Rick_Blaine schrieb:Fangen wir einmal mit dem angeblichen Profil weiter oben an. Wer den Namen der Vermissten mal bei google eingibt wird feststellen, dass es Leute mit diesem Namen wie Sand am Meer gibt. Vermutlich ist er auf bulgarisch so etwas wie Claudia Schmidt oder Silke Meier. Das Profil oben behauptet z.B. sie hätte vor einigen Jahren in Erlangen studiert, die Suchmeldungen dagegen sprachen davon, dass sie jetzt gerade Studentin sei. Das passt schon mal recht schlecht.
Dass der Name häufig ist, stimmt.
Es passen in dem Freelancer-Profil aber auch das Alter 31, die Herkunftsort Plovdiv (Abitur), die guten Deutschkenntnisse als Deutschlehrerin und auch dass sie Kunst in Erlangen studierte. Dass Fach Kunst erwähne Freunde auf FB. Die Mutter soll in Sofia leben, da hatte sie laut Profil auch einige Berufsstationen. Sie scheint ja einen engen Draht zur Mutter zu haben. Und so viele Kristina Valchevas auf die alles zusammen zutrifft wirst, insbesondere der Studien-Bezug zu Erlangen, Herkunft Plovdiv, Alter 31, wirst Du nicht finden. Das ist in der Summe sehr signifikant und zumindest sehr wahrscheinlich, dass es das richtige Profil ist.
Rick_Blaine schrieb:Und so geht es weiter. Dass der Vater Millionär sei, ein Baulöwe gar (die sind ja immer in dunklen Machenschaften verstrickt, gell?) usw... habe ich in dem Artikel nicht entdeckt: Geschäftsmann soll er sein, ein altmodisches Wort für Unternehmer, Rechtsanwalt von der Ausbildung her, eine eigene Firma, irgendwas mit Gewächshäusern... aber ob das jemanden gleich "reich" macht, ist bei der generellen Armut in Bulgarien schon zweifelhaft (ein Arzt verdient dort umgerechnet vermutlich weniger als die meisten Hartz IV Empfänger bekommen).
Was den Vater angeht. Dass er Millionär ist oder sein soll steht in einer Artikel-Überschrift:
Bulgarisch: "Милионерска щерка отвлечена за откуп?"
Deutsch: "Millionärstochter entführt, wegen Lösegeld?"
http://www.struma.com/sinya-lampa/milionerska-shterka-otvlechena-za-otkup_73638/Wie er zu seinem Geld kommt, wird ja in dem Artikel ausführlich dargestellt, zusammen mit seinem Bruder hat er spezielle Gewächshäuser entwickelt oder verwendet diese, mit "Tröpfchenbewässerung", womit er den Ertrag verdreifachen kann und enorme Mengen an Gurken und Tomaten fabriziert und eben damit "Millionen macht" - so steht es wörtlich in der Übersetzung.
Dass er reich ist und also bei ihm was zu holen ist, wurde einem breiteren Publikum bekannt, weil ihm irgendwelcher Betrug mit EU-Subventionen und Scheingeschäften (im Rahmen des EU-SAPARD-Programms) vorgeworfen wird und seine Firma und sein Name dabei bekannt wurde. Was hier aber nicht das Thema ist.
Höchstens dass in solchen Fällen es nicht mal so selten ist, dass die Entführer einen engeren Bezug zu der erpressten Familie haben.
Außerdem ist der Vater ein "bedeutender Aktionär des Luxus-Business-Center "Intradings" in Sofia".
Steht alles im Artikel. Baulöwe hast Du irgendwie falsch abgerufen.
Mithin eine ziemliche Evidenz bzgl des Reichtums des Vaters.
Dass es in Bulgarien viele sehr arme Leute gibt, stimmt, es stimmt aber auch, dass es nicht wenige Reiche und Superreiche gibt. Die Arm-Reich-Schere klafft in Staaten mit einem Mafia- bzw OK-Problem noch deutlich weiter auseinander als hierzulande schon.
Rick_Blaine schrieb:Warum jemand sie aus Erlangen verfolgen sollte und dann ausgerechnet in Kufstein zuschlagen soll, ist mir auch nicht ganz klar. Immerhin, wenn das eine lange geplante Entführung gewesen sein soll, dann ist ihre "Flucht" mit dem Taxi nach Kufstein ja gerade etwas, was die Täter nicht vorhersehen konnten.
In einem Szenario, wo man eine Person aus einem Zug (oder von einem Wartebahnhof auf der Reise) heraus entführt, braucht man mindestens zwei, besser drei Täter, ein Auto und eine günstige Gelegenheit.
Nehmen wir an, der eine fährt im Zug mit und weiß daher, wann ein längerer Aufenthalt kommt oder zu erwarten ist. 3h in Wörgl, einem kleinen Kaff, bei Nacht zuzuschlagen - das ist ideal. Der andere (evtl mit einem dritten) fährt mit dem Auto von Erlangen hinterher. Von der Zeit passt das locker. Kristina bekommt es mit und flieht. Sie hat von der letzten Fahrt die letzte Station Kufstein im noch im Kopf, weiß dass es da touristisch ist und viele Hotels gibt.
Auf der Taxifahrt sieht sie die Verfolger nicht, geht daher noch an den Bahnhof, um zu sehen, ob sie in derselbigen Nacht noch weiterkommt, bzw. wie die Fahrt am nächsten Morgen weitergeht. Daher spricht sie den Fahrdienstleiter an, weshalb der sich auch an sie erinnert.
Leider hat sie sich in der Annahme getäuscht, die Verfolger abgeschüttelt zu haben, die greifen sie am menschenleeren Bahnhof Kufstein auf, schleppen sie in den Wagen und bringen sie erst mal jwd, nach einigen Tagen melden sie sich dann bei dem Vater mit Lösegeldforderungen. Dann beginnt ein Nervenkrieg und Verhandlungspoker. Das bulgarische Umfeld in Erlangen kriegt das von der bulgarischen Verwandtschaft mit und stellt seine FB- und andere Suchaufrufe und -Aktivitäten Mitte April ein.
So ein Entführungsszenario wirkt sicher aufwendig, aber Kriminalität ist wie Normalität immer eine Frage von Einsatz, Risiko und erwartetem Gewinn. Hier ist der erwartete Gewinn recht hoch, da könnte sich der Aufwand aus Tätersicht lohnen.