Mordfall Dagmar E. (58) aus Dinslaken
11.03.2016 um 15:24
12. Prozesstag, Beginn 10:20, Ende 14:00 Uhr
Fing heute etwas später an, da ein Transport mit den Angeklagten im Stau steckte...Ruhrgebiet eben..... Der Verteidiger des ältesten Bruders schaffte es dennoch nicht, pünktlich auf der Matte zu stehen.
Heute ging es nochmals um die Vernehmung eines Zeugen, dann noch um ergänzende Aussagen des Funkzellenspezialisten, sowie um die des Rechtsmediziners.
Vernehmung eines weiteren Zeugen:
Diese erfolgte aufgrund eines Beweisantrages der Verteidiger des jüngsten Bruders. Es stand die Aussage im Raum, dass der Sohn nach Dagmars Verschwinden offensiv auf andere Menschen (u.a. den heute geladenen Zeugen) herangetreten sei, um die ETW zu verkaufen. Bei dem heute in Begleitung erschienenen Zeugen handelt es sich um einen gesundheitlich eingeschränkten, Ü80-Herrn, der sich zu dem Sachverhalt äußern sollte.
Aufgrund des gesundheitlichen Umstandes entschied der Vorsitzende zunächst, die Begleitung des älteren Herrn zum gesundheitlichen Zustand des eigentlichen Zeugen einerseits zu vernehmen, andererseits wurde auch hinterfragt, was die junge Begleitung denn über das Thema „offensives Anpreisen der Wohnung“ wisse.
Der junge Mann führte zu allen Themen umfassend aus. Erwähnenswert ist hier noch, dass der Zeuge zunächst aufgrund seines gesundheitlichen Zustandes zuhause vernommen wurde. Dies ging aber nach Aussage des Richters eher daneben, als dass es dienlich war, denn der Zeuge fühlte sich nach der Vernehmung stark psychisch belastet, schläft nicht mehr durch usw. Warum es so ist, möchte ich im Einzelnen gar nicht ausführen, man könnte es mit mangelndem Feingefühl des Vernehmenden beschreiben.
Jedenfalls sollte der Mann in jedem Fall noch als Zeuge gehört werden und nach mehreren „dafür und dagegen“ beschlossen alle anwesenden Prozessbeteiligten, dass der Mann eine audio-visuelle Vernehmung erhalten wird. In keinem Fall wollte man dem Mann zusätzlichen Belastungen aussetzen oder ihm gar weiteren gesundheitlichen Schaden zumuten, wenn er gegen seinen Willen im Sitzungssaal aussagen würde. Er hätte in Anwesenheit der Angeklagten ohnehin nichts gesagt, so seine Aussage.
So gab es also eine Unterbrechung. Nach erneutem Aufruf in den Sitzungssaal war dann ein „Videowürfel“ in Raummitte platziert. Es ist eine Art Tisch, Tischplatte in der Größe ca. 1,00 m x 0,80 m. Das Tischgestell besteht aus trapezförmigen Elementen, die schräg angeordnet sind. Auf dem Tisch ein wenig Medientechnik, an allen 4 Trapezwänden ca. 20“ große Monitore installiert. Beim Richter, Staatsanwälten und den Verteidigern waren Mikrofone aufgebaut. Der Zeuge befand sich im gegenüberliegenden Sitzungssaal, dabei: seine Begleitung und ein Justizbeamter.
Dann hat der Richter die Befragung begonnen. Wir konnten den Zeugen auf den Bildschirmen sehen und ihn hören, der Zeuge konnte den Richter sehen und hören. Ich möchte das jetzt auch nicht weiter auswälzen: Der Sohn ist zu keiner Zeit offensiv an den Zeugen herangetreten, um ihm Dagmars Wohnung zu verkaufen.
Verlesung der ergänzenden Angaben des Rechtsmediziners:
Das verlesene Dokument war nach Aussage des Vorsitzenden eine der letzten Amtshandlungen des Rechtsmediziners in Deutschland. Er hat seinen Job hier an den Nagel gehängt und ist mittlerweile in Curacao sesshaft.
Bei der Verlesung ging es speziell um 2 Gegenstände, die nochmals einer forensisch-biologischen Begutachtung unterzogen werden sollten. Zum einen ging es um einen großen Schraubenschlüssel, der in Dagmars Wohnzimmer gelegen hat. Bei der Erstuntersuchung der Wohnung lag er allerdings noch nicht da. DNA-Spuren gab es vom Sohn und von zwei weiteren unbekannten Personen. Blutanhaftungen gab es keine. Der Rechtsmediziner beschrieb die Wahrscheinlichkeit mit –irgendwie 2 Billionen zu 1, dass die DNA-Spur vom Sohn stammt und es somit erwiesen ist, dass er den Schlüssel in der Hand hatte. Der Rechtsmediziner führte weiter aus, dass dieser Schraubenschlüssel ungeeignet ist, die Strangulationsmerkmale an Dagmars Hals hervorgerufen zu haben. Als Tatwerkzeug scheidet er somit aus.
Der Vorsitzende befragte den Sohn zum Sachverhalt, warum er den großen Schlüssel auf dem Wohnzimmerteppich deponiert hat. Der Sohn antwortete, dass er es als Verteidigungsmittel dort hingelegt hat, falls ihn der jüngste Bruder wieder bedrohen würde.
