Mordfall Dagmar E. (58) aus Dinslaken
21.03.2016 um 17:11
Prozesstag 13, Beginn 10:10 Uhr, Ende 15:15 Uhr
Von 10:10 Uhr bis 10:15 Uhr verlas der Richter noch einige Punkte bzgl. des durchgeführten Selbstleseverfahrens und ließ diese zu Protokoll nehmen. Danach wurde die Beweisaufnahme förmlich abgeschlossen. Was war erwähnenswert: Dagmars Mutter war heute anwesend. Der Wahlverteidiger des ältesten Bruders kam dieses Mal gar nicht……selbst der Richter wusste nicht, warum er nicht da war…
Plädoyers durch die Staatsanwaltschaft (10:15 bis ca. 11:15):
Ich nehme mal die Forderungen vorweg:
Dagmars Sohn: 12 Jahre wg. gemeinschaftlichen Totschlags
Jüngster Bruder: 9 Jahre 8 Monate wg. gemeinschaftlichen Totschlags
Mittlerer Bruder: 8 Jahre 9 Monate wg. gemeinschaftlichen Totschlags
Ältester Bruder: 10 Jahre 6 Monate wg. Anstiftung zum gemeinschaftlichen Totschlag
Die beiden Staatsanwälte wechselten sich jeweils 2x in ihren Verlesungen ab. Bei der Verlesung des Plädoyers fügten sie letztlich die Fakten aus der Beweisaufnahme zusammen und gaben so noch einmal ein Komplettbild. Dagmars Mutter tat mir da schon ein wenig leid, da sie sich minutiös die Faktenlage des Tatabends anhören musste. Es fiel ihr m.E. auch schwer, sie hat sich aber tapfer geschlagen. Ich möchte die Einzelfakten nicht mehr aufwärmen, sie stehen ja in den Vorberichten bereits zu lesen. Jedenfalls führten die Staatsanwälte aus, dass eine Anklage wg. Mordes nicht vertretbar sei, da es an Mordmerkmalen fehle. Sie nutzten Begrifflichkeiten wie „Plan“, „fehlende Reue“, „hollywoodreife Schauspielleistung“ oder aber auch Aussagen des Sohnes wie z.B. „die anderen haben Anfängerfehler gemacht“.
Das und halt einige andere Aussagen führten dann im Laufe des Plädoyers zum Sohn als „Hauptschuldigen“ und daher nach Lage der Fakten auch zum Sohn als -mindestens Mittäter, aber schon auch führende Größe bei der Planung (Mitschnitte aus der Fahrzeugabhörung: Akkus rausnehmen, Handys in einem Briefkasten deponieren etc.). Die Staatsanwälte bedankten sich bei allen Prozessbeteiligten für die gute, faire und transparente Zusammenarbeit.
Plädoyers durch den Anwalt der Nebenklage:
Aber hallo, da war Musik drin….es folgte ein rhetorisch nahezu perfekter Vortrag des Anwaltes, gespickt mit jeder Menge nonverbaler-Kommunikationsmerkmale. Der Mann wusste, wie man einen Spannungsbogen aufbaut und aufrecht hält. Er führte aus, dass er den Plädoyers der Staatsanwälte nicht folgen kann. Er sprach von Totschlag mit besonderer Schwere und zitierte 2 Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichtes, in denen ausgeführt ist, wann in einem solchen Fall das Urteil „lebenslänglich“ heißen kann.
Er sprach dann auch direkt den Sohn an und sagte „Warum haben Sie Hr. E. ihre Mutter getötet ? Welchen Hass muss ein Mensch haben, um das zu tun. Sie Herr E., sind die Spinne im Netz“. Der Anwalt wusste genau, wann die Stimme zu heben und zu senken ist, wann die Brille abgenommen und bei gesenkter Stimme auf den Tisch gelegt wird, um sie Sekunden danach wieder aufzusetzen, die Stimme anzuheben und auf die Angeklagten zu schauen. Gleiches mit seinem Kuli.
Die Nebenklage fordert daher die Prüfung einer lebenslänglichen Haftstrafe für den Sohn, da er sehr wohl das Tatmotiv der Habgier als erfüllt sieht, verramschen von Dagmars Schmuck, späterer Verkauf von Dagmars Wohnung um sich seinen Berufswunsch des Filmregisseurs finanzieren zu können.
Plädoyer des Verteidigers des Sohnes:
Er plädierte zunächst auf Freispruch, unterbrach dann sein Plädoyer und wollte es ergänzen, nachdem er die Verlesung der anderen Plädoyers gehört hat.
Plädoyer der Verteidigerinnen des jüngsten Bruders (JB):
Hier wurde es sehr ausführlich, aber dafür schlüssig hinführend zum Freispruch an der Beteiligung des gemeinschaftlichen Totschlags an Dagmar. Das Plädoyer begann in der Kindheit des JB, der Schulzeit die er abgebrochen hat um mehr aus dem Leben zu lernen. Es wurde zahlreiche belegte Beispiele der größeren Hilfsbereitschaft genannt, über die man auch im Internet sehr viel lesen kann.
Die kompetente Strafverteidigerin führte anhand der Faktenlage schlüssig aus, dass es keinerlei Beweise dafür gibt, dass der JB die Tat begangen hat und auch nichts davon wusste. Natürlich habe er sich anderer Straftatbestände schuldig gemacht, so z.B. Störung der Totenruhe, Strafvereitelung etc. Sie legte dar, dass es weder am Paketbandabroller noch an den Mülltüten etc. irgendwelche DNA-Spuren des JB gebe.
