourkutsche oder dergleichen verwenden, dennoch kann ein solches Verhalten auch in diese Richtung interpretiert werden. Ein Täter, der meint, nicht entdeckt zu werden und dennoch erwischt wird, sieht die Ermittlungsbehörden als Gegenspieler an. Wenn man selbst nicht mehr viel zu verlieren hat, ist es auch durchaus denkbar, dass man noch "andere mitnehmen" möchte. Könnte man das besser als so ? Wohl kaum. Die Ermittlungsbehörden werden Vorwürfen und Zweifel ausgesetzt, die Beweislage ist derart dünn, dass "der große Beweis" wohl auch nach seinem Ableben nicht mehr kommen wird. Was bleibt ist für einige die Vermutung, man hätte einen unschuldigen in den Tod getrieben. Sowohl von den Ermittlungsbehörden, den vorverurteilenden Menschen aus der Bevölkerung, den Medien, usw.
Wem das zuviel Spekulation oder abwegig sein mag, den verweise ich gerne nochmal nach oben: Nicht jeder, der bis zum Schluss seine Unschuld beteuert, ist auch wirklich unschuldig. Auch wenn wir Menschen in solchen Situation oft dazu neigen, an deren Schuld dann zu zweifeln...
JamesRockford schrieb:Das sehe ich auch so. Diesen Suizid hätte man verhindern können.
Möglicherweise an diesem Tag, in dieser Situation. Nicht aber für immer. Ich halte es daher für mühsig, jetzt einen schuldigen für seinen selbstgewählten Suizid auszumachen. In seiner Situation wäre es auch gut denkbar gewesen, dass er sich nach einem möglichen Freispruch zweiter Klasse suizidiert, weil er das Signum, das ihm anhaftet, nicht erträgt.
JamesRockford schrieb:Am 6. ging es um seine Haftprüfung. Er ist morgens um 6 Uhr gefunden worden. Ich will hier niemandem Unachtsamkeit oder Versagen unterstellen, aber diese Nacht vor dem 6. war eine Nacht zwischen Bangen und Hoffen. Dass man da vielleicht mal ab und an schaut, ob der Angeklagte schläft, wäre in meinem Augen normal gewesen.
Das hätte ich gerne mal näher erläutert, warum ausgerechnet dieser Tag ein erhöhtes Suizidrisiko hervorgerufen haben soll ? Das erschließt sich mir nicht im geringsten. Vor Prozessbeginn ist der Druck am höchsten, die Angst vor der Öffentlichkeit, vor dem Unbekannten. Möglicherweise wird der Druck größer durch einen entsprechenden Prozessverlauf und erdrückender Beweislage - das war hier aber nicht gegeben. Es lief so günstig für ihn, dass er guten Glaubens sein konnte, eventuell freigesprochen oder aber auch aus der Haft entlassen zu werden. Ich erkenne deshalb keine erhöhte Suizidgefahr DURCH den 6.2. - wäre seine Haftprüfung negativ beschieden worden, dann sehe ich eine Begründung, aber nicht davor. Deshalb dem Gefängnis indirekt vorzuwerfen, sie hätten Versäumnisse an den Tag gelegt, finde ich schon sehr weit hergeholt...