Bei dem zweiten Gegenstand ging es um eine Drahtschlinge, die in 25 cm Abständen auf DNA-Spuren untersucht wurde. Hier wurde nichts verwertbares an DNA abgegriffen. Blutanhaftungen wurden nicht sicher festgestellt, aber als möglich (nagelt mich hier nicht auf die richtige rechtsmedizinische Terminologie, ich habe die genauen Worte vergessen). Der Rechtsmediziner führte dazu aus, dass die Verwendung einer solchen Drahtschlinge zu den „feinstreifigen“ Verletzungen an Dagmars Hals geführt haben könnten. Ein Nachweis, dass diese Drahtschlinge ursächlich für Dagmars Halsverletzungen war, konnte nicht erbracht werden.
Middachspause gab es heute keine…wir wollten ja alle schnell ins Wochenende….
Als nächstes gab es die ergänzenden Angaben des Funkzellenspezialisten.
Hier ging es ja darum, dass die Verteidiger im Rahmen eines Beweisantrages gefordert haben, auch das Bewegungsprofils des Handys des jüngsten Bruders zu erstellen, sowie um die bislang noch nicht funkzellentechnisch bewiesene Tatsache, dass sich Dagmars Ablageort innerhalb der bislang ausgewerteten Funkzellen befindet.
Im Rahmen des Selbstleseverfahrens ordnete der Richter also an, dass sich die Prozessbeteiligten bis zum nächsten Prozesstag mit dem Bericht auseinander setzen müssen. Dennoch wurde der Bericht per Beamer an die Mega-Leinwand projiziert und wir mussten uns das mit anhören…. Die Exceltabelle enthielt grob 150 Zeilen und beschrieb den Zeitraum vom 30.09.14 ca. 18:00 Uhr bis irgendwann zum 01.10.14 Spätnachmittags. Ich versuche mal, die Verlesung einer Zeile hier schriftlich wieder zugeben, die Zahlen sind frei erfunden, einfach nur, um euch einen Eindruck zu vermitteln:
„In Zeile 1 von achtzehn Uhr fünfunddreißig und dreinundzwanzig Sekunden befand sich das Handy des A in Funkzelle vier-fünf-drei-sechs-neun, vier-acht-fünf, Längengrad N vier-sieben-sechs-neun-fünf, Breitengrad E drei-sieben-neun-sechs-acht, Sendemast siebenundvierzigelf, Abstrahlrichtung huntertzwanzig auf der Sandrastraße“…
Danach ging es dann so weiter und ich habe mich entschlossen, für diese Verlesung das Gehirn kurz in den Dämmerzustand zu versetzen, um nicht komplett konfus ins Wochenende zu gehen.
Zum Ablageort und der Zugehörigkeit der Funkzelle, in denen die tatverdächtigen Handys geortet wurden kam heraus, dass Anfang März das Empfangssignal des entsprechenden Sendemastes nur äußerst schwach in der Nähe des Ablageortes ankommt. Hierbei handelt es sich ja um dicht bewaldetes Gebiet. Das war aber aus Sicht der Kammer jetzt kein Argument, welches es in Frage zu stellen gilt: Zwei Angeklagte haben ja ausgesagt, sich zu der fraglichen Zeit am Ablageort befunden zu haben, um Dagmar dort zu verscharren.
Zusammenfassend lässt sich aus diesem Bericht sagen, dass das Handy des jüngsten Bruders nahezu exakt dasselbe Bewegungsprofil aufweist, wie das Handy des mittleren Bruders. Der jüngere Bruder wurde vom Richter befragt, ob er auf Basis der Erkenntnisse aus dem Bericht, noch Änderungen in Bezug auf seine ursprüngliche Einlassung machen wolle. Der jüngst Bruder antwortete, dass es keine Änderungen gibt, er während der Zeitlücke im Handy-Bewegungsprofil (demnach war er weder bei Dagmar zuhause, noch in seiner Wohnung) in jedem Fall in Dagmars Wohnung war. Der Richter führte dazu aus, dass die, mit hochmoderner Technik umfangreich erhobenen und ermittelten Daten unumstößliche Fakten sind und man sie nicht wegdiskutieren kann und will.
Damit war es dann auch quasi fast rum.
Der Vorsitzende sprach einen richterlichen Hinweis aus: Der Richter sagte, dass sich der Sohn und die beiden jüngeren Brüder des gemeinschaftlichen Totschlags schuldig gemacht haben könnten, der älteste Bruder der Anstiftung zum Totschlag. Er führte weiter aus, dass die Beweisaufnahme am nächsten Prozesstag zügig abgeschlossen sein wird.
Abschließend fragte der Staatsanwalt den Sohn, ob er aufgrund seiner teilweise widersprüchlichen Einlassung noch Änderungen/Ergänzungen mitteilen wollte. Der Sohn sagte, dass er alles aus seinem Gedächtnis, nach bestem Wissen und Gewissen, der Wahrheit entsprechend gesagt hat und nichts mehr ändern möchte.
Der Staatsanwalt fragte dann den jüngsten Bruder, ob er aufgrund seiner unglaubwürdigen, teilweise gelogenen Einlassung noch Änderungen/Ergänzungen mitteilen wollte. Der jüngste Bruder sagte, dass er die Wahrheit gesagt habe und nichts ändern kann, weil wenn er das tue, würde er lügen.
Die Prozessakte hat mittlerweile über 2.750 Seiten.
Danach schloss der Richter die heutige Verhandlung.