Auch in den Abhöraktionen war er weder selbst zu hören, noch kam sein Name in irgendeiner Art und Weise zur Sprache. Sie berichtete von einem Gespräch mit dem JB im Gefängnis, wonach der JB ausgesagt habe, dass der mittlere Bruder nach auffinden der Leiche von Dagmar in deren Wohnzimmer vollkommen verängstigt war und dem JB gesagt habe, er will sofort die Polizei rufen. Da nach der Version der Sohn der Alleintäter ist und der Sohn den JB gebeten/gefleht hat, bei der Beseitigung der Leiche zu helfen, hat der JB den mittleren Bruder ““überzeugen““ können, dass die Polizei nicht gerufen wird.
Die Strafverteidigerin führte weiter schlüssig aus, dass sich der Sohn nach eigenen Aussagen ja durch die Brüder unter Druck gesetzt fühlte und deshalb nicht zur Polizei gehen konnte, weil er Angst hat, sie würden ihm was tun. Warum ist der Sohn dann nicht zur Polizei gegangen, als der JB im März (?) letzten Jahres für 4 Wochen nach Äthiopien geflogen ist ???
Weiterhin fand noch Erwähnung, dass sich der JB komplett eingelassen habe, er jederzeit auf alle Fragen der Prozessbeteiligten geantwortet habe, dies aber teilweise z.B. durch den Sohn und dessen Anwalt genutzt wurde, um ihn als Lügner darzustellen.
2. Plädoyer des Verteidigers des Sohnes:
Nach dem gerade geschilderten Plädoyer fragte der Richter den Anwalt des Sohnes, ob er etwas zu seinem Plädoyer hinzufügen oder ändern wolle, was dann auch geschah. Er führte aus, dass er einige Dinge nicht übersehen und unberücksichtigt lassen kann. Diese wären z.B., dass sich ein Teil von Dagmars teureren Uhren in der Wohnung der Brüder gefunden wurde, nach dem das SEK Zugriff hatte. Weiterhin wurde im Kiosk des Vaters eine Münzsammlung sichergestellt, die angeblich dort von den Brüdern versteckt wurde, damit der Sohn sie nicht auch noch zu Geld machen wolle…er führte also entlastende Dinge für seinen Mandanten an, da sie ja ausgesagt haben, nie wirklich Geld gewollt zu haben.
Plädoyer des Anwalts des mittleren Bruders (MB):
Da sich viele Sachverhalte der Vorredner bereits wiederholt hatten, fasste sich der Verteidiger kurz: auch er plädierte für seinen Mandanten auf Freispruch von der Beteiligung am gemeinschaftlichen Totschlag. Ja, auch der MB habe sich anderer Straftatbestände schuldig gemacht. Aber eine Tatbeteiligung am gemeinschaftlichen Mord ist hier keinesfalls nachweisbar. Er führte weiter dazu aus, warum sich sein Mandant während der ganzen Zeit nicht geäußert habe. Hierzu bediente er sich der Argumente der Verteidigerin des JB. Da ja der Sohn und der JB ausgesagt haben, deren Aussagen aber „genutzt“ wurden, um sich gegenseitig zu belasten, hielt der Verteidiger es für sinnvoll, dass der MB eben nichts sagt, zumal er nicht aktiv an der Tat beteiligt war.
Plädoyer des Anwaltes des ältesten Bruders (ÄB):
Da der Wahlverteidiger in dieser doch wichtigen Phase durch Abwesenheit glänzte, sprang der Pflichtverteidiger ein. Auch er führte letztlich zugunsten seines Mandanten aus, sprach davon, dass der ÄB nicht Planer der Tat war und seine Brüder gesteuert hat. Auch das mit einigen Beispielen belegt. Ich mag da jetzt nicht im Einzelnen drauf eingehen, wird mir zu viel.
Danach waren die Plädoyers beendet, der Richter gab den Angeklagten das letzte Wort.
Sohn: Er führte aus, dass er keine Reue für eine Tat zeigen könne, die er nicht begangen hat. Er entschuldigte sich bei seiner Großmutter dafür, dass er ihr die ganze Zeit etwas vorgemacht hat und dass es ihm unendlich leid tut. Könne er seine Mutter wieder lebendig machen, so würde er das sofort tun.
JB: Auch er entschuldigte sich und hat seine Fehler eingesehen, die er sehr gern wieder rückgängig machen würde. Er beteuerte nochmals, nicht tatbeteiligt gewesen zu sein.
MB: keine Aussage
ÄB: Er stand auf und entschuldigte sich zunächst bei Oma, also Dagmars Mutter. Er beteuerte, dass er nie geplant habe, Dagmar umzubringen usw. Das einzige warum er die ganze Zeit geschwiegen und nicht zur Polizei gegangen ist, war, dass er seine Brüder schützen wollte,
Das war es dann für heute. Morgen um 12:00 Uhr werden die Urteile verkündet.
Alle Verteidiger bedankten sich im Rahmen ihrer Plädoyers bei allen Prozessbeteiligten für den fairen Umgang miteinander, die transparenten Hinweise des Richters usw. Es ist der einzige Prozess, an dem ich bislang teilgenommen habe (und ich hoffe, es bleibt auch so), aber Fairness und gleichberechtigter Umgang untereinander scheinen nicht überall üblich zu sein.
Alle Verteidiger sind sich auch einig, dass der genaue Tathergang nicht festgestellt ist und auch nicht, wer die Tat letztlich begangen hat, bzw. daran direkt beteiligt war. Alle Verteidiger richteten ihre Worte an den vorsitzenden Richter und beteuerten, nicht in seiner Haut stecken und das Urteil sprechen zu wollen.
So ihr Lieben, einen Bericht müsst ihr noch über euch ergehen lassen, dann ist „fürdiesenfall“ Geschichte.